te, wodurch alles wiederum in den veralteten wurm- stichigen Dogmatism und daraus in die Geringschä- tzung verfiel, daraus man die Wissenschaft hatte zie- hen wollen. Jezt, nachdem alle Wege (wie man sich überredet) vergeblich versucht sind, herrscht Ueber- druß und gänzlicher Indifferentism, die Mutter des Chaos und der Nacht, in Wissenschaften, aber doch zugleich der Ursprung, wenigstens das Vorspiel einer nahen Umschaffung und Aufklärung derselben, wenn sie durch übel angebrachten Fleiß dunkel, verwirrt und unbrauchbar geworden.
Es ist n[em]lich umsonst, Gleichgültigkeit in Ansehung solcher Nachforschungen erkünsteln zu wollen, deren Gegenstand der menschlichen Natur nicht gleich- gültig seyn kan. Auch fallen iene vorgebliche In- differentisten, so sehr sie sich auch durch die Verän- derung der Schulsprache in einem populären Ton un- kentlich zu machen gedenken, wofern sie nur überall etwas denken, in metaphysische Behauptungen unver- meidlich zurück, gegen die sie doch so viel Verachtung vorgaben. Indessen ist diese Gleichgültigkeit, die sich mitten in dem Flor aller Wissenschaften eräugnet und gerade dieienige trift, auf deren Kentnisse, wenn der- gleichen zu haben wären, man unter allen am wenig-
sten
Vorrede.
te, wodurch alles wiederum in den veralteten wurm- ſtichigen Dogmatism und daraus in die Geringſchaͤ- tzung verfiel, daraus man die Wiſſenſchaft hatte zie- hen wollen. Jezt, nachdem alle Wege (wie man ſich uͤberredet) vergeblich verſucht ſind, herrſcht Ueber- druß und gaͤnzlicher Indifferentism, die Mutter des Chaos und der Nacht, in Wiſſenſchaften, aber doch zugleich der Urſprung, wenigſtens das Vorſpiel einer nahen Umſchaffung und Aufklaͤrung derſelben, wenn ſie durch uͤbel angebrachten Fleiß dunkel, verwirrt und unbrauchbar geworden.
Es iſt n[em]lich umſonſt, Gleichguͤltigkeit in Anſehung ſolcher Nachforſchungen erkuͤnſteln zu wollen, deren Gegenſtand der menſchlichen Natur nicht gleich- guͤltig ſeyn kan. Auch fallen iene vorgebliche In- differentiſten, ſo ſehr ſie ſich auch durch die Veraͤn- derung der Schulſprache in einem populaͤren Ton un- kentlich zu machen gedenken, wofern ſie nur uͤberall etwas denken, in metaphyſiſche Behauptungen unver- meidlich zuruͤck, gegen die ſie doch ſo viel Verachtung vorgaben. Indeſſen iſt dieſe Gleichguͤltigkeit, die ſich mitten in dem Flor aller Wiſſenſchaften eraͤugnet und gerade dieienige trift, auf deren Kentniſſe, wenn der- gleichen zu haben waͤren, man unter allen am wenig-
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[0016]
Vorrede.
te, wodurch alles wiederum in den veralteten wurm-
ſtichigen Dogmatism und daraus in die Geringſchaͤ-
tzung verfiel, daraus man die Wiſſenſchaft hatte zie-
hen wollen. Jezt, nachdem alle Wege (wie man ſich
uͤberredet) vergeblich verſucht ſind, herrſcht Ueber-
druß und gaͤnzlicher Indifferentism, die Mutter des
Chaos und der Nacht, in Wiſſenſchaften, aber doch
zugleich der Urſprung, wenigſtens das Vorſpiel einer
nahen Umſchaffung und Aufklaͤrung derſelben, wenn
ſie durch uͤbel angebrachten Fleiß dunkel, verwirrt und
unbrauchbar geworden.
Es iſt nemlich umſonſt, Gleichguͤltigkeit in
Anſehung ſolcher Nachforſchungen erkuͤnſteln zu wollen,
deren Gegenſtand der menſchlichen Natur nicht gleich-
guͤltig ſeyn kan. Auch fallen iene vorgebliche In-
differentiſten, ſo ſehr ſie ſich auch durch die Veraͤn-
derung der Schulſprache in einem populaͤren Ton un-
kentlich zu machen gedenken, wofern ſie nur uͤberall
etwas denken, in metaphyſiſche Behauptungen unver-
meidlich zuruͤck, gegen die ſie doch ſo viel Verachtung
vorgaben. Indeſſen iſt dieſe Gleichguͤltigkeit, die ſich
mitten in dem Flor aller Wiſſenſchaften eraͤugnet und
gerade dieienige trift, auf deren Kentniſſe, wenn der-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/16>, abgerufen am 21.11.2024.
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