Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
dentalen Beweis entgegen, der zwar den Unterschied in
der Erfüllung der Räume nicht erklären soll, aber doch
die vermeinte Nothwendigkeit iener Voraussetzung, gedach-
ten Unterschied nicht anders, wie durch anzunehmende leere
Räume erklären zu können, völlig aufhebt, und das Ver-
dienst hat, den Verstand wenigstens in Freyheit zu verse-
tzen, sich diese Verschiedenheit auch auf andere Art zu den-
ken, wenn die Naturerklärung hiezu irgend eine Hypothese
nothwendig machen sollte. Denn da sehen wir, daß, ob-
schon gleiche Räume von verschiedenen Materien vollkom-
men erfüllt seyn mögen, so, daß in keinem von beyden
ein Punct ist, in welchem nicht ihre Gegenwart anzutref-
fen wäre, so habe doch iedes Reale bey derselben Quali-
tät ihren Grad (des Widerstandes oder des Wiegens) wel-
cher ohne Verminderung der extensiven Grösse oder Menge
ins Unendliche kleiner seyn kan, ehe sie in das leere über-
geht, und verschwindet. So kan eine Ausspannung, die
einen Raum erfüllt z. B. Wärme, und auf gleiche Weise
iede andere Realität (in der Erscheinung) ohne im min-
desten den kleinsten Theil dieses Raumes leer zu lassen, in
ihren Graden ins unendliche abnehmen, und nichts desto
weniger den Raum mit diesen kleinern Graden
eben sowol erfüllen, als eine andere Erscheinung
mit grösseren. Meine Absicht ist hier keinesweges, zu be-
haupten: daß dieses wirklich mit der Verschiedenheit der
Materien, ihrer specifischen Schwere nach, so bewandt sey,
sondern nur aus einem Grundsatze des reinen Verstandes

dar

Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
dentalen Beweis entgegen, der zwar den Unterſchied in
der Erfuͤllung der Raͤume nicht erklaͤren ſoll, aber doch
die vermeinte Nothwendigkeit iener Vorausſetzung, gedach-
ten Unterſchied nicht anders, wie durch anzunehmende leere
Raͤume erklaͤren zu koͤnnen, voͤllig aufhebt, und das Ver-
dienſt hat, den Verſtand wenigſtens in Freyheit zu verſe-
tzen, ſich dieſe Verſchiedenheit auch auf andere Art zu den-
ken, wenn die Naturerklaͤrung hiezu irgend eine Hypotheſe
nothwendig machen ſollte. Denn da ſehen wir, daß, ob-
ſchon gleiche Raͤume von verſchiedenen Materien vollkom-
men erfuͤllt ſeyn moͤgen, ſo, daß in keinem von beyden
ein Punct iſt, in welchem nicht ihre Gegenwart anzutref-
fen waͤre, ſo habe doch iedes Reale bey derſelben Quali-
taͤt ihren Grad (des Widerſtandes oder des Wiegens) wel-
cher ohne Verminderung der extenſiven Groͤſſe oder Menge
ins Unendliche kleiner ſeyn kan, ehe ſie in das leere uͤber-
geht, und verſchwindet. So kan eine Ausſpannung, die
einen Raum erfuͤllt z. B. Waͤrme, und auf gleiche Weiſe
iede andere Realitaͤt (in der Erſcheinung) ohne im min-
deſten den kleinſten Theil dieſes Raumes leer zu laſſen, in
ihren Graden ins unendliche abnehmen, und nichts deſto
weniger den Raum mit dieſen kleinern Graden
eben ſowol erfuͤllen, als eine andere Erſcheinung
mit groͤſſeren. Meine Abſicht iſt hier keinesweges, zu be-
haupten: daß dieſes wirklich mit der Verſchiedenheit der
Materien, ihrer ſpecifiſchen Schwere nach, ſo bewandt ſey,
ſondern nur aus einem Grundſatze des reinen Verſtandes

dar
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0204" n="174"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch. <hi rendition="#aq">II.</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
dentalen Beweis entgegen, der zwar den Unter&#x017F;chied in<lb/>
der Erfu&#x0364;llung der Ra&#x0364;ume nicht erkla&#x0364;ren &#x017F;oll, aber doch<lb/>
die vermeinte Nothwendigkeit iener Voraus&#x017F;etzung, gedach-<lb/>
ten Unter&#x017F;chied nicht anders, wie durch anzunehmende leere<lb/>
Ra&#x0364;ume erkla&#x0364;ren zu ko&#x0364;nnen, vo&#x0364;llig aufhebt, und das Ver-<lb/>
dien&#x017F;t hat, den Ver&#x017F;tand wenig&#x017F;tens in Freyheit zu ver&#x017F;e-<lb/>
tzen, &#x017F;ich die&#x017F;e Ver&#x017F;chiedenheit auch auf andere Art zu den-<lb/>
ken, wenn die Naturerkla&#x0364;rung hiezu irgend eine Hypothe&#x017F;e<lb/>
nothwendig machen &#x017F;ollte. Denn da &#x017F;ehen wir, daß, ob-<lb/>
&#x017F;chon gleiche Ra&#x0364;ume von ver&#x017F;chiedenen Materien vollkom-<lb/>
men erfu&#x0364;llt &#x017F;eyn mo&#x0364;gen, &#x017F;o, daß in keinem von beyden<lb/>
ein Punct i&#x017F;t, in welchem nicht ihre Gegenwart anzutref-<lb/>
fen wa&#x0364;re, &#x017F;o habe doch iedes Reale bey der&#x017F;elben Quali-<lb/>
ta&#x0364;t ihren Grad (des Wider&#x017F;tandes oder des Wiegens) wel-<lb/>
cher ohne Verminderung der exten&#x017F;iven Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e oder Menge<lb/>
ins Unendliche kleiner &#x017F;eyn kan, ehe &#x017F;ie in das leere u&#x0364;ber-<lb/>
geht, und ver&#x017F;chwindet. So kan eine Aus&#x017F;pannung, die<lb/>
einen Raum erfu&#x0364;llt z. B. Wa&#x0364;rme, und auf gleiche Wei&#x017F;e<lb/>
iede andere Realita&#x0364;t (in der Er&#x017F;cheinung) ohne im min-<lb/>
de&#x017F;ten den klein&#x017F;ten Theil die&#x017F;es Raumes leer zu la&#x017F;&#x017F;en, in<lb/>
ihren Graden ins unendliche abnehmen, und nichts de&#x017F;to<lb/>
weniger den Raum mit die&#x017F;en kleinern Graden<lb/>
eben &#x017F;owol erfu&#x0364;llen, als eine andere Er&#x017F;cheinung<lb/>
mit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eren. Meine Ab&#x017F;icht i&#x017F;t hier keinesweges, zu be-<lb/>
haupten: daß die&#x017F;es wirklich mit der Ver&#x017F;chiedenheit der<lb/>
Materien, ihrer &#x017F;pecifi&#x017F;chen Schwere nach, &#x017F;o bewandt &#x017F;ey,<lb/>
&#x017F;ondern nur aus einem Grund&#x017F;atze des reinen Ver&#x017F;tandes<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dar</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0204] Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt. dentalen Beweis entgegen, der zwar den Unterſchied in der Erfuͤllung der Raͤume nicht erklaͤren ſoll, aber doch die vermeinte Nothwendigkeit iener Vorausſetzung, gedach- ten Unterſchied nicht anders, wie durch anzunehmende leere Raͤume erklaͤren zu koͤnnen, voͤllig aufhebt, und das Ver- dienſt hat, den Verſtand wenigſtens in Freyheit zu verſe- tzen, ſich dieſe Verſchiedenheit auch auf andere Art zu den- ken, wenn die Naturerklaͤrung hiezu irgend eine Hypotheſe nothwendig machen ſollte. Denn da ſehen wir, daß, ob- ſchon gleiche Raͤume von verſchiedenen Materien vollkom- men erfuͤllt ſeyn moͤgen, ſo, daß in keinem von beyden ein Punct iſt, in welchem nicht ihre Gegenwart anzutref- fen waͤre, ſo habe doch iedes Reale bey derſelben Quali- taͤt ihren Grad (des Widerſtandes oder des Wiegens) wel- cher ohne Verminderung der extenſiven Groͤſſe oder Menge ins Unendliche kleiner ſeyn kan, ehe ſie in das leere uͤber- geht, und verſchwindet. So kan eine Ausſpannung, die einen Raum erfuͤllt z. B. Waͤrme, und auf gleiche Weiſe iede andere Realitaͤt (in der Erſcheinung) ohne im min- deſten den kleinſten Theil dieſes Raumes leer zu laſſen, in ihren Graden ins unendliche abnehmen, und nichts deſto weniger den Raum mit dieſen kleinern Graden eben ſowol erfuͤllen, als eine andere Erſcheinung mit groͤſſeren. Meine Abſicht iſt hier keinesweges, zu be- haupten: daß dieſes wirklich mit der Verſchiedenheit der Materien, ihrer ſpecifiſchen Schwere nach, ſo bewandt ſey, ſondern nur aus einem Grundſatze des reinen Verſtandes dar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/204
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/204>, abgerufen am 23.11.2024.