Die Categorien der Modalität haben das besondere an sich: daß sie den Begriff, dem sie als Prädicate beyge- füget werden, als Bestimmung des Obiects nicht im min- desten vermehren, sondern nur das Verhältniß zum Erkent- nißvermögen ausdrücken. Wenn der Begriff eines Dinges schon ganz vollständig ist, so kan ich doch noch von die- sem Gegenstande fragen, ob er blos möglich, oder auch wirklich, oder, wenn er das leztere ist, ob er gar auch nothwendig sey? Hiedurch werden keine Bestimmungen mehr im Obiecte selbst gedacht, sondern es frägt sich nur, wie es sich, (samt allen seinen Bestimmungen) zum Ver- stande und dessen empirischen Gebrauche, zur empirischen Urtheilskraft, und zur Vernunft (in ihrer Anwendung auf Erfahrung) verhalte?
Eben um deswillen sind auch die Grundsätze der Mo- dalität nichts weiter, als Erklärungen der Begriffe der Möglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit in ihrem empirischen Gebrauche, und hiemit zugleich Restrictionen aller Categorien auf den blos empirischen Gebrauch, oh- ne den transscendentalen zuzulassen und zu erlauben. Denn, wenn diese nicht eine blos logische Bedeutung haben, und die Form des Denkens analytisch ausdrücken sollen, son- dern Dinge und deren Möglichkeit, Wirklichkeit oder Nothwendigkeit betreffen sollen, so müssen sie auf die mög- liche Erfahrung und deren synthetische Einheit gehen, in welcher allein Gegenstände der Erkentniß gegeben werden.
Das
III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
Erlaͤuterung.
Die Categorien der Modalitaͤt haben das beſondere an ſich: daß ſie den Begriff, dem ſie als Praͤdicate beyge- fuͤget werden, als Beſtimmung des Obiects nicht im min- deſten vermehren, ſondern nur das Verhaͤltniß zum Erkent- nißvermoͤgen ausdruͤcken. Wenn der Begriff eines Dinges ſchon ganz vollſtaͤndig iſt, ſo kan ich doch noch von die- ſem Gegenſtande fragen, ob er blos moͤglich, oder auch wirklich, oder, wenn er das leztere iſt, ob er gar auch nothwendig ſey? Hiedurch werden keine Beſtimmungen mehr im Obiecte ſelbſt gedacht, ſondern es fraͤgt ſich nur, wie es ſich, (ſamt allen ſeinen Beſtimmungen) zum Ver- ſtande und deſſen empiriſchen Gebrauche, zur empiriſchen Urtheilskraft, und zur Vernunft (in ihrer Anwendung auf Erfahrung) verhalte?
Eben um deswillen ſind auch die Grundſaͤtze der Mo- dalitaͤt nichts weiter, als Erklaͤrungen der Begriffe der Moͤglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit in ihrem empiriſchen Gebrauche, und hiemit zugleich Reſtrictionen aller Categorien auf den blos empiriſchen Gebrauch, oh- ne den transſcendentalen zuzulaſſen und zu erlauben. Denn, wenn dieſe nicht eine blos logiſche Bedeutung haben, und die Form des Denkens analytiſch ausdruͤcken ſollen, ſon- dern Dinge und deren Moͤglichkeit, Wirklichkeit oder Nothwendigkeit betreffen ſollen, ſo muͤſſen ſie auf die moͤg- liche Erfahrung und deren ſynthetiſche Einheit gehen, in welcher allein Gegenſtaͤnde der Erkentniß gegeben werden.
Das
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III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
Erlaͤuterung.
Die Categorien der Modalitaͤt haben das beſondere
an ſich: daß ſie den Begriff, dem ſie als Praͤdicate beyge-
fuͤget werden, als Beſtimmung des Obiects nicht im min-
deſten vermehren, ſondern nur das Verhaͤltniß zum Erkent-
nißvermoͤgen ausdruͤcken. Wenn der Begriff eines Dinges
ſchon ganz vollſtaͤndig iſt, ſo kan ich doch noch von die-
ſem Gegenſtande fragen, ob er blos moͤglich, oder auch
wirklich, oder, wenn er das leztere iſt, ob er gar auch
nothwendig ſey? Hiedurch werden keine Beſtimmungen
mehr im Obiecte ſelbſt gedacht, ſondern es fraͤgt ſich nur,
wie es ſich, (ſamt allen ſeinen Beſtimmungen) zum Ver-
ſtande und deſſen empiriſchen Gebrauche, zur empiriſchen
Urtheilskraft, und zur Vernunft (in ihrer Anwendung auf
Erfahrung) verhalte?
Eben um deswillen ſind auch die Grundſaͤtze der Mo-
dalitaͤt nichts weiter, als Erklaͤrungen der Begriffe der
Moͤglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit in ihrem
empiriſchen Gebrauche, und hiemit zugleich Reſtrictionen
aller Categorien auf den blos empiriſchen Gebrauch, oh-
ne den transſcendentalen zuzulaſſen und zu erlauben. Denn,
wenn dieſe nicht eine blos logiſche Bedeutung haben, und
die Form des Denkens analytiſch ausdruͤcken ſollen, ſon-
dern Dinge und deren Moͤglichkeit, Wirklichkeit oder
Nothwendigkeit betreffen ſollen, ſo muͤſſen ſie auf die moͤg-
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welcher allein Gegenſtaͤnde der Erkentniß gegeben werden.
Das
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/249>, abgerufen am 22.11.2024.
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