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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch.

Indem wir aber hier von der Totalität der Bedin-
gungen und dem Unbedingten, als dem gemeinschaftlichen
Titel aller Vernunftbegriffe reden, so stoßen wir wiederum
auf einen Ausdruck, den wir nicht entbehren und gleich-
wol, nach einer ihm durch langen Mißbrauch anhängen-
den Zweideutigkeit, nicht sicher brauchen können. Das
Wort absolut ist eines von den wenigen Wörtern, die in
ihrer uranfänglichen Bedeutung einem Begriffe angemessen
worden, welchem nach der Hand gar kein anderes Wort
eben derselben Sprache genau anpaßt, und dessen Ver-
lust, oder welches eben so viel ist, sein schwankender Ge-
brauch daher auch den Verlust des Begriffs selbst nach
sich ziehen muß, und zwar eines Begriffs, der, weil er
die Vernunft gar sehr beschäftigt, ohne großen Nachtheil
aller transscendentalen Beurtheilungen nicht entbehrt wer-
den kan. Das Wort absolut wird iezt öfters gebraucht,
um blos anzuzeigen: daß etwas von einer Sache an sich
selbst betrachtet und also innerlich gelte. In dieser Be-
deutung würde absolutmöglich das bedeuten, was an sich
selbst (interne) möglich ist, welches in der That das we-
nigste ist, was man von einem Gegenstande sagen kan.
Dagegen wird es auch bisweilen gebraucht, um anzuzeigen,
daß etwas in aller Beziehung (uneingeschränkt) gültig ist,
(z. B. die absolute Herrschaft) und absolutmöglich würde
in dieser Bedeutung dasienige bedeuten, was in aller Ab-
sicht in aller Beziehung möglich ist, welches wiederum
das meiste ist, was ich über die Möglichkeit eines Din-

ges
Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch.

Indem wir aber hier von der Totalitaͤt der Bedin-
gungen und dem Unbedingten, als dem gemeinſchaftlichen
Titel aller Vernunftbegriffe reden, ſo ſtoßen wir wiederum
auf einen Ausdruck, den wir nicht entbehren und gleich-
wol, nach einer ihm durch langen Mißbrauch anhaͤngen-
den Zweideutigkeit, nicht ſicher brauchen koͤnnen. Das
Wort abſolut iſt eines von den wenigen Woͤrtern, die in
ihrer uranfaͤnglichen Bedeutung einem Begriffe angemeſſen
worden, welchem nach der Hand gar kein anderes Wort
eben derſelben Sprache genau anpaßt, und deſſen Ver-
luſt, oder welches eben ſo viel iſt, ſein ſchwankender Ge-
brauch daher auch den Verluſt des Begriffs ſelbſt nach
ſich ziehen muß, und zwar eines Begriffs, der, weil er
die Vernunft gar ſehr beſchaͤftigt, ohne großen Nachtheil
aller transſcendentalen Beurtheilungen nicht entbehrt wer-
den kan. Das Wort abſolut wird iezt oͤfters gebraucht,
um blos anzuzeigen: daß etwas von einer Sache an ſich
ſelbſt betrachtet und alſo innerlich gelte. In dieſer Be-
deutung wuͤrde abſolutmoͤglich das bedeuten, was an ſich
ſelbſt (interne) moͤglich iſt, welches in der That das we-
nigſte iſt, was man von einem Gegenſtande ſagen kan.
Dagegen wird es auch bisweilen gebraucht, um anzuzeigen,
daß etwas in aller Beziehung (uneingeſchraͤnkt) guͤltig iſt,
(z. B. die abſolute Herrſchaft) und abſolutmoͤglich wuͤrde
in dieſer Bedeutung dasienige bedeuten, was in aller Ab-
ſicht in aller Beziehung moͤglich iſt, welches wiederum
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ges
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[324/0354] Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch. Indem wir aber hier von der Totalitaͤt der Bedin- gungen und dem Unbedingten, als dem gemeinſchaftlichen Titel aller Vernunftbegriffe reden, ſo ſtoßen wir wiederum auf einen Ausdruck, den wir nicht entbehren und gleich- wol, nach einer ihm durch langen Mißbrauch anhaͤngen- den Zweideutigkeit, nicht ſicher brauchen koͤnnen. Das Wort abſolut iſt eines von den wenigen Woͤrtern, die in ihrer uranfaͤnglichen Bedeutung einem Begriffe angemeſſen worden, welchem nach der Hand gar kein anderes Wort eben derſelben Sprache genau anpaßt, und deſſen Ver- luſt, oder welches eben ſo viel iſt, ſein ſchwankender Ge- brauch daher auch den Verluſt des Begriffs ſelbſt nach ſich ziehen muß, und zwar eines Begriffs, der, weil er die Vernunft gar ſehr beſchaͤftigt, ohne großen Nachtheil aller transſcendentalen Beurtheilungen nicht entbehrt wer- den kan. Das Wort abſolut wird iezt oͤfters gebraucht, um blos anzuzeigen: daß etwas von einer Sache an ſich ſelbſt betrachtet und alſo innerlich gelte. In dieſer Be- deutung wuͤrde abſolutmoͤglich das bedeuten, was an ſich ſelbſt (interne) moͤglich iſt, welches in der That das we- nigſte iſt, was man von einem Gegenſtande ſagen kan. Dagegen wird es auch bisweilen gebraucht, um anzuzeigen, daß etwas in aller Beziehung (uneingeſchraͤnkt) guͤltig iſt, (z. B. die abſolute Herrſchaft) und abſolutmoͤglich wuͤrde in dieſer Bedeutung dasienige bedeuten, was in aller Ab- ſicht in aller Beziehung moͤglich iſt, welches wiederum das meiſte iſt, was ich uͤber die Moͤglichkeit eines Din- ges

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/354>, abgerufen am 22.11.2024.