sache. Der erste Beweis ist der physicotheologische, der zweite der cosmologische, der dritte der ontologische Be- weis. Mehr giebt es ihrer nicht und mehr kann es auch nicht geben.
Ich werde darthun: daß die Vernunft, auf dem einen Wege (dem empirischen) so wenig als auf dem an- deren, (dem transscendentalen) etwas ausrichte und daß sie vergeblich ihre Flügel ausspanne, um über die Sinnen- welt durch die blosse Macht der Speculation hinaus zu kommen. Was aber die Ordnung betrift, in welcher die- se Beweisarten der Prüfung vorgelegt werden müssen, so wird sie gerade die umgekehrte von derienigen seyn, welche die sich nach und nach erweiternde Vernunft nimt und in der wir sie auch zuerst gestellt haben. Denn es wird sich zeigen: daß, obgleich Erfahrung den ersten Anlaß dazu giebt, dennoch blos der transscendentale Begriff die Vernunft in dieser ihrer Bestrebung leite und in allen solchen Versuchen das Ziel ausstecke, das sie sich vorgesezt hat. Ich werde also von der Prüfung des transscenden- talen Beweises anfangen und nachher sehen, was der Zu- satz des Empirischen zur Vergrösserung seiner Beweiskraft thun könne.
Des
III. Abſch. Von den Beweiſen des Daſeyns ꝛc.
ſache. Der erſte Beweis iſt der phyſicotheologiſche, der zweite der cosmologiſche, der dritte der ontologiſche Be- weis. Mehr giebt es ihrer nicht und mehr kann es auch nicht geben.
Ich werde darthun: daß die Vernunft, auf dem einen Wege (dem empiriſchen) ſo wenig als auf dem an- deren, (dem transſcendentalen) etwas ausrichte und daß ſie vergeblich ihre Fluͤgel ausſpanne, um uͤber die Sinnen- welt durch die bloſſe Macht der Speculation hinaus zu kommen. Was aber die Ordnung betrift, in welcher die- ſe Beweisarten der Pruͤfung vorgelegt werden muͤſſen, ſo wird ſie gerade die umgekehrte von derienigen ſeyn, welche die ſich nach und nach erweiternde Vernunft nimt und in der wir ſie auch zuerſt geſtellt haben. Denn es wird ſich zeigen: daß, obgleich Erfahrung den erſten Anlaß dazu giebt, dennoch blos der transſcendentale Begriff die Vernunft in dieſer ihrer Beſtrebung leite und in allen ſolchen Verſuchen das Ziel ausſtecke, das ſie ſich vorgeſezt hat. Ich werde alſo von der Pruͤfung des transſcenden- talen Beweiſes anfangen und nachher ſehen, was der Zu- ſatz des Empiriſchen zur Vergroͤſſerung ſeiner Beweiskraft thun koͤnne.
Des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0621"n="591"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">III.</hi> Abſch. Von den Beweiſen des Daſeyns ꝛc.</fw><lb/>ſache. Der erſte Beweis iſt der <hirendition="#fr">phyſicotheologiſche</hi>, der<lb/>
zweite der <hirendition="#fr">cosmologiſche</hi>, der dritte der <hirendition="#fr">ontologiſche</hi> Be-<lb/>
weis. Mehr giebt es ihrer nicht und mehr kann es auch<lb/>
nicht geben.</p><lb/><p>Ich werde darthun: daß die Vernunft, auf dem<lb/>
einen Wege (dem empiriſchen) ſo wenig als auf dem an-<lb/>
deren, (dem transſcendentalen) etwas ausrichte und daß<lb/>ſie vergeblich ihre Fluͤgel ausſpanne, um uͤber die Sinnen-<lb/>
welt durch die bloſſe Macht der Speculation hinaus zu<lb/>
kommen. Was aber die Ordnung betrift, in welcher die-<lb/>ſe Beweisarten der Pruͤfung vorgelegt werden muͤſſen, ſo<lb/>
wird ſie gerade die umgekehrte von derienigen ſeyn, welche<lb/>
die ſich nach und nach erweiternde Vernunft nimt und in<lb/>
der wir ſie auch zuerſt geſtellt haben. Denn es wird ſich<lb/>
zeigen: daß, obgleich Erfahrung den erſten Anlaß dazu<lb/>
giebt, dennoch blos der <hirendition="#fr">transſcendentale Begriff</hi><lb/>
die Vernunft in dieſer ihrer Beſtrebung leite und in allen<lb/>ſolchen Verſuchen das Ziel ausſtecke, das ſie ſich vorgeſezt<lb/>
hat. Ich werde alſo von der Pruͤfung des transſcenden-<lb/>
talen Beweiſes anfangen und nachher ſehen, was der Zu-<lb/>ſatz des Empiriſchen zur Vergroͤſſerung ſeiner Beweiskraft<lb/>
thun koͤnne.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="catch">Des</fw><lb/></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[591/0621]
III. Abſch. Von den Beweiſen des Daſeyns ꝛc.
ſache. Der erſte Beweis iſt der phyſicotheologiſche, der
zweite der cosmologiſche, der dritte der ontologiſche Be-
weis. Mehr giebt es ihrer nicht und mehr kann es auch
nicht geben.
Ich werde darthun: daß die Vernunft, auf dem
einen Wege (dem empiriſchen) ſo wenig als auf dem an-
deren, (dem transſcendentalen) etwas ausrichte und daß
ſie vergeblich ihre Fluͤgel ausſpanne, um uͤber die Sinnen-
welt durch die bloſſe Macht der Speculation hinaus zu
kommen. Was aber die Ordnung betrift, in welcher die-
ſe Beweisarten der Pruͤfung vorgelegt werden muͤſſen, ſo
wird ſie gerade die umgekehrte von derienigen ſeyn, welche
die ſich nach und nach erweiternde Vernunft nimt und in
der wir ſie auch zuerſt geſtellt haben. Denn es wird ſich
zeigen: daß, obgleich Erfahrung den erſten Anlaß dazu
giebt, dennoch blos der transſcendentale Begriff
die Vernunft in dieſer ihrer Beſtrebung leite und in allen
ſolchen Verſuchen das Ziel ausſtecke, das ſie ſich vorgeſezt
hat. Ich werde alſo von der Pruͤfung des transſcenden-
talen Beweiſes anfangen und nachher ſehen, was der Zu-
ſatz des Empiriſchen zur Vergroͤſſerung ſeiner Beweiskraft
thun koͤnne.
Des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/621>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.