Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Haupst.
schweigend bediente*), weil der Leitfaden der Categorien fehlte, der allein iede Lücke des Verstandes, sowol in Be- griffen, als Grundsätzen, entdecken, und merklich machen kan.
4. Die Postulate des empirischen Denkens überhaupt.
1. Was mit den formalen Bedingungen der Erfah- rung (der Anschauung und den Begriffen nach) überein- komt, ist möglich.
2. Was mit den materialen Bedingungen der Er- fahrung (der Empfindung) zusammenhängt, ist wirklich.
3. Dessen Zusammenhang mit dem Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung bestimt ist, ist (existirt) nothwendig.
Erläu-
*) Die Einheit des Weltganzen, in welchem alle Erschei- nungen verknüpft seyn sollen, ist offenbar eine blosse Fol- gerung des in geheim angenommenen Grundsatzes der Gemeinschaft aller Substanzen, die zugleich seyn: denn, wären sie isolirt, so würden sie nicht als Theile ein Gan- zes ausmachen, und wäre ihre Verknüpfung (Wechselwir- kung des Mannigfaltigen) nicht schon um des Zugleich- seyns willen nothwendig, so könte man aus diesem, als einem blos idealen Verhältniß, auf iene, als ein reales, nicht schliessen. Wiewol wir an seinem Ort gezeigt ha- ben: daß die Gemeinschaft eigentlich der Grund der Mög- lichkeit einer empirischen Erkentniß, der Coexistenz sey, und daß man also eigentlich nur aus dieser auf iene, als ihre Bedingung, zurück schliesse.
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Haupſt.
ſchweigend bediente*), weil der Leitfaden der Categorien fehlte, der allein iede Luͤcke des Verſtandes, ſowol in Be- griffen, als Grundſaͤtzen, entdecken, und merklich machen kan.
4. Die Poſtulate des empiriſchen Denkens uͤberhaupt.
1. Was mit den formalen Bedingungen der Erfah- rung (der Anſchauung und den Begriffen nach) uͤberein- komt, iſt moͤglich.
2. Was mit den materialen Bedingungen der Er- fahrung (der Empfindung) zuſammenhaͤngt, iſt wirklich.
3. Deſſen Zuſammenhang mit dem Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung beſtimt iſt, iſt (exiſtirt) nothwendig.
Erlaͤu-
*) Die Einheit des Weltganzen, in welchem alle Erſchei- nungen verknuͤpft ſeyn ſollen, iſt offenbar eine bloſſe Fol- gerung des in geheim angenommenen Grundſatzes der Gemeinſchaft aller Subſtanzen, die zugleich ſeyn: denn, waͤren ſie iſolirt, ſo wuͤrden ſie nicht als Theile ein Gan- zes ausmachen, und waͤre ihre Verknuͤpfung (Wechſelwir- kung des Mannigfaltigen) nicht ſchon um des Zugleich- ſeyns willen nothwendig, ſo koͤnte man aus dieſem, als einem blos idealen Verhaͤltniß, auf iene, als ein reales, nicht ſchlieſſen. Wiewol wir an ſeinem Ort gezeigt ha- ben: daß die Gemeinſchaft eigentlich der Grund der Moͤg- lichkeit einer empiriſchen Erkentniß, der Coexiſtenz ſey, und daß man alſo eigentlich nur aus dieſer auf iene, als ihre Bedingung, zuruͤck ſchlieſſe.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0248"n="218"/><fwplace="top"type="header">Elementarl. <hirendition="#aq">II.</hi> Th. <hirendition="#aq">I.</hi> Abth. <hirendition="#aq">II.</hi> Buch. <hirendition="#aq">II.</hi> Haupſt.</fw><lb/>ſchweigend bediente<noteplace="foot"n="*)">Die Einheit des Weltganzen, in welchem alle Erſchei-<lb/>
nungen verknuͤpft ſeyn ſollen, iſt offenbar eine bloſſe Fol-<lb/>
gerung des in geheim angenommenen Grundſatzes der<lb/>
Gemeinſchaft aller Subſtanzen, die zugleich ſeyn: denn,<lb/>
waͤren ſie iſolirt, ſo wuͤrden ſie nicht als Theile ein Gan-<lb/>
zes ausmachen, und waͤre ihre Verknuͤpfung (Wechſelwir-<lb/>
kung des Mannigfaltigen) nicht ſchon um des Zugleich-<lb/>ſeyns willen nothwendig, ſo koͤnte man aus dieſem, als<lb/>
einem blos idealen Verhaͤltniß, auf iene, als ein reales,<lb/>
nicht ſchlieſſen. Wiewol wir an ſeinem Ort gezeigt ha-<lb/>
ben: daß die Gemeinſchaft eigentlich der Grund der Moͤg-<lb/>
lichkeit einer empiriſchen Erkentniß, der Coexiſtenz ſey,<lb/>
und daß man alſo eigentlich nur aus dieſer auf iene, als<lb/>
ihre Bedingung, zuruͤck ſchlieſſe.</note>, weil der Leitfaden der Categorien<lb/>
fehlte, der allein iede Luͤcke des Verſtandes, ſowol in Be-<lb/>
griffen, als Grundſaͤtzen, entdecken, und merklich machen<lb/>
kan.</p></div></div></div><lb/><divn="7"><head>4.<lb/><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Poſtulate</hi></hi><lb/>
des empiriſchen Denkens uͤberhaupt.</head><lb/><p>1. Was mit den formalen Bedingungen der Erfah-<lb/>
rung (der Anſchauung und den Begriffen nach) uͤberein-<lb/>
komt, iſt moͤglich.</p><lb/><p>2. Was mit den materialen Bedingungen der Er-<lb/>
fahrung (der Empfindung) zuſammenhaͤngt, iſt wirklich.</p><lb/><p>3. Deſſen Zuſammenhang mit dem Wirklichen nach<lb/>
allgemeinen Bedingungen der Erfahrung beſtimt iſt, iſt<lb/>
(exiſtirt) nothwendig.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Erlaͤu-</fw><lb/></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[218/0248]
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Haupſt.
ſchweigend bediente *), weil der Leitfaden der Categorien
fehlte, der allein iede Luͤcke des Verſtandes, ſowol in Be-
griffen, als Grundſaͤtzen, entdecken, und merklich machen
kan.
4.
Die Poſtulate
des empiriſchen Denkens uͤberhaupt.
1. Was mit den formalen Bedingungen der Erfah-
rung (der Anſchauung und den Begriffen nach) uͤberein-
komt, iſt moͤglich.
2. Was mit den materialen Bedingungen der Er-
fahrung (der Empfindung) zuſammenhaͤngt, iſt wirklich.
3. Deſſen Zuſammenhang mit dem Wirklichen nach
allgemeinen Bedingungen der Erfahrung beſtimt iſt, iſt
(exiſtirt) nothwendig.
Erlaͤu-
*) Die Einheit des Weltganzen, in welchem alle Erſchei-
nungen verknuͤpft ſeyn ſollen, iſt offenbar eine bloſſe Fol-
gerung des in geheim angenommenen Grundſatzes der
Gemeinſchaft aller Subſtanzen, die zugleich ſeyn: denn,
waͤren ſie iſolirt, ſo wuͤrden ſie nicht als Theile ein Gan-
zes ausmachen, und waͤre ihre Verknuͤpfung (Wechſelwir-
kung des Mannigfaltigen) nicht ſchon um des Zugleich-
ſeyns willen nothwendig, ſo koͤnte man aus dieſem, als
einem blos idealen Verhaͤltniß, auf iene, als ein reales,
nicht ſchlieſſen. Wiewol wir an ſeinem Ort gezeigt ha-
ben: daß die Gemeinſchaft eigentlich der Grund der Moͤg-
lichkeit einer empiriſchen Erkentniß, der Coexiſtenz ſey,
und daß man alſo eigentlich nur aus dieſer auf iene, als
ihre Bedingung, zuruͤck ſchlieſſe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/248>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.