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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Zwölftes Kap. Beschreibung der Stadt und des Schlosses Jedo.
Sitzen nöthigte. Verschiedene der geschornen Hofleute (diese sind nämlich die Tempelher-
ren, Aerzte, auch Tafel- und Küchenbediente) kamen alsbald bei uns, und thaten Fragen
nach unserm Namen, Alter und andern Kleinigkeiten, die vorgezogenen vergoldeten
Schirmwände aber besreieten uns kurz darauf von ihnen und dem ganzen vorbeigehenden
Hofschwarm. Nach einer halben Stunde, während dem sich der Hof in den Kammern,
aus welchen wir solten beschauet werden, eingefunden, brachte man uns durch einige finstere
Gänge dahin. Diese Gänge waren mit einer einfachen Reihe auf den Knien niedergebük-
ter Kaiserlicher Leibwächter und andern sich an diese in der Ordnung schließenden Hof bedien-
ten in ihren Staatsuniformen durchaus bis an den Schauplaz, wo wir nemlich vorgestelt
wurden, besezt; dieser Plaz aber, der in dem Abrisse zu sehen, machte verschiedene gegenTab.
XXXII.

einen Mittelort, theils offene theils mit Jalousiematten geschlossene Kammern aus, deren
jede 15 Matten weit und nach dem Range der darinnen sitzenden Personen die eine einer
Matte dik höher als die andere war. Den so eben gedachten Mittelraum, der mit gesirnis-
seten Brettern belegt, von Matten entblößet, und daher der niedrigste war, wies man uns
zum Sitzen an. Hinter der Jalousiematte, nicht weit von uns zur rechten Hand, sas der
Kaiser mit seiner Gemahlin, deren Gesicht ich ein paarmal, während ich auf Kaiserlichen
Befehl etwas tanzte *), als sich die Matte mit einer kleinen Oefnung beugte, erblicken, und
eine bräunliche runde schöne Gestalt mit Europäischen schwarzen Augen, voller Feuer und
Leben, an ihr wahrnehmen, auch nach Verhältnis ihres Kopfs eine große Statur und ein
etwa 36jähriges Alter muthmaßen konte.

Wenn ich von Jalousiematten rede, so verstehe ich darunter von gespaltenen feinen
Rohrstökchen gemachte Hangedecken, die ohngefähr einer Spannelang von einander einen
seidenen Durchschlag haben, und sowol zur Zierde als desto mehrerer Blendung mit Figu-
ren bemalt sind, wie man denn von außen her nichts dahinter sehen kan, fürnemlich wenn da-
selbst kein Licht ist **); weshalb wir auch die Gegenwart des Kaisers nur an seiner Rede erkanten,
die er überdies so leise einrichtete, als wenn er gar nicht entdekt seyn wolte. Auf eine vier Matten
Länge vor uns, ebenfals hinter den Hangedecken, befanden sich die eingeladenen Prinzessinnen +)
von Kaiserlichem Geblüte und die übrigen Hofdamen; zwischen den Fugen und Ritzen dieser
Matten waren Papiere gestekt, die sie zu einer freieren Durchsicht zuweilen öfneten: ich zählte
solcher Papiere über 30 Stük, und vermuthete daher die Zahl eben so vieler anwesenden

Per-
*) [Spaltenumbruch] Die Handschrift des Oheims und die Engl.
Uebers. erwähnen dieses Tanzens des Verfassers,
aber nicht die Handschrift des Neffen.
**) Und doch sahe Kämpfer so vieles an der
hinter diesen Matten verborgnen Kaiserin, und[Spaltenumbruch]
konte sogar ihr Alter muthmaßen. Jch gestehe.
daß mir seine Erzählung hier etwas widersprechend
scheint.
+) Die Engl. Uebers. sezt Prinzen, welches
ohne Zweifel ein Jrthum ist.
N n 2

Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo.
Sitzen noͤthigte. Verſchiedene der geſchornen Hofleute (dieſe ſind naͤmlich die Tempelher-
ren, Aerzte, auch Tafel- und Kuͤchenbediente) kamen alsbald bei uns, und thaten Fragen
nach unſerm Namen, Alter und andern Kleinigkeiten, die vorgezogenen vergoldeten
Schirmwaͤnde aber beſreieten uns kurz darauf von ihnen und dem ganzen vorbeigehenden
Hofſchwarm. Nach einer halben Stunde, waͤhrend dem ſich der Hof in den Kammern,
aus welchen wir ſolten beſchauet werden, eingefunden, brachte man uns durch einige finſtere
Gaͤnge dahin. Dieſe Gaͤnge waren mit einer einfachen Reihe auf den Knien niedergebuͤk-
ter Kaiſerlicher Leibwaͤchter und andern ſich an dieſe in der Ordnung ſchließenden Hof bedien-
ten in ihren Staatsuniformen durchaus bis an den Schauplaz, wo wir nemlich vorgeſtelt
wurden, beſezt; dieſer Plaz aber, der in dem Abriſſe zu ſehen, machte verſchiedene gegenTab.
XXXII.

einen Mittelort, theils offene theils mit Jalouſiematten geſchloſſene Kammern aus, deren
jede 15 Matten weit und nach dem Range der darinnen ſitzenden Perſonen die eine einer
Matte dik hoͤher als die andere war. Den ſo eben gedachten Mittelraum, der mit geſirniſ-
ſeten Brettern belegt, von Matten entbloͤßet, und daher der niedrigſte war, wies man uns
zum Sitzen an. Hinter der Jalouſiematte, nicht weit von uns zur rechten Hand, ſas der
Kaiſer mit ſeiner Gemahlin, deren Geſicht ich ein paarmal, waͤhrend ich auf Kaiſerlichen
Befehl etwas tanzte *), als ſich die Matte mit einer kleinen Oefnung beugte, erblicken, und
eine braͤunliche runde ſchoͤne Geſtalt mit Europaͤiſchen ſchwarzen Augen, voller Feuer und
Leben, an ihr wahrnehmen, auch nach Verhaͤltnis ihres Kopfs eine große Statur und ein
etwa 36jaͤhriges Alter muthmaßen konte.

Wenn ich von Jalouſiematten rede, ſo verſtehe ich darunter von geſpaltenen feinen
Rohrſtoͤkchen gemachte Hangedecken, die ohngefaͤhr einer Spannelang von einander einen
ſeidenen Durchſchlag haben, und ſowol zur Zierde als deſto mehrerer Blendung mit Figu-
ren bemalt ſind, wie man denn von außen her nichts dahinter ſehen kan, fuͤrnemlich wenn da-
ſelbſt kein Licht iſt **); weshalb wir auch die Gegenwart des Kaiſers nur an ſeiner Rede erkanten,
die er uͤberdies ſo leiſe einrichtete, als wenn er gar nicht entdekt ſeyn wolte. Auf eine vier Matten
Laͤnge vor uns, ebenfals hinter den Hangedecken, befanden ſich die eingeladenen Prinzeſſinnen †)
von Kaiſerlichem Gebluͤte und die uͤbrigen Hofdamen; zwiſchen den Fugen und Ritzen dieſer
Matten waren Papiere geſtekt, die ſie zu einer freieren Durchſicht zuweilen oͤfneten: ich zaͤhlte
ſolcher Papiere uͤber 30 Stuͤk, und vermuthete daher die Zahl eben ſo vieler anweſenden

Per-
*) [Spaltenumbruch] Die Handſchrift des Oheims und die Engl.
Ueberſ. erwaͤhnen dieſes Tanzens des Verfaſſers,
aber nicht die Handſchrift des Neffen.
**) Und doch ſahe Kaͤmpfer ſo vieles an der
hinter dieſen Matten verborgnen Kaiſerin, und[Spaltenumbruch]
konte ſogar ihr Alter muthmaßen. Jch geſtehe.
daß mir ſeine Erzaͤhlung hier etwas widerſprechend
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†) Die Engl. Ueberſ. ſezt Prinzen, welches
ohne Zweifel ein Jrthum iſt.
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[283/0321] Zwoͤlftes Kap. Beſchreibung der Stadt und des Schloſſes Jedo. Sitzen noͤthigte. Verſchiedene der geſchornen Hofleute (dieſe ſind naͤmlich die Tempelher- ren, Aerzte, auch Tafel- und Kuͤchenbediente) kamen alsbald bei uns, und thaten Fragen nach unſerm Namen, Alter und andern Kleinigkeiten, die vorgezogenen vergoldeten Schirmwaͤnde aber beſreieten uns kurz darauf von ihnen und dem ganzen vorbeigehenden Hofſchwarm. Nach einer halben Stunde, waͤhrend dem ſich der Hof in den Kammern, aus welchen wir ſolten beſchauet werden, eingefunden, brachte man uns durch einige finſtere Gaͤnge dahin. Dieſe Gaͤnge waren mit einer einfachen Reihe auf den Knien niedergebuͤk- ter Kaiſerlicher Leibwaͤchter und andern ſich an dieſe in der Ordnung ſchließenden Hof bedien- ten in ihren Staatsuniformen durchaus bis an den Schauplaz, wo wir nemlich vorgeſtelt wurden, beſezt; dieſer Plaz aber, der in dem Abriſſe zu ſehen, machte verſchiedene gegen einen Mittelort, theils offene theils mit Jalouſiematten geſchloſſene Kammern aus, deren jede 15 Matten weit und nach dem Range der darinnen ſitzenden Perſonen die eine einer Matte dik hoͤher als die andere war. Den ſo eben gedachten Mittelraum, der mit geſirniſ- ſeten Brettern belegt, von Matten entbloͤßet, und daher der niedrigſte war, wies man uns zum Sitzen an. Hinter der Jalouſiematte, nicht weit von uns zur rechten Hand, ſas der Kaiſer mit ſeiner Gemahlin, deren Geſicht ich ein paarmal, waͤhrend ich auf Kaiſerlichen Befehl etwas tanzte *), als ſich die Matte mit einer kleinen Oefnung beugte, erblicken, und eine braͤunliche runde ſchoͤne Geſtalt mit Europaͤiſchen ſchwarzen Augen, voller Feuer und Leben, an ihr wahrnehmen, auch nach Verhaͤltnis ihres Kopfs eine große Statur und ein etwa 36jaͤhriges Alter muthmaßen konte. Tab. XXXII. Wenn ich von Jalouſiematten rede, ſo verſtehe ich darunter von geſpaltenen feinen Rohrſtoͤkchen gemachte Hangedecken, die ohngefaͤhr einer Spannelang von einander einen ſeidenen Durchſchlag haben, und ſowol zur Zierde als deſto mehrerer Blendung mit Figu- ren bemalt ſind, wie man denn von außen her nichts dahinter ſehen kan, fuͤrnemlich wenn da- ſelbſt kein Licht iſt **); weshalb wir auch die Gegenwart des Kaiſers nur an ſeiner Rede erkanten, die er uͤberdies ſo leiſe einrichtete, als wenn er gar nicht entdekt ſeyn wolte. Auf eine vier Matten Laͤnge vor uns, ebenfals hinter den Hangedecken, befanden ſich die eingeladenen Prinzeſſinnen †) von Kaiſerlichem Gebluͤte und die uͤbrigen Hofdamen; zwiſchen den Fugen und Ritzen dieſer Matten waren Papiere geſtekt, die ſie zu einer freieren Durchſicht zuweilen oͤfneten: ich zaͤhlte ſolcher Papiere uͤber 30 Stuͤk, und vermuthete daher die Zahl eben ſo vieler anweſenden Per- *) Die Handſchrift des Oheims und die Engl. Ueberſ. erwaͤhnen dieſes Tanzens des Verfaſſers, aber nicht die Handſchrift des Neffen. **) Und doch ſahe Kaͤmpfer ſo vieles an der hinter dieſen Matten verborgnen Kaiſerin, und konte ſogar ihr Alter muthmaßen. Jch geſtehe. daß mir ſeine Erzaͤhlung hier etwas widerſprechend ſcheint. †) Die Engl. Ueberſ. ſezt Prinzen, welches ohne Zweifel ein Jrthum iſt. N n 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/321>, abgerufen am 24.11.2024.