Linien grösser und kleiner ziehen, imgleichen nach allerley beliebigen Winkeln kan zusammenstossen lassen. Dage- gen ist die Zahl 7 nur auf eine einzige Art möglich, und auch die Zahl 12, die durch die Synthesis der ersteren mit 5 erzeugt wird. Dergleichen Sätze muß man also nicht Axiomen, (denn sonst gäbe es deren unendliche) son- dern Zahlformeln nennen.
Dieser transscendentale Grundsatz der Mathematik der Erscheinungen giebt unserem Erkentniß a priori grosse Erweiterung. Denn er ist es allein, welcher die reine Mathematik in ihrer ganzen Präcision auf Gegenstände der Erfahrung anwendbar macht, welches ohne diesen Grund- satz nicht so von selbst erhellen möchte, ia auch manchen Widerspruch veranlasset hat. Erscheinungen sind keine Dinge an sich selbst. Die empirische Anschauung ist nur durch die reine (des Raumes und der Zeit) möglich; was also die Geometrie von dieser sagt, gilt auch ohne Wider- rede von iener, und die Ausflüchte, als wenn Gegenstände der Sinne nicht den Regeln der Construction im Raume (z. E. der unendlichen Theilbarkeit der Linien oder Winkel) gemäß seyn dürfe, muß wegfallen. Denn dadurch spricht man dem Raume und mit ihm zugleich aller Mathematik obiective Gültigkeit ab, und weis nicht mehr, warum, und wie weit sie auf Erscheinungen anzuwenden sey. Die Synthesis der Räume und Zeiten, als der wesentlichen Form aller Anschauung, ist das, was zugleich die Appre-
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III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
Linien groͤſſer und kleiner ziehen, imgleichen nach allerley beliebigen Winkeln kan zuſammenſtoſſen laſſen. Dage- gen iſt die Zahl 7 nur auf eine einzige Art moͤglich, und auch die Zahl 12, die durch die Syntheſis der erſteren mit 5 erzeugt wird. Dergleichen Saͤtze muß man alſo nicht Axiomen, (denn ſonſt gaͤbe es deren unendliche) ſon- dern Zahlformeln nennen.
Dieſer transſcendentale Grundſatz der Mathematik der Erſcheinungen giebt unſerem Erkentniß a priori groſſe Erweiterung. Denn er iſt es allein, welcher die reine Mathematik in ihrer ganzen Praͤciſion auf Gegenſtaͤnde der Erfahrung anwendbar macht, welches ohne dieſen Grund- ſatz nicht ſo von ſelbſt erhellen moͤchte, ia auch manchen Widerſpruch veranlaſſet hat. Erſcheinungen ſind keine Dinge an ſich ſelbſt. Die empiriſche Anſchauung iſt nur durch die reine (des Raumes und der Zeit) moͤglich; was alſo die Geometrie von dieſer ſagt, gilt auch ohne Wider- rede von iener, und die Ausfluͤchte, als wenn Gegenſtaͤnde der Sinne nicht den Regeln der Conſtruction im Raume (z. E. der unendlichen Theilbarkeit der Linien oder Winkel) gemaͤß ſeyn duͤrfe, muß wegfallen. Denn dadurch ſpricht man dem Raume und mit ihm zugleich aller Mathematik obiective Guͤltigkeit ab, und weis nicht mehr, warum, und wie weit ſie auf Erſcheinungen anzuwenden ſey. Die Syntheſis der Raͤume und Zeiten, als der weſentlichen Form aller Anſchauung, iſt das, was zugleich die Appre-
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III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
Linien groͤſſer und kleiner ziehen, imgleichen nach allerley
beliebigen Winkeln kan zuſammenſtoſſen laſſen. Dage-
gen iſt die Zahl 7 nur auf eine einzige Art moͤglich, und
auch die Zahl 12, die durch die Syntheſis der erſteren
mit 5 erzeugt wird. Dergleichen Saͤtze muß man alſo
nicht Axiomen, (denn ſonſt gaͤbe es deren unendliche) ſon-
dern Zahlformeln nennen.
Dieſer transſcendentale Grundſatz der Mathematik
der Erſcheinungen giebt unſerem Erkentniß a priori groſſe
Erweiterung. Denn er iſt es allein, welcher die reine
Mathematik in ihrer ganzen Praͤciſion auf Gegenſtaͤnde der
Erfahrung anwendbar macht, welches ohne dieſen Grund-
ſatz nicht ſo von ſelbſt erhellen moͤchte, ia auch manchen
Widerſpruch veranlaſſet hat. Erſcheinungen ſind keine
Dinge an ſich ſelbſt. Die empiriſche Anſchauung iſt nur
durch die reine (des Raumes und der Zeit) moͤglich; was
alſo die Geometrie von dieſer ſagt, gilt auch ohne Wider-
rede von iener, und die Ausfluͤchte, als wenn Gegenſtaͤnde
der Sinne nicht den Regeln der Conſtruction im Raume
(z. E. der unendlichen Theilbarkeit der Linien oder Winkel)
gemaͤß ſeyn duͤrfe, muß wegfallen. Denn dadurch ſpricht
man dem Raume und mit ihm zugleich aller Mathematik
obiective Guͤltigkeit ab, und weis nicht mehr, warum,
und wie weit ſie auf Erſcheinungen anzuwenden ſey. Die
Syntheſis der Raͤume und Zeiten, als der weſentlichen
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/195>, abgerufen am 23.11.2024.
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