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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der übrigen Welt.
verbinden wolten, sie durch die Verschiedenheit der Sprachen von einander geschieden?
offenbar in der Absicht, daß die völlige Gemeinschaft Aller aufgehoben, und die einzelnen
Länder von so vielen einzelnen Völkern solten bewohnt werden? Alle also, die nach und
nach in eine geselschaftliche Verbindung und zu einer Sprache vereinigt sind, beneiden und
hassen natürlich ihre Nachbarn von ganz verschiedner Sprache. Wenn ja Monarchen weit-
läuftige Reiche stiften wolten, und es wagten, über die ewigen Gränzen der Natur sich
wegzusetzen, so haben sie fast immer den einen Theil ihres Reichs durch Aufstand verloren,
wenn sie sich bemühten, in einem andern ihre Macht fest zu gründen. Große Staatskör-
per werden so wenig durch die vereinigte Kraft vieler Völker erhalten, daß sie vielmehr bald
durch ihre eigne Last in viele kleine Staaten zersplittert werden, und denn mit beständiger
Abneigung und Has gegen einander streben. Hätte die Natur alle Länder so mit allen Ge-
genständen der Bedürfnisse versorgt, daß alle Begierden in den Herzen der Menschen be-
friedigt, jedes Volk innerhalb seiner Gränzen zufrieden wäre; so würden nie Häuser und
Städte zerstört, nie Menschen geschlachtet, nie Länder verwüstet, heilige und weltliche
Wohnungen niedergerissen, so würde nie so unsägliches Unglük erduldet seyn. Vielmehr
würden dann die Völker durch fremde Beschäftigungen weniger zerstreuet, ihre öffentlichen
Angelegenheiten so wie die Privatgeschäfte besser besorgen, die wüsten und verlassenen Ge-
genden ihres Vaterlandes anbauen, in Wissenschaften, mechanischen Künsten und Tugen-
den mit mehr Nacheiferung und Fleis sich ausbilden; Strafen und Belohnungen billiger
vertheilen; der Kinderzucht und aller häuslichen Geschäfte fleißiger abwarten, und, da-
mit ich mit einem Worte alles sage, sich nach dem Beispiel der Japaner zu dem hohen
Gipfel der glükseligsten Verfassung erheben. Jch sage nach dem Beispiel der Japaner,
die ganz in ihre kleine Welt eingeschlossen, der allerheitersten Mäßigung und Seligkeit ge-
nießen, die ganz ruhig die Gemeinschaft mit den benachbarten Nationen, ja mit der gan-
zen übrigen Erde entbehren. Niemand wird leugnen, daß die Gemeinschaft zwischen ver-
schiednen Ländern nur zu Erhaltung aller Dinge errichtet sey, die entweder für die Noth-
durft des Lebens oder für die Bequemlichkeit und den Luxus Bedürfnisse sind. Ein Volk
holt von dem andern Gesetze zu Einrichtung seines Staats, Religion zur Beruhigung des
Gewissens, Wissenschaften zur Ausbildung des Geistes; mechanische Künste zur Noth-
durft oder zum Glanz des Lebens; Produkte zum Unterhalt oder zur Kleidung, Arzneien
zu Erhaltung der Gesundheit. Wenn dies der Grund aller Verbindung unter den Men-
schen ist, so folgt, daß derjenige Staat, dem die gütige Natur alle Arten von Bedürfnis-
sen |reichlich geschenkt hat, und der durch seiner Bewohner lange und fleißige Arbeit aufs vol-
kommenste ausgebildet ist, nicht nur wohl thue, sondern auch verbunden sey, seine Bürger
und| seine Gränzen vor den Lastern, der Gierigkeit, dem Betruge und den Waffen der
Fremden zu sichern, von denen er nichts bedarf; wenn nur die Lage und übrige Beschaf-

fenheit

II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt.
verbinden wolten, ſie durch die Verſchiedenheit der Sprachen von einander geſchieden?
offenbar in der Abſicht, daß die voͤllige Gemeinſchaft Aller aufgehoben, und die einzelnen
Laͤnder von ſo vielen einzelnen Voͤlkern ſolten bewohnt werden? Alle alſo, die nach und
nach in eine geſelſchaftliche Verbindung und zu einer Sprache vereinigt ſind, beneiden und
haſſen natuͤrlich ihre Nachbarn von ganz verſchiedner Sprache. Wenn ja Monarchen weit-
laͤuftige Reiche ſtiften wolten, und es wagten, uͤber die ewigen Graͤnzen der Natur ſich
wegzuſetzen, ſo haben ſie faſt immer den einen Theil ihres Reichs durch Aufſtand verloren,
wenn ſie ſich bemuͤhten, in einem andern ihre Macht feſt zu gruͤnden. Große Staatskoͤr-
per werden ſo wenig durch die vereinigte Kraft vieler Voͤlker erhalten, daß ſie vielmehr bald
durch ihre eigne Laſt in viele kleine Staaten zerſplittert werden, und denn mit beſtaͤndiger
Abneigung und Has gegen einander ſtreben. Haͤtte die Natur alle Laͤnder ſo mit allen Ge-
genſtaͤnden der Beduͤrfniſſe verſorgt, daß alle Begierden in den Herzen der Menſchen be-
friedigt, jedes Volk innerhalb ſeiner Graͤnzen zufrieden waͤre; ſo wuͤrden nie Haͤuſer und
Staͤdte zerſtoͤrt, nie Menſchen geſchlachtet, nie Laͤnder verwuͤſtet, heilige und weltliche
Wohnungen niedergeriſſen, ſo wuͤrde nie ſo unſaͤgliches Ungluͤk erduldet ſeyn. Vielmehr
wuͤrden dann die Voͤlker durch fremde Beſchaͤftigungen weniger zerſtreuet, ihre oͤffentlichen
Angelegenheiten ſo wie die Privatgeſchaͤfte beſſer beſorgen, die wuͤſten und verlaſſenen Ge-
genden ihres Vaterlandes anbauen, in Wiſſenſchaften, mechaniſchen Kuͤnſten und Tugen-
den mit mehr Nacheiferung und Fleis ſich ausbilden; Strafen und Belohnungen billiger
vertheilen; der Kinderzucht und aller haͤuslichen Geſchaͤfte fleißiger abwarten, und, da-
mit ich mit einem Worte alles ſage, ſich nach dem Beiſpiel der Japaner zu dem hohen
Gipfel der gluͤkſeligſten Verfaſſung erheben. Jch ſage nach dem Beiſpiel der Japaner,
die ganz in ihre kleine Welt eingeſchloſſen, der allerheiterſten Maͤßigung und Seligkeit ge-
nießen, die ganz ruhig die Gemeinſchaft mit den benachbarten Nationen, ja mit der gan-
zen uͤbrigen Erde entbehren. Niemand wird leugnen, daß die Gemeinſchaft zwiſchen ver-
ſchiednen Laͤndern nur zu Erhaltung aller Dinge errichtet ſey, die entweder fuͤr die Noth-
durft des Lebens oder fuͤr die Bequemlichkeit und den Luxus Beduͤrfniſſe ſind. Ein Volk
holt von dem andern Geſetze zu Einrichtung ſeines Staats, Religion zur Beruhigung des
Gewiſſens, Wiſſenſchaften zur Ausbildung des Geiſtes; mechaniſche Kuͤnſte zur Noth-
durft oder zum Glanz des Lebens; Produkte zum Unterhalt oder zur Kleidung, Arzneien
zu Erhaltung der Geſundheit. Wenn dies der Grund aller Verbindung unter den Men-
ſchen iſt, ſo folgt, daß derjenige Staat, dem die guͤtige Natur alle Arten von Beduͤrfniſ-
ſen |reichlich geſchenkt hat, und der durch ſeiner Bewohner lange und fleißige Arbeit aufs vol-
kommenſte ausgebildet iſt, nicht nur wohl thue, ſondern auch verbunden ſey, ſeine Buͤrger
und| ſeine Graͤnzen vor den Laſtern, der Gierigkeit, dem Betruge und den Waffen der
Fremden zu ſichern, von denen er nichts bedarf; wenn nur die Lage und uͤbrige Beſchaf-

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[396/0452] II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. verbinden wolten, ſie durch die Verſchiedenheit der Sprachen von einander geſchieden? offenbar in der Abſicht, daß die voͤllige Gemeinſchaft Aller aufgehoben, und die einzelnen Laͤnder von ſo vielen einzelnen Voͤlkern ſolten bewohnt werden? Alle alſo, die nach und nach in eine geſelſchaftliche Verbindung und zu einer Sprache vereinigt ſind, beneiden und haſſen natuͤrlich ihre Nachbarn von ganz verſchiedner Sprache. Wenn ja Monarchen weit- laͤuftige Reiche ſtiften wolten, und es wagten, uͤber die ewigen Graͤnzen der Natur ſich wegzuſetzen, ſo haben ſie faſt immer den einen Theil ihres Reichs durch Aufſtand verloren, wenn ſie ſich bemuͤhten, in einem andern ihre Macht feſt zu gruͤnden. Große Staatskoͤr- per werden ſo wenig durch die vereinigte Kraft vieler Voͤlker erhalten, daß ſie vielmehr bald durch ihre eigne Laſt in viele kleine Staaten zerſplittert werden, und denn mit beſtaͤndiger Abneigung und Has gegen einander ſtreben. Haͤtte die Natur alle Laͤnder ſo mit allen Ge- genſtaͤnden der Beduͤrfniſſe verſorgt, daß alle Begierden in den Herzen der Menſchen be- friedigt, jedes Volk innerhalb ſeiner Graͤnzen zufrieden waͤre; ſo wuͤrden nie Haͤuſer und Staͤdte zerſtoͤrt, nie Menſchen geſchlachtet, nie Laͤnder verwuͤſtet, heilige und weltliche Wohnungen niedergeriſſen, ſo wuͤrde nie ſo unſaͤgliches Ungluͤk erduldet ſeyn. Vielmehr wuͤrden dann die Voͤlker durch fremde Beſchaͤftigungen weniger zerſtreuet, ihre oͤffentlichen Angelegenheiten ſo wie die Privatgeſchaͤfte beſſer beſorgen, die wuͤſten und verlaſſenen Ge- genden ihres Vaterlandes anbauen, in Wiſſenſchaften, mechaniſchen Kuͤnſten und Tugen- den mit mehr Nacheiferung und Fleis ſich ausbilden; Strafen und Belohnungen billiger vertheilen; der Kinderzucht und aller haͤuslichen Geſchaͤfte fleißiger abwarten, und, da- mit ich mit einem Worte alles ſage, ſich nach dem Beiſpiel der Japaner zu dem hohen Gipfel der gluͤkſeligſten Verfaſſung erheben. Jch ſage nach dem Beiſpiel der Japaner, die ganz in ihre kleine Welt eingeſchloſſen, der allerheiterſten Maͤßigung und Seligkeit ge- nießen, die ganz ruhig die Gemeinſchaft mit den benachbarten Nationen, ja mit der gan- zen uͤbrigen Erde entbehren. Niemand wird leugnen, daß die Gemeinſchaft zwiſchen ver- ſchiednen Laͤndern nur zu Erhaltung aller Dinge errichtet ſey, die entweder fuͤr die Noth- durft des Lebens oder fuͤr die Bequemlichkeit und den Luxus Beduͤrfniſſe ſind. Ein Volk holt von dem andern Geſetze zu Einrichtung ſeines Staats, Religion zur Beruhigung des Gewiſſens, Wiſſenſchaften zur Ausbildung des Geiſtes; mechaniſche Kuͤnſte zur Noth- durft oder zum Glanz des Lebens; Produkte zum Unterhalt oder zur Kleidung, Arzneien zu Erhaltung der Geſundheit. Wenn dies der Grund aller Verbindung unter den Men- ſchen iſt, ſo folgt, daß derjenige Staat, dem die guͤtige Natur alle Arten von Beduͤrfniſ- ſen |reichlich geſchenkt hat, und der durch ſeiner Bewohner lange und fleißige Arbeit aufs vol- kommenſte ausgebildet iſt, nicht nur wohl thue, ſondern auch verbunden ſey, ſeine Buͤrger und| ſeine Graͤnzen vor den Laſtern, der Gierigkeit, dem Betruge und den Waffen der Fremden zu ſichern, von denen er nichts bedarf; wenn nur die Lage und uͤbrige Beſchaf- fenheit

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/452>, abgerufen am 22.11.2024.