ein Mensch, und diese sind also unmittelbare Folgerungen aus dem Ersteren. Dagegen liegt der Satz: alle Gelehrte sind sterblich, nicht in dem untergelegten Urtheile (denn der Begriff der Gelehrten komt in ihm gar nicht vor) und er kan nur vermittelst eines Zwischenurtheils aus diesem gefolgert werden.
In iedem Vernunftschlusse denke ich zuerst eine Re- gel (maior) durch den Verstand. Zweitens subsumire ich ein Erkentniß unter die Bedingung der Regel (minor) vermittelst der Urtheilskraft. Endlich bestimme ich mein Erkentniß durch das Prädicat der Regel (conclusio) mit- hin a priori durch die Vernunft. Das Verhältniß also, welches der Obersatz, als die Regel, zwischen einer Er- kentniß und ihrer Bedingung vorstellt, macht die verschie- dene Arten der Vernunftschlüsse aus. Sie sind also gera- de dreyfach, so wie alle Urtheile überhaupt, so fern sie sich in der Art unterscheiden, wie sie das Verhältniß des Erkentnisses im Verstande ausdrücken, nemlich: catego- rische oder hypothetische oder disiunktive Vernunft- schlüsse.
Wenn, wie mehrentheils geschieht, die Conclusion als ein Urtheil aufgegeben worden, um zu sehen, ob es nicht aus schon gegebenen Urtheilen, durch die nemlich ein ganz anderer Gegendstand gedacht wird, fließe: so suche ich im Verstande die Assertion dieses Schlußsatzes auf, ob sie sich nicht in demselben unter gewissen Bedingungen nach einer allgemeinen Regel vorfinde. Finde ich nun eine
solche
Elementarl. II. Th. II. Abth. Die transſc. Dial.
ein Menſch, und dieſe ſind alſo unmittelbare Folgerungen aus dem Erſteren. Dagegen liegt der Satz: alle Gelehrte ſind ſterblich, nicht in dem untergelegten Urtheile (denn der Begriff der Gelehrten komt in ihm gar nicht vor) und er kan nur vermittelſt eines Zwiſchenurtheils aus dieſem gefolgert werden.
In iedem Vernunftſchluſſe denke ich zuerſt eine Re- gel (maior) durch den Verſtand. Zweitens ſubſumire ich ein Erkentniß unter die Bedingung der Regel (minor) vermittelſt der Urtheilskraft. Endlich beſtimme ich mein Erkentniß durch das Praͤdicat der Regel (concluſio) mit- hin a priori durch die Vernunft. Das Verhaͤltniß alſo, welches der Oberſatz, als die Regel, zwiſchen einer Er- kentniß und ihrer Bedingung vorſtellt, macht die verſchie- dene Arten der Vernunftſchluͤſſe aus. Sie ſind alſo gera- de dreyfach, ſo wie alle Urtheile uͤberhaupt, ſo fern ſie ſich in der Art unterſcheiden, wie ſie das Verhaͤltniß des Erkentniſſes im Verſtande ausdruͤcken, nemlich: catego- riſche oder hypothetiſche oder disiunktive Vernunft- ſchluͤſſe.
Wenn, wie mehrentheils geſchieht, die Concluſion als ein Urtheil aufgegeben worden, um zu ſehen, ob es nicht aus ſchon gegebenen Urtheilen, durch die nemlich ein ganz anderer Gegendſtand gedacht wird, fließe: ſo ſuche ich im Verſtande die Aſſertion dieſes Schlußſatzes auf, ob ſie ſich nicht in demſelben unter gewiſſen Bedingungen nach einer allgemeinen Regel vorfinde. Finde ich nun eine
ſolche
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Elementarl. II. Th. II. Abth. Die transſc. Dial.
ein Menſch, und dieſe ſind alſo unmittelbare Folgerungen
aus dem Erſteren. Dagegen liegt der Satz: alle Gelehrte
ſind ſterblich, nicht in dem untergelegten Urtheile (denn
der Begriff der Gelehrten komt in ihm gar nicht vor) und
er kan nur vermittelſt eines Zwiſchenurtheils aus dieſem
gefolgert werden.
In iedem Vernunftſchluſſe denke ich zuerſt eine Re-
gel (maior) durch den Verſtand. Zweitens ſubſumire
ich ein Erkentniß unter die Bedingung der Regel (minor)
vermittelſt der Urtheilskraft. Endlich beſtimme ich mein
Erkentniß durch das Praͤdicat der Regel (concluſio) mit-
hin a priori durch die Vernunft. Das Verhaͤltniß alſo,
welches der Oberſatz, als die Regel, zwiſchen einer Er-
kentniß und ihrer Bedingung vorſtellt, macht die verſchie-
dene Arten der Vernunftſchluͤſſe aus. Sie ſind alſo gera-
de dreyfach, ſo wie alle Urtheile uͤberhaupt, ſo fern ſie
ſich in der Art unterſcheiden, wie ſie das Verhaͤltniß des
Erkentniſſes im Verſtande ausdruͤcken, nemlich: catego-
riſche oder hypothetiſche oder disiunktive Vernunft-
ſchluͤſſe.
Wenn, wie mehrentheils geſchieht, die Concluſion
als ein Urtheil aufgegeben worden, um zu ſehen, ob es
nicht aus ſchon gegebenen Urtheilen, durch die nemlich ein
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/334>, abgerufen am 22.11.2024.
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