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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der übrigen Welt.
Dagegen wären die, welchen der höchste Baumeister nur ein Wesen und eine Substanz
gegeben, auch in die Gränzen einer Welt, wie in die Ringmauern einer Stadt eingeschlos-
sen, bestimt in einem ewigen Bunde vereinigt zu leben, den man ohne schändliches Ver-
brechen nicht zerreißen könne. Man siehet auch, daß dieser kleine Erdkörper nach dem
Gefallen der höchsten Weisheit zum gemeinschaftlichen Vaterland aller Menschen ausge-
wählt sey, weil er nicht alle mannichfaltige Güter der Natur, Pflanzen, Metalle, Thiere,
in allen Ländern hervorbringt; sondern zum gemeinen Nutzen und Bedürfnisse sie in alle
vertheilt enthält, damit die Bewohner dieser verschiednen Länder desto genauer mit einander
verbunden seyn möchten, und damit ihnen gegenseitige Hülfe und geselschaftliche Verbindung
zum Bedürfnisse gemacht würde.

Hic segetes, illic veniunt felicius uvae,
India mittit ebur, molles sua Thura Sabaei.

Wie bundbrüchig ist also die Japanische Nation, welche, uneingedenk der Einrich-
tung ihres Schöpfers und des Gesetzes der Natur, sich nicht scheut, diese heilige menschliche
Geselschaft auf die schändlichste Art zu trennen. Wenn die Japaner die Thüren ihres
Reichs vor dem Zugang und Gemeinschaft aller Ausländer verschließen und verriegeln;
wenn sie die Fremden zurükstoßen, und die wenigen Zugelassenen feindlich bewachen; wenn
sie ihre Eingebornen innerhalb ihren Ufern gefangen halten; wenn sie die durch stürmisches
Meer an fremde Küsten Geworfne, als straf bare Flüchtlinge, zu ewigem Gefängnis verdam-
men; die aber, welche wirklich des ewigen vaterländischen Himmels überdrüssig, oder be-
gierig, einmal zu sehn, was jenseit des Meers ist, zu entfliehen suchen, ans Kreuz schla-
gen; Fremdlinge, die durch Sturm und Wetter an ihre Küste geworfen worden, zu Ge-
fangnen machen: wenn, sagt man, die Japaner so handeln, verletzen sie denn nicht auf
eine strafbare Art das heilige Gesez der göttlichen Ordnung und der Natur?

Solte jemand etwa mit diesen Gründen meinen Saz zu bestreiten suchen, wie ich
höre, daß es von einigen der neuesten Weltweisen geschieht, so werde ich ihn zwar in seinem
Raisonnement nicht unterbrechen. Jndes ließe sich doch allenfals einwerfen: Es habe
nun doch einmal der göttlichen Weisheit so gefallen, daß die Nationen, welche diese Erde
bewohnen, durch Sprachen, Sitten und Fähigkeiten von einander getrent und geschieden
seyn; auch sey diese Erde ganz sichtbar nicht zur Wohnung eines, sondern mehrerer Völ-
ker eingerichtet; ihre verschiednen Theile durch Flüsse, Meere und Berge, und noch mehr
durch ganz verschiedne Climata, als wahre Naturgränzen, von einander geschieden, und
also dadurch recht dazu gebildet, Bürger von ganz verschiednen Fähigkeiten zu beherbergen.
Und hat nicht Gott selbst, als die Menschen nach der Sündfluth sich in eine Geselschaft

ver-
D d d 2

II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt.
Dagegen waͤren die, welchen der hoͤchſte Baumeiſter nur ein Weſen und eine Subſtanz
gegeben, auch in die Graͤnzen einer Welt, wie in die Ringmauern einer Stadt eingeſchloſ-
ſen, beſtimt in einem ewigen Bunde vereinigt zu leben, den man ohne ſchaͤndliches Ver-
brechen nicht zerreißen koͤnne. Man ſiehet auch, daß dieſer kleine Erdkoͤrper nach dem
Gefallen der hoͤchſten Weisheit zum gemeinſchaftlichen Vaterland aller Menſchen ausge-
waͤhlt ſey, weil er nicht alle mannichfaltige Guͤter der Natur, Pflanzen, Metalle, Thiere,
in allen Laͤndern hervorbringt; ſondern zum gemeinen Nutzen und Beduͤrfniſſe ſie in alle
vertheilt enthaͤlt, damit die Bewohner dieſer verſchiednen Laͤnder deſto genauer mit einander
verbunden ſeyn moͤchten, und damit ihnen gegenſeitige Huͤlfe und geſelſchaftliche Verbindung
zum Beduͤrfniſſe gemacht wuͤrde.

Hic ſegetes, illic veniunt felicius uvae,
India mittit ebur, molles ſua Thura Sabaei.

Wie bundbruͤchig iſt alſo die Japaniſche Nation, welche, uneingedenk der Einrich-
tung ihres Schoͤpfers und des Geſetzes der Natur, ſich nicht ſcheut, dieſe heilige menſchliche
Geſelſchaft auf die ſchaͤndlichſte Art zu trennen. Wenn die Japaner die Thuͤren ihres
Reichs vor dem Zugang und Gemeinſchaft aller Auslaͤnder verſchließen und verriegeln;
wenn ſie die Fremden zuruͤkſtoßen, und die wenigen Zugelaſſenen feindlich bewachen; wenn
ſie ihre Eingebornen innerhalb ihren Ufern gefangen halten; wenn ſie die durch ſtuͤrmiſches
Meer an fremde Kuͤſten Geworfne, als ſtraf bare Fluͤchtlinge, zu ewigem Gefaͤngnis verdam-
men; die aber, welche wirklich des ewigen vaterlaͤndiſchen Himmels uͤberdruͤſſig, oder be-
gierig, einmal zu ſehn, was jenſeit des Meers iſt, zu entfliehen ſuchen, ans Kreuz ſchla-
gen; Fremdlinge, die durch Sturm und Wetter an ihre Kuͤſte geworfen worden, zu Ge-
fangnen machen: wenn, ſagt man, die Japaner ſo handeln, verletzen ſie denn nicht auf
eine ſtrafbare Art das heilige Geſez der goͤttlichen Ordnung und der Natur?

Solte jemand etwa mit dieſen Gruͤnden meinen Saz zu beſtreiten ſuchen, wie ich
hoͤre, daß es von einigen der neueſten Weltweiſen geſchieht, ſo werde ich ihn zwar in ſeinem
Raiſonnement nicht unterbrechen. Jndes ließe ſich doch allenfals einwerfen: Es habe
nun doch einmal der goͤttlichen Weisheit ſo gefallen, daß die Nationen, welche dieſe Erde
bewohnen, durch Sprachen, Sitten und Faͤhigkeiten von einander getrent und geſchieden
ſeyn; auch ſey dieſe Erde ganz ſichtbar nicht zur Wohnung eines, ſondern mehrerer Voͤl-
ker eingerichtet; ihre verſchiednen Theile durch Fluͤſſe, Meere und Berge, und noch mehr
durch ganz verſchiedne Climata, als wahre Naturgraͤnzen, von einander geſchieden, und
alſo dadurch recht dazu gebildet, Buͤrger von ganz verſchiednen Faͤhigkeiten zu beherbergen.
Und hat nicht Gott ſelbſt, als die Menſchen nach der Suͤndfluth ſich in eine Geſelſchaft

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[395/0451] II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. Dagegen waͤren die, welchen der hoͤchſte Baumeiſter nur ein Weſen und eine Subſtanz gegeben, auch in die Graͤnzen einer Welt, wie in die Ringmauern einer Stadt eingeſchloſ- ſen, beſtimt in einem ewigen Bunde vereinigt zu leben, den man ohne ſchaͤndliches Ver- brechen nicht zerreißen koͤnne. Man ſiehet auch, daß dieſer kleine Erdkoͤrper nach dem Gefallen der hoͤchſten Weisheit zum gemeinſchaftlichen Vaterland aller Menſchen ausge- waͤhlt ſey, weil er nicht alle mannichfaltige Guͤter der Natur, Pflanzen, Metalle, Thiere, in allen Laͤndern hervorbringt; ſondern zum gemeinen Nutzen und Beduͤrfniſſe ſie in alle vertheilt enthaͤlt, damit die Bewohner dieſer verſchiednen Laͤnder deſto genauer mit einander verbunden ſeyn moͤchten, und damit ihnen gegenſeitige Huͤlfe und geſelſchaftliche Verbindung zum Beduͤrfniſſe gemacht wuͤrde. Hic ſegetes, illic veniunt felicius uvae, India mittit ebur, molles ſua Thura Sabaei. Wie bundbruͤchig iſt alſo die Japaniſche Nation, welche, uneingedenk der Einrich- tung ihres Schoͤpfers und des Geſetzes der Natur, ſich nicht ſcheut, dieſe heilige menſchliche Geſelſchaft auf die ſchaͤndlichſte Art zu trennen. Wenn die Japaner die Thuͤren ihres Reichs vor dem Zugang und Gemeinſchaft aller Auslaͤnder verſchließen und verriegeln; wenn ſie die Fremden zuruͤkſtoßen, und die wenigen Zugelaſſenen feindlich bewachen; wenn ſie ihre Eingebornen innerhalb ihren Ufern gefangen halten; wenn ſie die durch ſtuͤrmiſches Meer an fremde Kuͤſten Geworfne, als ſtraf bare Fluͤchtlinge, zu ewigem Gefaͤngnis verdam- men; die aber, welche wirklich des ewigen vaterlaͤndiſchen Himmels uͤberdruͤſſig, oder be- gierig, einmal zu ſehn, was jenſeit des Meers iſt, zu entfliehen ſuchen, ans Kreuz ſchla- gen; Fremdlinge, die durch Sturm und Wetter an ihre Kuͤſte geworfen worden, zu Ge- fangnen machen: wenn, ſagt man, die Japaner ſo handeln, verletzen ſie denn nicht auf eine ſtrafbare Art das heilige Geſez der goͤttlichen Ordnung und der Natur? Solte jemand etwa mit dieſen Gruͤnden meinen Saz zu beſtreiten ſuchen, wie ich hoͤre, daß es von einigen der neueſten Weltweiſen geſchieht, ſo werde ich ihn zwar in ſeinem Raiſonnement nicht unterbrechen. Jndes ließe ſich doch allenfals einwerfen: Es habe nun doch einmal der goͤttlichen Weisheit ſo gefallen, daß die Nationen, welche dieſe Erde bewohnen, durch Sprachen, Sitten und Faͤhigkeiten von einander getrent und geſchieden ſeyn; auch ſey dieſe Erde ganz ſichtbar nicht zur Wohnung eines, ſondern mehrerer Voͤl- ker eingerichtet; ihre verſchiednen Theile durch Fluͤſſe, Meere und Berge, und noch mehr durch ganz verſchiedne Climata, als wahre Naturgraͤnzen, von einander geſchieden, und alſo dadurch recht dazu gebildet, Buͤrger von ganz verſchiednen Faͤhigkeiten zu beherbergen. Und hat nicht Gott ſelbſt, als die Menſchen nach der Suͤndfluth ſich in eine Geſelſchaft ver- D d d 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/451>, abgerufen am 22.11.2024.