ben mit den Schranken endlicher Wesen, alles Wohl- verhalten des Menschen der Zucht einer ihnen vor Au- gen gelegten Pflicht, die sie nicht unter moralischen ge- träumten Vollkommenheiten schwärmen läßt, unter- worfen und dem Eigendünkel sowol als der Eigenliebe, die beide gerne ihre Grenzen verkennen, Schranken der Demuth (d. i. der Selbsterkenntniß) gesetzt habe.
Pflicht! du erhabener großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bey sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, doch auch nichts drohest, was natürliche Abneigung im Gemüthe erregte und schreckte, um den Willen zu bewegen, son- dern blos ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im Gemüthe Eingang findet, und doch sich selbst wider Willen Verehrung (wenn gleich nicht immer Befolgung) erwirbt, vor dem alle Neigungen verstummen, wenn sie gleich in Geheim ihm entgegen wirken, welches ist der deiner würdige Ursprung, und wo findet man die Wur- zel deiner edlen Abkunft, welche alle Verwandtschaft mit Neigungen stolz ausschlägt, und von welcher Wurzel abzustammen, die unnachlaßliche Bedingung desjenigen Werths ist, den sich Menschen allein selbst geben können?
Es kann nichts Minderes seyn, als was den Menschen über sich selbst (als einen Theil der Sinnen- welt) erhebt, was ihn an eine Ordnung der Dinge knüpft, die nur der Verstand denken kann, und die zu-
gleich
I. Th. I. B. III. Hauptſt. Von den Triebfedern
ben mit den Schranken endlicher Weſen, alles Wohl- verhalten des Menſchen der Zucht einer ihnen vor Au- gen gelegten Pflicht, die ſie nicht unter moraliſchen ge- traͤumten Vollkommenheiten ſchwaͤrmen laͤßt, unter- worfen und dem Eigenduͤnkel ſowol als der Eigenliebe, die beide gerne ihre Grenzen verkennen, Schranken der Demuth (d. i. der Selbſterkenntniß) geſetzt habe.
Pflicht! du erhabener großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einſchmeichelung bey ſich fuͤhrt, in dir faſſeſt, ſondern Unterwerfung verlangſt, doch auch nichts droheſt, was natuͤrliche Abneigung im Gemuͤthe erregte und ſchreckte, um den Willen zu bewegen, ſon- dern blos ein Geſetz aufſtellſt, welches von ſelbſt im Gemuͤthe Eingang findet, und doch ſich ſelbſt wider Willen Verehrung (wenn gleich nicht immer Befolgung) erwirbt, vor dem alle Neigungen verſtummen, wenn ſie gleich in Geheim ihm entgegen wirken, welches iſt der deiner wuͤrdige Urſprung, und wo findet man die Wur- zel deiner edlen Abkunft, welche alle Verwandtſchaft mit Neigungen ſtolz ausſchlaͤgt, und von welcher Wurzel abzuſtammen, die unnachlaßliche Bedingung desjenigen Werths iſt, den ſich Menſchen allein ſelbſt geben koͤnnen?
Es kann nichts Minderes ſeyn, als was den Menſchen uͤber ſich ſelbſt (als einen Theil der Sinnen- welt) erhebt, was ihn an eine Ordnung der Dinge knuͤpft, die nur der Verſtand denken kann, und die zu-
gleich
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I. Th. I. B. III. Hauptſt. Von den Triebfedern
ben mit den Schranken endlicher Weſen, alles Wohl-
verhalten des Menſchen der Zucht einer ihnen vor Au-
gen gelegten Pflicht, die ſie nicht unter moraliſchen ge-
traͤumten Vollkommenheiten ſchwaͤrmen laͤßt, unter-
worfen und dem Eigenduͤnkel ſowol als der Eigenliebe, die
beide gerne ihre Grenzen verkennen, Schranken der
Demuth (d. i. der Selbſterkenntniß) geſetzt habe.
Pflicht! du erhabener großer Name, der du nichts
Beliebtes, was Einſchmeichelung bey ſich fuͤhrt, in dir
faſſeſt, ſondern Unterwerfung verlangſt, doch auch
nichts droheſt, was natuͤrliche Abneigung im Gemuͤthe
erregte und ſchreckte, um den Willen zu bewegen, ſon-
dern blos ein Geſetz aufſtellſt, welches von ſelbſt im
Gemuͤthe Eingang findet, und doch ſich ſelbſt wider
Willen Verehrung (wenn gleich nicht immer Befolgung)
erwirbt, vor dem alle Neigungen verſtummen, wenn ſie
gleich in Geheim ihm entgegen wirken, welches iſt der
deiner wuͤrdige Urſprung, und wo findet man die Wur-
zel deiner edlen Abkunft, welche alle Verwandtſchaft
mit Neigungen ſtolz ausſchlaͤgt, und von welcher Wurzel
abzuſtammen, die unnachlaßliche Bedingung desjenigen
Werths iſt, den ſich Menſchen allein ſelbſt geben koͤnnen?
Es kann nichts Minderes ſeyn, als was den
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/162>, abgerufen am 16.02.2025.
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