solche Bedingung und läßt sich das Obiect des Schlußsatzes unter der gegebenen Bedingung subsumiren, so ist dieser aus der Regel, die auch vor andere Gegenstände der Erkentniß gilt, gefolgert. Man sieht daraus: daß die Vernunft im Schließen die grosse Mannigfaltigkeit der Er- kentniß des Verstandes auf die kleinste Zahl der Principien (allgemeiner Bedingungen) zu bringen und dadurch die höchste Einheit derselben zu bewirken suche.
C. Von dem reinen Gebrauche der Vernunft.
Kan man die Vernunft isoliren und ist sie alsdenn noch ein eigener Quell von Begriffen und Urtheilen, die lediglich aus ihr entspringen, und dadurch sie sich auf Ge- genstände bezieht, oder ist sie ein blos subalternes Ver- mögen, gegebenen Erkentnissen eine gewisse Form zu ge- ben, welche logisch heißt, und wodurch die Verstandeser- kentnisse nur einander und niedrige Regeln andern höhern (deren Bedingung die Bedingung der ersteren in ihrer Sphäre befaßt) untergeordnet werden, so viel sich durch die Vergleichung derselben will bewerkstelligen lassen? Dies ist die Frage, mit der wir uns iezt nur vorläufig be- schäftigen. In der That ist Mannigfaltigkeit der Regeln und Einheit der Principien eine Forderung der Vernunft, um den Verstand mit sich selbst in durchgängigen Zusammen- hang zu bringen, so wie der Verstand das Mannigfaltige der Anschauung unter Begriffe und dadurch iene in Ver-
knüp-
U
Einleitung.
ſolche Bedingung und laͤßt ſich das Obiect des Schlußſatzes unter der gegebenen Bedingung ſubſumiren, ſo iſt dieſer aus der Regel, die auch vor andere Gegenſtaͤnde der Erkentniß gilt, gefolgert. Man ſieht daraus: daß die Vernunft im Schließen die groſſe Mannigfaltigkeit der Er- kentniß des Verſtandes auf die kleinſte Zahl der Principien (allgemeiner Bedingungen) zu bringen und dadurch die hoͤchſte Einheit derſelben zu bewirken ſuche.
C. Von dem reinen Gebrauche der Vernunft.
Kan man die Vernunft iſoliren und iſt ſie alsdenn noch ein eigener Quell von Begriffen und Urtheilen, die lediglich aus ihr entſpringen, und dadurch ſie ſich auf Ge- genſtaͤnde bezieht, oder iſt ſie ein blos ſubalternes Ver- moͤgen, gegebenen Erkentniſſen eine gewiſſe Form zu ge- ben, welche logiſch heißt, und wodurch die Verſtandeser- kentniſſe nur einander und niedrige Regeln andern hoͤhern (deren Bedingung die Bedingung der erſteren in ihrer Sphaͤre befaßt) untergeordnet werden, ſo viel ſich durch die Vergleichung derſelben will bewerkſtelligen laſſen? Dies iſt die Frage, mit der wir uns iezt nur vorlaͤufig be- ſchaͤftigen. In der That iſt Mannigfaltigkeit der Regeln und Einheit der Principien eine Forderung der Vernunft, um den Verſtand mit ſich ſelbſt in durchgaͤngigen Zuſammen- hang zu bringen, ſo wie der Verſtand das Mannigfaltige der Anſchauung unter Begriffe und dadurch iene in Ver-
knuͤp-
U
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0335"n="305"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>ſolche Bedingung und laͤßt ſich das Obiect des Schlußſatzes<lb/>
unter der gegebenen Bedingung ſubſumiren, ſo iſt dieſer<lb/>
aus der Regel, die auch vor andere Gegenſtaͤnde der<lb/>
Erkentniß gilt, gefolgert. Man ſieht daraus: daß die<lb/>
Vernunft im Schließen die groſſe Mannigfaltigkeit der Er-<lb/>
kentniß des Verſtandes auf die kleinſte Zahl der Principien<lb/>
(allgemeiner Bedingungen) zu bringen und dadurch die<lb/>
hoͤchſte Einheit derſelben zu bewirken ſuche.</p></div><lb/><divn="5"><head><hirendition="#aq">C.</hi><lb/><hirendition="#b">Von dem reinen Gebrauche der Vernunft.</hi></head><lb/><p>Kan man die Vernunft iſoliren und iſt ſie alsdenn<lb/>
noch ein eigener Quell von Begriffen und Urtheilen, die<lb/>
lediglich aus ihr entſpringen, und dadurch ſie ſich auf Ge-<lb/>
genſtaͤnde bezieht, oder iſt ſie ein blos ſubalternes Ver-<lb/>
moͤgen, gegebenen Erkentniſſen eine gewiſſe Form zu ge-<lb/>
ben, welche logiſch heißt, und wodurch die Verſtandeser-<lb/>
kentniſſe nur einander und niedrige Regeln andern hoͤhern<lb/>
(deren Bedingung die Bedingung der erſteren in ihrer<lb/>
Sphaͤre befaßt) untergeordnet werden, ſo viel ſich durch<lb/>
die Vergleichung derſelben will bewerkſtelligen laſſen?<lb/>
Dies iſt die Frage, mit der wir uns iezt nur vorlaͤufig be-<lb/>ſchaͤftigen. In der That iſt Mannigfaltigkeit der Regeln und<lb/>
Einheit der Principien eine Forderung der Vernunft, um<lb/>
den Verſtand mit ſich ſelbſt in durchgaͤngigen Zuſammen-<lb/>
hang zu bringen, ſo wie der Verſtand das Mannigfaltige<lb/>
der Anſchauung unter Begriffe und dadurch iene in Ver-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">U</fw><fwplace="bottom"type="catch">knuͤp-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[305/0335]
Einleitung.
ſolche Bedingung und laͤßt ſich das Obiect des Schlußſatzes
unter der gegebenen Bedingung ſubſumiren, ſo iſt dieſer
aus der Regel, die auch vor andere Gegenſtaͤnde der
Erkentniß gilt, gefolgert. Man ſieht daraus: daß die
Vernunft im Schließen die groſſe Mannigfaltigkeit der Er-
kentniß des Verſtandes auf die kleinſte Zahl der Principien
(allgemeiner Bedingungen) zu bringen und dadurch die
hoͤchſte Einheit derſelben zu bewirken ſuche.
C.
Von dem reinen Gebrauche der Vernunft.
Kan man die Vernunft iſoliren und iſt ſie alsdenn
noch ein eigener Quell von Begriffen und Urtheilen, die
lediglich aus ihr entſpringen, und dadurch ſie ſich auf Ge-
genſtaͤnde bezieht, oder iſt ſie ein blos ſubalternes Ver-
moͤgen, gegebenen Erkentniſſen eine gewiſſe Form zu ge-
ben, welche logiſch heißt, und wodurch die Verſtandeser-
kentniſſe nur einander und niedrige Regeln andern hoͤhern
(deren Bedingung die Bedingung der erſteren in ihrer
Sphaͤre befaßt) untergeordnet werden, ſo viel ſich durch
die Vergleichung derſelben will bewerkſtelligen laſſen?
Dies iſt die Frage, mit der wir uns iezt nur vorlaͤufig be-
ſchaͤftigen. In der That iſt Mannigfaltigkeit der Regeln und
Einheit der Principien eine Forderung der Vernunft, um
den Verſtand mit ſich ſelbſt in durchgaͤngigen Zuſammen-
hang zu bringen, ſo wie der Verſtand das Mannigfaltige
der Anſchauung unter Begriffe und dadurch iene in Ver-
knuͤp-
U
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/335>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.