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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
Qualität und Quantität) völlig abstrahiren, und es ist
genug, daß sie in verschiedenen Oertern zugleich angeschaut
werden, um sie vor numerisch verschieden zu halten. Leib-
nitz nahm die Erscheinungen als Dinge an sich selbst, mit-
hin vor intelligibilia, d. i. Gegenstände des reinen Ver-
standes, (ob er gleich, wegen der Verworrenheit ihrer Vor-
stellungen, dieselben mit dem Nahmen der Phänomene be-
legte) und da konte sein Satz des Nichtzuunterscheiden-
den (principium identitatis indiscernibilium) aller-
dings nicht gestritten werden; da sie aber Gegenstände
der Sinnlichkeit sind, und der Verstand in Ansehung ih-
rer nicht von reinem, sondern blos empirischem Gebrauche
ist, so wird die Vielheit und numerische Verschiedenheit
schon durch den Raum selbst, als die Bedingung der äus-
seren Erscheinungen angegeben. Denn ein Theil des
Raums, ob er zwar einem andern völlig ähnlich und gleich
seyn mag, ist doch ausser ihm, und eben dadurch ein vom
ersteren verschiedener Theil, der zu ihm hinzukomt, um
einen grösseren Raum auszumachen, und dieses muß da-
her von allem, was in den mancherley Stellen des Raums
zugleich ist, gelten, so sehr es sich sonsten auch ähnlich und
gleich seyn mag.

2. Einstimmung und Widerstreit. Wenn Reali-
tät nur durch den reinen Verstand vorgestellt wird, (reali-
tas noümenon
), so läßt sich zwischen den Realitäten kein
Widerstreit denken, d. i. ein solches Verhältniß, da sie in

einem

Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
Qualitaͤt und Quantitaͤt) voͤllig abſtrahiren, und es iſt
genug, daß ſie in verſchiedenen Oertern zugleich angeſchaut
werden, um ſie vor numeriſch verſchieden zu halten. Leib-
nitz nahm die Erſcheinungen als Dinge an ſich ſelbſt, mit-
hin vor intelligibilia, d. i. Gegenſtaͤnde des reinen Ver-
ſtandes, (ob er gleich, wegen der Verworrenheit ihrer Vor-
ſtellungen, dieſelben mit dem Nahmen der Phaͤnomene be-
legte) und da konte ſein Satz des Nichtzuunterſcheiden-
den (principium identitatis indiſcernibilium) aller-
dings nicht geſtritten werden; da ſie aber Gegenſtaͤnde
der Sinnlichkeit ſind, und der Verſtand in Anſehung ih-
rer nicht von reinem, ſondern blos empiriſchem Gebrauche
iſt, ſo wird die Vielheit und numeriſche Verſchiedenheit
ſchon durch den Raum ſelbſt, als die Bedingung der aͤuſ-
ſeren Erſcheinungen angegeben. Denn ein Theil des
Raums, ob er zwar einem andern voͤllig aͤhnlich und gleich
ſeyn mag, iſt doch auſſer ihm, und eben dadurch ein vom
erſteren verſchiedener Theil, der zu ihm hinzukomt, um
einen groͤſſeren Raum auszumachen, und dieſes muß da-
her von allem, was in den mancherley Stellen des Raums
zugleich iſt, gelten, ſo ſehr es ſich ſonſten auch aͤhnlich und
gleich ſeyn mag.

2. Einſtimmung und Widerſtreit. Wenn Reali-
taͤt nur durch den reinen Verſtand vorgeſtellt wird, (reali-
tas noümenon
), ſo laͤßt ſich zwiſchen den Realitaͤten kein
Widerſtreit denken, d. i. ein ſolches Verhaͤltniß, da ſie in

einem
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[264/0294] Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang. Qualitaͤt und Quantitaͤt) voͤllig abſtrahiren, und es iſt genug, daß ſie in verſchiedenen Oertern zugleich angeſchaut werden, um ſie vor numeriſch verſchieden zu halten. Leib- nitz nahm die Erſcheinungen als Dinge an ſich ſelbſt, mit- hin vor intelligibilia, d. i. Gegenſtaͤnde des reinen Ver- ſtandes, (ob er gleich, wegen der Verworrenheit ihrer Vor- ſtellungen, dieſelben mit dem Nahmen der Phaͤnomene be- legte) und da konte ſein Satz des Nichtzuunterſcheiden- den (principium identitatis indiſcernibilium) aller- dings nicht geſtritten werden; da ſie aber Gegenſtaͤnde der Sinnlichkeit ſind, und der Verſtand in Anſehung ih- rer nicht von reinem, ſondern blos empiriſchem Gebrauche iſt, ſo wird die Vielheit und numeriſche Verſchiedenheit ſchon durch den Raum ſelbſt, als die Bedingung der aͤuſ- ſeren Erſcheinungen angegeben. Denn ein Theil des Raums, ob er zwar einem andern voͤllig aͤhnlich und gleich ſeyn mag, iſt doch auſſer ihm, und eben dadurch ein vom erſteren verſchiedener Theil, der zu ihm hinzukomt, um einen groͤſſeren Raum auszumachen, und dieſes muß da- her von allem, was in den mancherley Stellen des Raums zugleich iſt, gelten, ſo ſehr es ſich ſonſten auch aͤhnlich und gleich ſeyn mag. 2. Einſtimmung und Widerſtreit. Wenn Reali- taͤt nur durch den reinen Verſtand vorgeſtellt wird, (reali- tas noümenon), ſo laͤßt ſich zwiſchen den Realitaͤten kein Widerſtreit denken, d. i. ein ſolches Verhaͤltniß, da ſie in einem

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/294>, abgerufen am 22.11.2024.