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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Funfzehntes Kap. Rükreise von Jedo bis Nagasacki.
dem Gesichte des Steins oder der Kreuze, zu jeder Seite sas ein Pfaffe auf einer schlechten
Decke, und hatte längst dem Wege sieben Bretter stecken; so wie jedes derselben mit dem
Namen, vermuthlich eines gewissen Verstorbenen beschrieben war, so hieng auch über je-
dem ein Fähnlein mit den Worten: Namandabutz: der mit einem gefirnisseten Sonnen-
hute bedekte Pfaffe hatte noch ein anderes Bret oder Tafel, und auf derselben eine umge-
kehrte Glocke, oder vielmehr ein metallenes Gefäs vor sich, das er oft anschlug, und da-
bei Namanda sang: daneben stand noch ein Eimer mit daran bevestigten geschriebenen Zet-
teln, welche das Wasser, womit derselbe angefült war, berührten; auf beiden Seiten
stekten kleine Skimmibüsche, deren der Pfaffe eins an ein Stökchen gebunden, womit er
die beschriebenen Bretterchen unaufhörlich abwusch oder abspülte, und jedesmal die darauf
gezeichnete Namen der abgeschiedenen Seelen mit einem Lobspruch dabei verehrte. Alle
vorübergehende Japaner warfen den Pfaffen Casjes zu, ohne Zweifel, daß sie dagegen für
ihre Seelen bitten solten, anstat daß ein anderer aus ihrer verschmizten Gesichtsbildung
schließen möchte, daß sie für ihre Person selbst einer Vorbitte höchst bedürftig wären.

Von hier gelangten wir zu dem Anfang der Stadt Kio, da, wo wir das vorige
mal den Abschied getrunken, hiernächst zu Jamasjino Kio*), wo man zur Rechten zum
Kurodannatempel und etwas weiter zur Linken nach dem Giwontempel gehet; sodann
zu der großen Brücke Sansjonofas, und endlich eine Stunde nach der Sonnen Untergang
in unsere Herberge zu Miaco.

Den 9 Mai schikte der Grosrichter unserm Capitain fünf schöne Röcke, und jeder
der beiden Gouverneurs fünf Schuyt Silber zum Geschenk. Diese Geschenke sind in fünf
zusammengeschlagenen, und allemal mit einer besondern Ueberschrift nebst einem Glüksrie-
men versehenen Briefen verwahrt, und liegen mitten auf einem gewöhnlichen Geschenkbrette
in einem Papier.

Es wurden uns heute viele Miacosche Fabrikwaaren zum Kauf angeboten, die
aber nur durch die Hausbedienten zu uns gelangten, weil es den Kaufleuten selbst nicht er-
laubt war, zu uns zu kommen; da unsere beiden heimtückischen Dolmetscher die Verfügung
gemacht hatten, daß wir kein Japanisches Götzenbild überhaupt durch den Kauf an uns
bringen konten, so musten wir auch bei einem zweimal ereignenden Falle alle unsere erhan-
delte Waaren wieder herausgeben, als einige kleine Götzenbilder in ihren Behältnissen un-
ten im Hause bei Durchsehung der Sachen durch Unvorsichtigkeit unter dieselbe gerathen,
und mit solchen zu uns herauf gebracht worden waren. Man kan übrigens hier eben nicht
viel wohlfeiler kaufen, als auf Desima, indem stets Leute dabei sind, die den Preis machen,
und uns zu betrügen suchen.

Den
*) Scheuchzer macht hievon zwei verschiedene Oerter, nämlich Jamma und Sijnokio.
Z z 3

Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.
dem Geſichte des Steins oder der Kreuze, zu jeder Seite ſas ein Pfaffe auf einer ſchlechten
Decke, und hatte laͤngſt dem Wege ſieben Bretter ſtecken; ſo wie jedes derſelben mit dem
Namen, vermuthlich eines gewiſſen Verſtorbenen beſchrieben war, ſo hieng auch uͤber je-
dem ein Faͤhnlein mit den Worten: Namandabutz: der mit einem gefirniſſeten Sonnen-
hute bedekte Pfaffe hatte noch ein anderes Bret oder Tafel, und auf derſelben eine umge-
kehrte Glocke, oder vielmehr ein metallenes Gefaͤs vor ſich, das er oft anſchlug, und da-
bei Namanda ſang: daneben ſtand noch ein Eimer mit daran beveſtigten geſchriebenen Zet-
teln, welche das Waſſer, womit derſelbe angefuͤlt war, beruͤhrten; auf beiden Seiten
ſtekten kleine Skimmibuͤſche, deren der Pfaffe eins an ein Stoͤkchen gebunden, womit er
die beſchriebenen Bretterchen unaufhoͤrlich abwuſch oder abſpuͤlte, und jedesmal die darauf
gezeichnete Namen der abgeſchiedenen Seelen mit einem Lobſpruch dabei verehrte. Alle
voruͤbergehende Japaner warfen den Pfaffen Caſjes zu, ohne Zweifel, daß ſie dagegen fuͤr
ihre Seelen bitten ſolten, anſtat daß ein anderer aus ihrer verſchmizten Geſichtsbildung
ſchließen moͤchte, daß ſie fuͤr ihre Perſon ſelbſt einer Vorbitte hoͤchſt beduͤrftig waͤren.

Von hier gelangten wir zu dem Anfang der Stadt Kio, da, wo wir das vorige
mal den Abſchied getrunken, hiernaͤchſt zu Jamaſjino Kio*), wo man zur Rechten zum
Kurodannatempel und etwas weiter zur Linken nach dem Giwontempel gehet; ſodann
zu der großen Bruͤcke Sanſjonofas, und endlich eine Stunde nach der Sonnen Untergang
in unſere Herberge zu Miaco.

Den 9 Mai ſchikte der Grosrichter unſerm Capitain fuͤnf ſchoͤne Roͤcke, und jeder
der beiden Gouverneurs fuͤnf Schuyt Silber zum Geſchenk. Dieſe Geſchenke ſind in fuͤnf
zuſammengeſchlagenen, und allemal mit einer beſondern Ueberſchrift nebſt einem Gluͤksrie-
men verſehenen Briefen verwahrt, und liegen mitten auf einem gewoͤhnlichen Geſchenkbrette
in einem Papier.

Es wurden uns heute viele Miacoſche Fabrikwaaren zum Kauf angeboten, die
aber nur durch die Hausbedienten zu uns gelangten, weil es den Kaufleuten ſelbſt nicht er-
laubt war, zu uns zu kommen; da unſere beiden heimtuͤckiſchen Dolmetſcher die Verfuͤgung
gemacht hatten, daß wir kein Japaniſches Goͤtzenbild uͤberhaupt durch den Kauf an uns
bringen konten, ſo muſten wir auch bei einem zweimal ereignenden Falle alle unſere erhan-
delte Waaren wieder herausgeben, als einige kleine Goͤtzenbilder in ihren Behaͤltniſſen un-
ten im Hauſe bei Durchſehung der Sachen durch Unvorſichtigkeit unter dieſelbe gerathen,
und mit ſolchen zu uns herauf gebracht worden waren. Man kan uͤbrigens hier eben nicht
viel wohlfeiler kaufen, als auf Deſima, indem ſtets Leute dabei ſind, die den Preis machen,
und uns zu betruͤgen ſuchen.

Den
*) Scheuchzer macht hievon zwei verſchiedene Oerter, naͤmlich Jamma und Sijnokio.
Z z 3
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[365/0411] Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. dem Geſichte des Steins oder der Kreuze, zu jeder Seite ſas ein Pfaffe auf einer ſchlechten Decke, und hatte laͤngſt dem Wege ſieben Bretter ſtecken; ſo wie jedes derſelben mit dem Namen, vermuthlich eines gewiſſen Verſtorbenen beſchrieben war, ſo hieng auch uͤber je- dem ein Faͤhnlein mit den Worten: Namandabutz: der mit einem gefirniſſeten Sonnen- hute bedekte Pfaffe hatte noch ein anderes Bret oder Tafel, und auf derſelben eine umge- kehrte Glocke, oder vielmehr ein metallenes Gefaͤs vor ſich, das er oft anſchlug, und da- bei Namanda ſang: daneben ſtand noch ein Eimer mit daran beveſtigten geſchriebenen Zet- teln, welche das Waſſer, womit derſelbe angefuͤlt war, beruͤhrten; auf beiden Seiten ſtekten kleine Skimmibuͤſche, deren der Pfaffe eins an ein Stoͤkchen gebunden, womit er die beſchriebenen Bretterchen unaufhoͤrlich abwuſch oder abſpuͤlte, und jedesmal die darauf gezeichnete Namen der abgeſchiedenen Seelen mit einem Lobſpruch dabei verehrte. Alle voruͤbergehende Japaner warfen den Pfaffen Caſjes zu, ohne Zweifel, daß ſie dagegen fuͤr ihre Seelen bitten ſolten, anſtat daß ein anderer aus ihrer verſchmizten Geſichtsbildung ſchließen moͤchte, daß ſie fuͤr ihre Perſon ſelbſt einer Vorbitte hoͤchſt beduͤrftig waͤren. Von hier gelangten wir zu dem Anfang der Stadt Kio, da, wo wir das vorige mal den Abſchied getrunken, hiernaͤchſt zu Jamaſjino Kio *), wo man zur Rechten zum Kurodannatempel und etwas weiter zur Linken nach dem Giwontempel gehet; ſodann zu der großen Bruͤcke Sanſjonofas, und endlich eine Stunde nach der Sonnen Untergang in unſere Herberge zu Miaco. Den 9 Mai ſchikte der Grosrichter unſerm Capitain fuͤnf ſchoͤne Roͤcke, und jeder der beiden Gouverneurs fuͤnf Schuyt Silber zum Geſchenk. Dieſe Geſchenke ſind in fuͤnf zuſammengeſchlagenen, und allemal mit einer beſondern Ueberſchrift nebſt einem Gluͤksrie- men verſehenen Briefen verwahrt, und liegen mitten auf einem gewoͤhnlichen Geſchenkbrette in einem Papier. Es wurden uns heute viele Miacoſche Fabrikwaaren zum Kauf angeboten, die aber nur durch die Hausbedienten zu uns gelangten, weil es den Kaufleuten ſelbſt nicht er- laubt war, zu uns zu kommen; da unſere beiden heimtuͤckiſchen Dolmetſcher die Verfuͤgung gemacht hatten, daß wir kein Japaniſches Goͤtzenbild uͤberhaupt durch den Kauf an uns bringen konten, ſo muſten wir auch bei einem zweimal ereignenden Falle alle unſere erhan- delte Waaren wieder herausgeben, als einige kleine Goͤtzenbilder in ihren Behaͤltniſſen un- ten im Hauſe bei Durchſehung der Sachen durch Unvorſichtigkeit unter dieſelbe gerathen, und mit ſolchen zu uns herauf gebracht worden waren. Man kan uͤbrigens hier eben nicht viel wohlfeiler kaufen, als auf Deſima, indem ſtets Leute dabei ſind, die den Preis machen, und uns zu betruͤgen ſuchen. Den *) Scheuchzer macht hievon zwei verſchiedene Oerter, naͤmlich Jamma und Sijnokio. Z z 3

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/411>, abgerufen am 22.11.2024.