kraft, wozu die gegebene Vorstellungen gehören, gänzlich abstrahirt, und sie sind also so fern ihrem Sitze nach, im Gemüthe, als gleichartig zu behandeln, die transscen- dentale Reflexion aber (welche auf die Gegenstände selbst geht) enthält den Grund der Möglichkeit der obiectiven Comparation der Vorstellungen unter einander, und ist also von der lezteren gar sehr verschieden, weil die Erkent- nißkraft, dazu sie gehören, nicht eben dieselbe ist. Diese transscendentale Ueberlegung ist eine Pflicht, von der sich niemand lossagen kan, wenn er a priori etwas über Dinge urtheilen will. Wir wollen sie iezt zur Hand nehmen, und werden daraus vor die Bestimmung des eigentlichen Geschäfts des Verstandes nicht wenig Licht ziehen.
1. Einerleyheit und Verschiedenheit. Wenn uns ein Gegenstand mehrmalen, iedesmal aber mit eben densel- ben innern Bestimmungen, (qualitas et quantitas) dar- gestellet wird, so ist derselbe, wenn er als Gegenstand des reinen Verstandes gilt, immer eben derselbe, und nicht viel, sondern nur ein Ding (numerica identitas); ist er aber Erscheinung, so kömt es auf die Vergleichung der Begriffe gar nicht an, sondern, so sehr auch in Ansehung derselben alles einerley seyn mag, ist doch die Verschie[-] denheit der Oerter dieser Erscheinung zu gleicher Zeit ein genugsamer Grund der numerischen Verschiedenheit des Gegenstandes (der Sinne) selbst. So kan man bey zwey Tropfen Wasser von aller innern Verschiedenheit (der
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Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
kraft, wozu die gegebene Vorſtellungen gehoͤren, gaͤnzlich abſtrahirt, und ſie ſind alſo ſo fern ihrem Sitze nach, im Gemuͤthe, als gleichartig zu behandeln, die transſcen- dentale Reflexion aber (welche auf die Gegenſtaͤnde ſelbſt geht) enthaͤlt den Grund der Moͤglichkeit der obiectiven Comparation der Vorſtellungen unter einander, und iſt alſo von der lezteren gar ſehr verſchieden, weil die Erkent- nißkraft, dazu ſie gehoͤren, nicht eben dieſelbe iſt. Dieſe transſcendentale Ueberlegung iſt eine Pflicht, von der ſich niemand losſagen kan, wenn er a priori etwas uͤber Dinge urtheilen will. Wir wollen ſie iezt zur Hand nehmen, und werden daraus vor die Beſtimmung des eigentlichen Geſchaͤfts des Verſtandes nicht wenig Licht ziehen.
1. Einerleyheit und Verſchiedenheit. Wenn uns ein Gegenſtand mehrmalen, iedesmal aber mit eben denſel- ben innern Beſtimmungen, (qualitas et quantitas) dar- geſtellet wird, ſo iſt derſelbe, wenn er als Gegenſtand des reinen Verſtandes gilt, immer eben derſelbe, und nicht viel, ſondern nur ein Ding (numerica identitas); iſt er aber Erſcheinung, ſo koͤmt es auf die Vergleichung der Begriffe gar nicht an, ſondern, ſo ſehr auch in Anſehung derſelben alles einerley ſeyn mag, iſt doch die Verſchie[-] denheit der Oerter dieſer Erſcheinung zu gleicher Zeit ein genugſamer Grund der numeriſchen Verſchiedenheit des Gegenſtandes (der Sinne) ſelbſt. So kan man bey zwey Tropfen Waſſer von aller innern Verſchiedenheit (der
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Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
kraft, wozu die gegebene Vorſtellungen gehoͤren, gaͤnzlich
abſtrahirt, und ſie ſind alſo ſo fern ihrem Sitze nach, im
Gemuͤthe, als gleichartig zu behandeln, die transſcen-
dentale Reflexion aber (welche auf die Gegenſtaͤnde ſelbſt
geht) enthaͤlt den Grund der Moͤglichkeit der obiectiven
Comparation der Vorſtellungen unter einander, und iſt
alſo von der lezteren gar ſehr verſchieden, weil die Erkent-
nißkraft, dazu ſie gehoͤren, nicht eben dieſelbe iſt. Dieſe
transſcendentale Ueberlegung iſt eine Pflicht, von der ſich
niemand losſagen kan, wenn er a priori etwas uͤber Dinge
urtheilen will. Wir wollen ſie iezt zur Hand nehmen,
und werden daraus vor die Beſtimmung des eigentlichen
Geſchaͤfts des Verſtandes nicht wenig Licht ziehen.
1. Einerleyheit und Verſchiedenheit. Wenn uns
ein Gegenſtand mehrmalen, iedesmal aber mit eben denſel-
ben innern Beſtimmungen, (qualitas et quantitas) dar-
geſtellet wird, ſo iſt derſelbe, wenn er als Gegenſtand des
reinen Verſtandes gilt, immer eben derſelbe, und nicht
viel, ſondern nur ein Ding (numerica identitas); iſt er
aber Erſcheinung, ſo koͤmt es auf die Vergleichung der
Begriffe gar nicht an, ſondern, ſo ſehr auch in Anſehung
derſelben alles einerley ſeyn mag, iſt doch die Verſchie-
denheit der Oerter dieſer Erſcheinung zu gleicher Zeit ein
genugſamer Grund der numeriſchen Verſchiedenheit des
Gegenſtandes (der Sinne) ſelbſt. So kan man bey zwey
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/293>, abgerufen am 22.11.2024.
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