Vernunft ist das Vermögen der Principien. Die Behauptungen der reinen Psychologie enthalten nicht em- pirische Prädicate von der Seele, sondern solche, die, wenn sie statt finden, den Gegenstand an sich selbst unab- hängig von der Erfahrung, mithin durch blosse Vernunft bestimmen sollen. Sie müßten also billig auf Principien und allgemeine Begriffe von denkenden Naturen überhaupt gegründet seyn. An dessen Statt findet sich: daß die einzelne Vorstellung, Ich bin, sie insgesamt regirt, welche eben darum, weil sie die reine Formel aller meiner Er- fahrung (unbestimt) ausdrückt, sich wie ein allgemeiner Satz, der vor alle denkende Wesen gelte, ankündigt, und, da er gleichwol in aller Absicht einzeln ist, den Schein einer absoluten Einheit der Bedingungen des Denkens überhaupt bey sich führt, und dadurch sich weiter aus- breitet, als mögliche Erfahrung reichen könte.
Der Transscendentalen Dialectik Zweites Buch. Zweites Hauptstück. Die Antinomie der reinen Vernunft.
Wir haben in der Einleitung zu diesem Theile unseres Werks gezeigt: daß aller transscendentale Schein der reinen Vernunft auf dialectischen Schlüssen beruhe, de- ren Schema die Logik in den drey formalen Arten der Ver-
nunft-
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II. Hauptſt. Die Antinomie d. r. Vernunft.
Vernunft iſt das Vermoͤgen der Principien. Die Behauptungen der reinen Pſychologie enthalten nicht em- piriſche Praͤdicate von der Seele, ſondern ſolche, die, wenn ſie ſtatt finden, den Gegenſtand an ſich ſelbſt unab- haͤngig von der Erfahrung, mithin durch bloſſe Vernunft beſtimmen ſollen. Sie muͤßten alſo billig auf Principien und allgemeine Begriffe von denkenden Naturen uͤberhaupt gegruͤndet ſeyn. An deſſen Statt findet ſich: daß die einzelne Vorſtellung, Ich bin, ſie insgeſamt regirt, welche eben darum, weil ſie die reine Formel aller meiner Er- fahrung (unbeſtimt) ausdruͤckt, ſich wie ein allgemeiner Satz, der vor alle denkende Weſen gelte, ankuͤndigt, und, da er gleichwol in aller Abſicht einzeln iſt, den Schein einer abſoluten Einheit der Bedingungen des Denkens uͤberhaupt bey ſich fuͤhrt, und dadurch ſich weiter aus- breitet, als moͤgliche Erfahrung reichen koͤnte.
Der Transſcendentalen Dialectik Zweites Buch. Zweites Hauptſtuͤck. Die Antinomie der reinen Vernunft.
Wir haben in der Einleitung zu dieſem Theile unſeres Werks gezeigt: daß aller transſcendentale Schein der reinen Vernunft auf dialectiſchen Schluͤſſen beruhe, de- ren Schema die Logik in den drey formalen Arten der Ver-
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II. Hauptſt. Die Antinomie d. r. Vernunft.
Vernunft iſt das Vermoͤgen der Principien. Die
Behauptungen der reinen Pſychologie enthalten nicht em-
piriſche Praͤdicate von der Seele, ſondern ſolche, die,
wenn ſie ſtatt finden, den Gegenſtand an ſich ſelbſt unab-
haͤngig von der Erfahrung, mithin durch bloſſe Vernunft
beſtimmen ſollen. Sie muͤßten alſo billig auf Principien
und allgemeine Begriffe von denkenden Naturen uͤberhaupt
gegruͤndet ſeyn. An deſſen Statt findet ſich: daß die
einzelne Vorſtellung, Ich bin, ſie insgeſamt regirt, welche
eben darum, weil ſie die reine Formel aller meiner Er-
fahrung (unbeſtimt) ausdruͤckt, ſich wie ein allgemeiner
Satz, der vor alle denkende Weſen gelte, ankuͤndigt, und,
da er gleichwol in aller Abſicht einzeln iſt, den Schein
einer abſoluten Einheit der Bedingungen des Denkens
uͤberhaupt bey ſich fuͤhrt, und dadurch ſich weiter aus-
breitet, als moͤgliche Erfahrung reichen koͤnte.
Der
Transſcendentalen Dialectik
Zweites Buch.
Zweites Hauptſtuͤck.
Die Antinomie der reinen Vernunft.
Wir haben in der Einleitung zu dieſem Theile unſeres
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/435>, abgerufen am 22.11.2024.
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