Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
Erfahrung zusammen, und wir können nach dem Leitfaden iener Analogien, von unserer wirklichen Wahrnehmung zu dem Dinge in der Reihe möglicher Wahrnehmungen gelangen. So erkennen wir das Daseyn einer alle Cörper durchdringenden magnetischen Materie aus der Wahrneh- mung des gezogenen Eisenfeiligs, obzwar eine unmittelba- re Wahrnehmung dieses Stoffs uns nach der Beschaffen- heit unserer Organen unmöglich ist. Denn überhaupt würden wir, nach Gesetzen der Sinnlichkeit und dem Con- text unserer Wahrnehmungen, in einer Erfahrung auch auf die unmittelbare empirische Anschauung derselben stossen, wenn unsere Sinnen feiner wären, deren Grobheit die Form möglicher Erfahrung überhaupt nichts angeht. Wo also Wahrnehmung und deren Anhang nach empirischen Gesetzen hinreicht, dahin reicht auch unsere Erkentniß vom Daseyn der Dinge. Fangen wir nicht von Erfahrung an, oder gehen wir nicht nach Gesetzen des empirischen Zusammenhanges der Erscheinungen fort, so machen wir uns vergeblich Staat, das Daseyn irgend eines Dinges errathen oder erforschen zu wollen.
Was endlich das dritte Postulat betrift, so geht es auf die materiale Nothwendigkeit im Daseyn, und nicht die blos formale und logische in Verknüpfung der Begriffe. Da nun keine Existenz der Gegenstände der Sinne völlig a priori erkant werden kan, aber doch compara- tive a priori relativisch auf ein anderes schon gegebenes
Da-
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
Erfahrung zuſammen, und wir koͤnnen nach dem Leitfaden iener Analogien, von unſerer wirklichen Wahrnehmung zu dem Dinge in der Reihe moͤglicher Wahrnehmungen gelangen. So erkennen wir das Daſeyn einer alle Coͤrper durchdringenden magnetiſchen Materie aus der Wahrneh- mung des gezogenen Eiſenfeiligs, obzwar eine unmittelba- re Wahrnehmung dieſes Stoffs uns nach der Beſchaffen- heit unſerer Organen unmoͤglich iſt. Denn uͤberhaupt wuͤrden wir, nach Geſetzen der Sinnlichkeit und dem Con- text unſerer Wahrnehmungen, in einer Erfahrung auch auf die unmittelbare empiriſche Anſchauung derſelben ſtoſſen, wenn unſere Sinnen feiner waͤren, deren Grobheit die Form moͤglicher Erfahrung uͤberhaupt nichts angeht. Wo alſo Wahrnehmung und deren Anhang nach empiriſchen Geſetzen hinreicht, dahin reicht auch unſere Erkentniß vom Daſeyn der Dinge. Fangen wir nicht von Erfahrung an, oder gehen wir nicht nach Geſetzen des empiriſchen Zuſammenhanges der Erſcheinungen fort, ſo machen wir uns vergeblich Staat, das Daſeyn irgend eines Dinges errathen oder erforſchen zu wollen.
Was endlich das dritte Poſtulat betrift, ſo geht es auf die materiale Nothwendigkeit im Daſeyn, und nicht die blos formale und logiſche in Verknuͤpfung der Begriffe. Da nun keine Exiſtenz der Gegenſtaͤnde der Sinne voͤllig a priori erkant werden kan, aber doch compara- tive a priori relativiſch auf ein anderes ſchon gegebenes
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
Erfahrung zuſammen, und wir koͤnnen nach dem Leitfaden
iener Analogien, von unſerer wirklichen Wahrnehmung
zu dem Dinge in der Reihe moͤglicher Wahrnehmungen
gelangen. So erkennen wir das Daſeyn einer alle Coͤrper
durchdringenden magnetiſchen Materie aus der Wahrneh-
mung des gezogenen Eiſenfeiligs, obzwar eine unmittelba-
re Wahrnehmung dieſes Stoffs uns nach der Beſchaffen-
heit unſerer Organen unmoͤglich iſt. Denn uͤberhaupt
wuͤrden wir, nach Geſetzen der Sinnlichkeit und dem Con-
text unſerer Wahrnehmungen, in einer Erfahrung auch
auf die unmittelbare empiriſche Anſchauung derſelben ſtoſſen,
wenn unſere Sinnen feiner waͤren, deren Grobheit die
Form moͤglicher Erfahrung uͤberhaupt nichts angeht. Wo
alſo Wahrnehmung und deren Anhang nach empiriſchen
Geſetzen hinreicht, dahin reicht auch unſere Erkentniß vom
Daſeyn der Dinge. Fangen wir nicht von Erfahrung
an, oder gehen wir nicht nach Geſetzen des empiriſchen
Zuſammenhanges der Erſcheinungen fort, ſo machen wir
uns vergeblich Staat, das Daſeyn irgend eines Dinges
errathen oder erforſchen zu wollen.
Was endlich das dritte Poſtulat betrift, ſo geht es
auf die materiale Nothwendigkeit im Daſeyn, und nicht
die blos formale und logiſche in Verknuͤpfung der Begriffe.
Da nun keine Exiſtenz der Gegenſtaͤnde der Sinne voͤllig
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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