höchst verwerflich, die Gesetze über das, was ich thun soll, von demienigen herzunehmen, oder dadurch einschränken zu wollen, was gethan wird.
Statt aller dieser Betrachtungen, deren gehörige Ausführung in der That die eigenthümliche Würde der Philosophie ausmacht, beschäftigen wir uns iezt mit einer nicht so glänzenden, aber doch auch nicht verdienstlosen Ar- beit, nemlich: den Boden zu ienen maiestätischen sittlichen Gebäuden eben und baufest zu machen, in welchem sich allerley Maulwurfsgänge einer vergeblich, aber mit guter Zuversicht auf Schätze grabenden Vernunft, vorfinden und die ienes Bauwerk unsicher machen. Der transscendentale Gebrauch der reinen Vernunft, ihre Principien und Ideen sind es also, welche genau zu kennen uns iezt obliegt, um den Einfluß der reinen Vernunft und den Werth derselben gehörig bestimmen und schätzen zu können. Doch ehe ich diese vorläufige Einleitung bey Seite lege, ersuche ich die- ienige, denen Philosophie am Hertzen liegt, (welches mehr gesagt ist als man gemeiniglich antrift) wenn sie sich durch dieses und das Nachfolgende, überzeugt finden sollten, den Ausdruck Idee seiner ursprünglichen Bedeutung nach in Schutz zu nehmen, [da]mit er nicht fernerhin unter die übrige Ausdrücke, womit gewöhnlich allerley Vorstellungs- arten in sorgloser Unordnung bezeichnet werden, gerathe und die Wissenschaft dabey einbüsse. Fehlt es uns doch nicht an Benennungen, die ieder Vorstellungsart gehörig angemessen sind, ohne daß wir nöthig haben, in das Eigen-
thum
I. Abſchnitt. Von den Ideen uͤberhaupt.
hoͤchſt verwerflich, die Geſetze uͤber das, was ich thun ſoll, von demienigen herzunehmen, oder dadurch einſchraͤnken zu wollen, was gethan wird.
Statt aller dieſer Betrachtungen, deren gehoͤrige Ausfuͤhrung in der That die eigenthuͤmliche Wuͤrde der Philoſophie ausmacht, beſchaͤftigen wir uns iezt mit einer nicht ſo glaͤnzenden, aber doch auch nicht verdienſtloſen Ar- beit, nemlich: den Boden zu ienen maieſtaͤtiſchen ſittlichen Gebaͤuden eben und baufeſt zu machen, in welchem ſich allerley Maulwurfsgaͤnge einer vergeblich, aber mit guter Zuverſicht auf Schaͤtze grabenden Vernunft, vorfinden und die ienes Bauwerk unſicher machen. Der transſcendentale Gebrauch der reinen Vernunft, ihre Principien und Ideen ſind es alſo, welche genau zu kennen uns iezt obliegt, um den Einfluß der reinen Vernunft und den Werth derſelben gehoͤrig beſtimmen und ſchaͤtzen zu koͤnnen. Doch ehe ich dieſe vorlaͤufige Einleitung bey Seite lege, erſuche ich die- ienige, denen Philoſophie am Hertzen liegt, (welches mehr geſagt iſt als man gemeiniglich antrift) wenn ſie ſich durch dieſes und das Nachfolgende, uͤberzeugt finden ſollten, den Ausdruck Idee ſeiner urſpruͤnglichen Bedeutung nach in Schutz zu nehmen, [da]mit er nicht fernerhin unter die uͤbrige Ausdruͤcke, womit gewoͤhnlich allerley Vorſtellungs- arten in ſorgloſer Unordnung bezeichnet werden, gerathe und die Wiſſenſchaft dabey einbuͤſſe. Fehlt es uns doch nicht an Benennungen, die ieder Vorſtellungsart gehoͤrig angemeſſen ſind, ohne daß wir noͤthig haben, in das Eigen-
thum
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0349"n="319"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">I.</hi> Abſchnitt. Von den Ideen uͤberhaupt.</fw><lb/>
hoͤchſt verwerflich, die Geſetze uͤber das, was ich thun ſoll,<lb/>
von demienigen herzunehmen, oder dadurch einſchraͤnken<lb/>
zu wollen, was gethan wird.</p><lb/><p>Statt aller dieſer Betrachtungen, deren gehoͤrige<lb/>
Ausfuͤhrung in der That die eigenthuͤmliche Wuͤrde der<lb/>
Philoſophie ausmacht, beſchaͤftigen wir uns iezt mit einer<lb/>
nicht ſo glaͤnzenden, aber doch auch nicht verdienſtloſen Ar-<lb/>
beit, nemlich: den Boden zu ienen maieſtaͤtiſchen ſittlichen<lb/>
Gebaͤuden eben und baufeſt zu machen, in welchem ſich<lb/>
allerley Maulwurfsgaͤnge einer vergeblich, aber mit guter<lb/>
Zuverſicht auf Schaͤtze grabenden Vernunft, vorfinden und<lb/>
die ienes Bauwerk unſicher machen. Der transſcendentale<lb/>
Gebrauch der reinen Vernunft, ihre Principien und Ideen<lb/>ſind es alſo, welche genau zu kennen uns iezt obliegt, um<lb/>
den Einfluß der reinen Vernunft und den Werth derſelben<lb/>
gehoͤrig beſtimmen und ſchaͤtzen zu koͤnnen. Doch ehe ich<lb/>
dieſe vorlaͤufige Einleitung bey Seite lege, erſuche ich die-<lb/>
ienige, denen Philoſophie am Hertzen liegt, (welches mehr<lb/>
geſagt iſt als man gemeiniglich antrift) wenn ſie ſich durch<lb/>
dieſes und das Nachfolgende, uͤberzeugt finden ſollten, den<lb/>
Ausdruck Idee ſeiner urſpruͤnglichen Bedeutung nach in<lb/>
Schutz zu nehmen, <supplied>da</supplied>mit er nicht fernerhin unter die<lb/>
uͤbrige Ausdruͤcke, womit gewoͤhnlich allerley Vorſtellungs-<lb/>
arten in ſorgloſer Unordnung bezeichnet werden, gerathe<lb/>
und die Wiſſenſchaft dabey einbuͤſſe. Fehlt es uns doch<lb/>
nicht an Benennungen, die ieder Vorſtellungsart gehoͤrig<lb/>
angemeſſen ſind, ohne daß wir noͤthig haben, in das Eigen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">thum</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[319/0349]
I. Abſchnitt. Von den Ideen uͤberhaupt.
hoͤchſt verwerflich, die Geſetze uͤber das, was ich thun ſoll,
von demienigen herzunehmen, oder dadurch einſchraͤnken
zu wollen, was gethan wird.
Statt aller dieſer Betrachtungen, deren gehoͤrige
Ausfuͤhrung in der That die eigenthuͤmliche Wuͤrde der
Philoſophie ausmacht, beſchaͤftigen wir uns iezt mit einer
nicht ſo glaͤnzenden, aber doch auch nicht verdienſtloſen Ar-
beit, nemlich: den Boden zu ienen maieſtaͤtiſchen ſittlichen
Gebaͤuden eben und baufeſt zu machen, in welchem ſich
allerley Maulwurfsgaͤnge einer vergeblich, aber mit guter
Zuverſicht auf Schaͤtze grabenden Vernunft, vorfinden und
die ienes Bauwerk unſicher machen. Der transſcendentale
Gebrauch der reinen Vernunft, ihre Principien und Ideen
ſind es alſo, welche genau zu kennen uns iezt obliegt, um
den Einfluß der reinen Vernunft und den Werth derſelben
gehoͤrig beſtimmen und ſchaͤtzen zu koͤnnen. Doch ehe ich
dieſe vorlaͤufige Einleitung bey Seite lege, erſuche ich die-
ienige, denen Philoſophie am Hertzen liegt, (welches mehr
geſagt iſt als man gemeiniglich antrift) wenn ſie ſich durch
dieſes und das Nachfolgende, uͤberzeugt finden ſollten, den
Ausdruck Idee ſeiner urſpruͤnglichen Bedeutung nach in
Schutz zu nehmen, damit er nicht fernerhin unter die
uͤbrige Ausdruͤcke, womit gewoͤhnlich allerley Vorſtellungs-
arten in ſorgloſer Unordnung bezeichnet werden, gerathe
und die Wiſſenſchaft dabey einbuͤſſe. Fehlt es uns doch
nicht an Benennungen, die ieder Vorſtellungsart gehoͤrig
angemeſſen ſind, ohne daß wir noͤthig haben, in das Eigen-
thum
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/349>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.