Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Hauptst. Von d. Schemat. d. r. Verst. Begr.
Der
Transscendentalen Doctrin
der Urtheilskraft

(oder Analytik der Grundsätze)
Erstes Hauptstück.
Von dem
Schematismus der reinen Verstandesbegriffe.

In allen Subsumtionen eines Gegenstandes unter einen
Begriff muß die Vorstellung des ersteren mit der lez-
tern gleichartig seyn, d. i. der Begriff muß dasienige ent-
halten, was in dem darunter zu subsumirenden Gegenstande
vorgestellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck:
ein Gegenstand sey unter einem Begriffe enthalten. So
hat der empirische Begriff eines Tellers mit dem reinen
geometrischen eines Cirkels Gleichartigkeit, indem die Run-
dung, die in dem ersteren gedacht wird, sich im lezteren
anschauen läßt.

Nun sind aber reine Verstandesbegriffe, in Verglei-
chung mit empirischen (ia überhaupt sinnlichen) Anschauun-
gen, ganz ungleichartig und können niemals in irgend
einer Anschauung angetroffen werden. Wie ist nun die
Subsumtion der lezteren unter die erste, mithin die An-
wendung der Categorie auf Erscheinungen möglich, da
doch niemand sagen wird: diese, z. B. die Caussalität,
könne auch durch Sinne angeschauet werden und sey in der

Er-
I 5
I. Hauptſt. Von d. Schemat. d. r. Verſt. Begr.
Der
Transſcendentalen Doctrin
der Urtheilskraft

(oder Analytik der Grundſaͤtze)
Erſtes Hauptſtuͤck.
Von dem
Schematismus der reinen Verſtandesbegriffe.

In allen Subſumtionen eines Gegenſtandes unter einen
Begriff muß die Vorſtellung des erſteren mit der lez-
tern gleichartig ſeyn, d. i. der Begriff muß dasienige ent-
halten, was in dem darunter zu ſubſumirenden Gegenſtande
vorgeſtellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck:
ein Gegenſtand ſey unter einem Begriffe enthalten. So
hat der empiriſche Begriff eines Tellers mit dem reinen
geometriſchen eines Cirkels Gleichartigkeit, indem die Run-
dung, die in dem erſteren gedacht wird, ſich im lezteren
anſchauen laͤßt.

Nun ſind aber reine Verſtandesbegriffe, in Verglei-
chung mit empiriſchen (ia uͤberhaupt ſinnlichen) Anſchauun-
gen, ganz ungleichartig und koͤnnen niemals in irgend
einer Anſchauung angetroffen werden. Wie iſt nun die
Subſumtion der lezteren unter die erſte, mithin die An-
wendung der Categorie auf Erſcheinungen moͤglich, da
doch niemand ſagen wird: dieſe, z. B. die Cauſſalitaͤt,
koͤnne auch durch Sinne angeſchauet werden und ſey in der

Er-
I 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0167" n="137"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;t. Von d. Schemat. d. r. Ver&#x017F;t. Begr.</fw><lb/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#g">Der<lb/><hi rendition="#b">Trans&#x017F;cendentalen Doctrin<lb/>
der Urtheilskraft</hi></hi><lb/>
(oder Analytik der Grund&#x017F;a&#x0364;tze)<lb/><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi><lb/><hi rendition="#g">Von dem</hi><lb/><hi rendition="#b">Schematismus der reinen Ver&#x017F;tandesbegriffe.</hi></head><lb/>
                <p><hi rendition="#in">I</hi>n allen Sub&#x017F;umtionen eines Gegen&#x017F;tandes unter einen<lb/>
Begriff muß die Vor&#x017F;tellung des er&#x017F;teren mit der lez-<lb/>
tern gleichartig &#x017F;eyn, d. i. der Begriff muß dasienige ent-<lb/>
halten, was in dem darunter zu &#x017F;ub&#x017F;umirenden Gegen&#x017F;tande<lb/>
vorge&#x017F;tellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck:<lb/>
ein Gegen&#x017F;tand &#x017F;ey unter einem Begriffe enthalten. So<lb/>
hat der empiri&#x017F;che Begriff eines Tellers mit dem reinen<lb/>
geometri&#x017F;chen eines Cirkels Gleichartigkeit, indem die Run-<lb/>
dung, die in dem er&#x017F;teren gedacht wird, &#x017F;ich im lezteren<lb/>
an&#x017F;chauen la&#x0364;ßt.</p><lb/>
                <p>Nun &#x017F;ind aber reine Ver&#x017F;tandesbegriffe, in Verglei-<lb/>
chung mit empiri&#x017F;chen (ia u&#x0364;berhaupt &#x017F;innlichen) An&#x017F;chauun-<lb/>
gen, ganz ungleichartig und ko&#x0364;nnen niemals in irgend<lb/>
einer An&#x017F;chauung angetroffen werden. Wie i&#x017F;t nun die<lb/>
Sub&#x017F;umtion der lezteren unter die er&#x017F;te, mithin die An-<lb/>
wendung der Categorie auf Er&#x017F;cheinungen mo&#x0364;glich, da<lb/>
doch niemand &#x017F;agen wird: die&#x017F;e, z. B. die Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t,<lb/>
ko&#x0364;nne auch durch Sinne ange&#x017F;chauet werden und &#x017F;ey in der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Er-</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0167] I. Hauptſt. Von d. Schemat. d. r. Verſt. Begr. Der Transſcendentalen Doctrin der Urtheilskraft (oder Analytik der Grundſaͤtze) Erſtes Hauptſtuͤck. Von dem Schematismus der reinen Verſtandesbegriffe. In allen Subſumtionen eines Gegenſtandes unter einen Begriff muß die Vorſtellung des erſteren mit der lez- tern gleichartig ſeyn, d. i. der Begriff muß dasienige ent- halten, was in dem darunter zu ſubſumirenden Gegenſtande vorgeſtellt wird, denn das bedeutet eben der Ausdruck: ein Gegenſtand ſey unter einem Begriffe enthalten. So hat der empiriſche Begriff eines Tellers mit dem reinen geometriſchen eines Cirkels Gleichartigkeit, indem die Run- dung, die in dem erſteren gedacht wird, ſich im lezteren anſchauen laͤßt. Nun ſind aber reine Verſtandesbegriffe, in Verglei- chung mit empiriſchen (ia uͤberhaupt ſinnlichen) Anſchauun- gen, ganz ungleichartig und koͤnnen niemals in irgend einer Anſchauung angetroffen werden. Wie iſt nun die Subſumtion der lezteren unter die erſte, mithin die An- wendung der Categorie auf Erſcheinungen moͤglich, da doch niemand ſagen wird: dieſe, z. B. die Cauſſalitaͤt, koͤnne auch durch Sinne angeſchauet werden und ſey in der Er- I 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/167
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/167>, abgerufen am 27.11.2024.