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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

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hatte, schnell an den Mund zu führen, "wir werden nur gestraft, weil du uns angezeigt hast. Sonst wäre uns nichts geschehn, selbst wenn man erfahren hätte, was wir getan haben. Kann man das Gerechtigkeit nennen? Wir zwei, insbesondere aber ich, hatten uns als Wächter durch lange Zeit sehr bewährt - du selbst mußt eingestehn, daß wir, vom Gesichtspunkt der Behörde gesehn, gut gewacht haben - wir hatten Aussicht, vorwärts zu kommen und wären gewiß bald auch Prügler geworden, wie dieser, der eben das Glück hatte, von niemandem angezeigt worden zu sein, denn eine solche Anzeige kommt wirklich nur sehr selten vor. Und jetzt, Herr, ist alles verloren, unsere Laufbahn beendet, wir werden noch viel untergeordnetere Arbeiten leisten müssen, als der Wachdienst ist, und überdies bekommen wir jetzt diese schrecklich schmerzhaften Prügel." "Kann denn die Rute solche Schmerzen machen," fragte K. und prüfte die Rute, die der Prügler vor ihm schwang. "Wir werden uns ja ganz nackt ausziehn müssen," sagte Willem. "Ach so," sagte K. und sah den Prügler genau an, er war braun gebrannt wie ein Matrose und

hatte, schnell an den Mund zu führen, „wir werden nur gestraft, weil du uns angezeigt hast. Sonst wäre uns nichts geschehn, selbst wenn man erfahren hätte, was wir getan haben. Kann man das Gerechtigkeit nennen? Wir zwei, insbesondere aber ich, hatten uns als Wächter durch lange Zeit sehr bewährt – du selbst mußt eingestehn, daß wir, vom Gesichtspunkt der Behörde gesehn, gut gewacht haben – wir hatten Aussicht, vorwärts zu kommen und wären gewiß bald auch Prügler geworden, wie dieser, der eben das Glück hatte, von niemandem angezeigt worden zu sein, denn eine solche Anzeige kommt wirklich nur sehr selten vor. Und jetzt, Herr, ist alles verloren, unsere Laufbahn beendet, wir werden noch viel untergeordnetere Arbeiten leisten müssen, als der Wachdienst ist, und überdies bekommen wir jetzt diese schrecklich schmerzhaften Prügel.“ „Kann denn die Rute solche Schmerzen machen,“ fragte K. und prüfte die Rute, die der Prügler vor ihm schwang. „Wir werden uns ja ganz nackt ausziehn müssen,“ sagte Willem. „Ach so,“ sagte K. und sah den Prügler genau an, er war braun gebrannt wie ein Matrose und

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[146/0148] hatte, schnell an den Mund zu führen, „wir werden nur gestraft, weil du uns angezeigt hast. Sonst wäre uns nichts geschehn, selbst wenn man erfahren hätte, was wir getan haben. Kann man das Gerechtigkeit nennen? Wir zwei, insbesondere aber ich, hatten uns als Wächter durch lange Zeit sehr bewährt – du selbst mußt eingestehn, daß wir, vom Gesichtspunkt der Behörde gesehn, gut gewacht haben – wir hatten Aussicht, vorwärts zu kommen und wären gewiß bald auch Prügler geworden, wie dieser, der eben das Glück hatte, von niemandem angezeigt worden zu sein, denn eine solche Anzeige kommt wirklich nur sehr selten vor. Und jetzt, Herr, ist alles verloren, unsere Laufbahn beendet, wir werden noch viel untergeordnetere Arbeiten leisten müssen, als der Wachdienst ist, und überdies bekommen wir jetzt diese schrecklich schmerzhaften Prügel.“ „Kann denn die Rute solche Schmerzen machen,“ fragte K. und prüfte die Rute, die der Prügler vor ihm schwang. „Wir werden uns ja ganz nackt ausziehn müssen,“ sagte Willem. „Ach so,“ sagte K. und sah den Prügler genau an, er war braun gebrannt wie ein Matrose und

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Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/148>, abgerufen am 22.11.2024.