Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
bleiben, von dessen Gegenstand die Möglichkeit noch zweifel- haft bliebe, als wozu noch etwas mehr erfordert wird, nem- lich daß eine solche Figur unter lauter Bedingungen, auf denen alle Gegenstände der Erfahrung beruhen, gedacht sey. Daß nun der Raum eine formale Bedingung a prio- ri von äusseren Erfahrungen ist, daß eben dieselbe bilden- de Synthesis, wodurch wir in der Einbildungskraft einen Triangel construiren, mit derienigen gänzlich einerley sey, welche wir in der Apprehension einer Erscheinung ausüben, um uns davon einen Erfahrungsbegriff zu machen, das ist es allein, was mit diesem Begriffe die Vorstellung von der Möglichkeit eines solchen Dinges verknüpft. Und so ist die Möglichkeit continuirlicher Grössen, ia so gar der Grössen überhaupt, weil die Begriffe davon insgesamt synthetisch sind, niemals aus den Begriffen selbst, sondern aus ihnen, als formalen Bedingungen, der Bestimmung der Gegenstände in der Erfahrung überhaupt allererst klar, und wo sollte man auch Gegenstände suchen wollen, die den Begriffen correspondirten, wäre es nicht in der Erfahrung, durch die uns allein Gegenstände gegeben werden, wie wol wir, ohne eben Erfahrung selbst voran zuschicken, blos in Be- ziehung auf die formale Bedingungen, unter welchen in ihr überhaupt etwas als Gegenstand bestimt wird, mithin völlig a priori, aber doch nur in Beziehung auf sie, und innerhalb ihren Grenzen, die Möglichkeit der Dinge er- kennen und characterisiren können.
Das
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
bleiben, von deſſen Gegenſtand die Moͤglichkeit noch zweifel- haft bliebe, als wozu noch etwas mehr erfordert wird, nem- lich daß eine ſolche Figur unter lauter Bedingungen, auf denen alle Gegenſtaͤnde der Erfahrung beruhen, gedacht ſey. Daß nun der Raum eine formale Bedingung a prio- ri von aͤuſſeren Erfahrungen iſt, daß eben dieſelbe bilden- de Syntheſis, wodurch wir in der Einbildungskraft einen Triangel conſtruiren, mit derienigen gaͤnzlich einerley ſey, welche wir in der Apprehenſion einer Erſcheinung ausuͤben, um uns davon einen Erfahrungsbegriff zu machen, das iſt es allein, was mit dieſem Begriffe die Vorſtellung von der Moͤglichkeit eines ſolchen Dinges verknuͤpft. Und ſo iſt die Moͤglichkeit continuirlicher Groͤſſen, ia ſo gar der Groͤſſen uͤberhaupt, weil die Begriffe davon insgeſamt ſynthetiſch ſind, niemals aus den Begriffen ſelbſt, ſondern aus ihnen, als formalen Bedingungen, der Beſtimmung der Gegenſtaͤnde in der Erfahrung uͤberhaupt allererſt klar, und wo ſollte man auch Gegenſtaͤnde ſuchen wollen, die den Begriffen correſpondirten, waͤre es nicht in der Erfahrung, durch die uns allein Gegenſtaͤnde gegeben werden, wie wol wir, ohne eben Erfahrung ſelbſt voran zuſchicken, blos in Be- ziehung auf die formale Bedingungen, unter welchen in ihr uͤberhaupt etwas als Gegenſtand beſtimt wird, mithin voͤllig a priori, aber doch nur in Beziehung auf ſie, und innerhalb ihren Grenzen, die Moͤglichkeit der Dinge er- kennen und characteriſiren koͤnnen.
Das
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
bleiben, von deſſen Gegenſtand die Moͤglichkeit noch zweifel-
haft bliebe, als wozu noch etwas mehr erfordert wird, nem-
lich daß eine ſolche Figur unter lauter Bedingungen, auf
denen alle Gegenſtaͤnde der Erfahrung beruhen, gedacht
ſey. Daß nun der Raum eine formale Bedingung a prio-
ri von aͤuſſeren Erfahrungen iſt, daß eben dieſelbe bilden-
de Syntheſis, wodurch wir in der Einbildungskraft einen
Triangel conſtruiren, mit derienigen gaͤnzlich einerley ſey,
welche wir in der Apprehenſion einer Erſcheinung ausuͤben,
um uns davon einen Erfahrungsbegriff zu machen, das iſt
es allein, was mit dieſem Begriffe die Vorſtellung von der
Moͤglichkeit eines ſolchen Dinges verknuͤpft. Und ſo iſt die
Moͤglichkeit continuirlicher Groͤſſen, ia ſo gar der Groͤſſen
uͤberhaupt, weil die Begriffe davon insgeſamt ſynthetiſch
ſind, niemals aus den Begriffen ſelbſt, ſondern aus ihnen, als
formalen Bedingungen, der Beſtimmung der Gegenſtaͤnde
in der Erfahrung uͤberhaupt allererſt klar, und wo ſollte
man auch Gegenſtaͤnde ſuchen wollen, die den Begriffen
correſpondirten, waͤre es nicht in der Erfahrung, durch
die uns allein Gegenſtaͤnde gegeben werden, wie wol wir,
ohne eben Erfahrung ſelbſt voran zuſchicken, blos in Be-
ziehung auf die formale Bedingungen, unter welchen in
ihr uͤberhaupt etwas als Gegenſtand beſtimt wird, mithin
voͤllig a priori, aber doch nur in Beziehung auf ſie, und
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/254>, abgerufen am 22.11.2024.
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