IV. Absch. Unmöglichkeit eines ontolog. Beweises etc.
dieses Ding nun aufgehoben, so wird die innere Mög- lichkeit des Dinges aufgehoben, welches widersprechend ist.
Ich antworte: Ihr habt schon einen Widerspruch begangen, wenn ihr in den Begriff eines Dinges, wel- ches ihr lediglich seiner Möglichkeit nach denken woltet, es sey unter welchem versteckten Namen, schon den Begriff seiner Existenz hinein brachtet. Räumet man euch dieses ein, so habt ihr dem Scheine nach gewonnen Spiel, in der That aber nichts gesagt; denn ihr habt eine blosse Tavtologie begangen. Ich frage euch, ist der Satz: dieses oder ienes Ding (welches ich euch als möglich ein- räume, es mag seyn, welches es wolle) existirt, ist, sage ich, dieser Satz ein analytischer oder synthetischer Satz? Wenn er das erstere ist, so thut ihr durch das Daseyn des Dinges zu eurem Gedanken von dem Dinge nichts hinzu, aber alsdenn müßte entweder der Gedanke, der in euch ist, das Ding selber seyn, oder ihr habt ein Daseyn, als zur Möglichkeit gehörig, vorausgesezt und alsdenn das Da- seyn dem Vorgeben nach aus der inneren Möglichkeit ge- schlossen, welches nichts, als eine elende Tavtologie ist. Das Wort: Realität, welches im Begriffe des Dinges an- ders klingt, als Existenz im Begriffe des Prädicats, macht es nicht aus. Denn, wenn ihr auch alles Setzen (unbestimt was ihr sezt) Realität nent, so habt ihr das Ding schon mit allen seinen Prädicaten im Begriffe des Subiects ge- sezt und als wirklich angenommen und im Prädicate wie-
derholt
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IV. Abſch. Unmoͤglichkeit eines ontolog. Beweiſes ꝛc.
dieſes Ding nun aufgehoben, ſo wird die innere Moͤg- lichkeit des Dinges aufgehoben, welches widerſprechend iſt.
Ich antworte: Ihr habt ſchon einen Widerſpruch begangen, wenn ihr in den Begriff eines Dinges, wel- ches ihr lediglich ſeiner Moͤglichkeit nach denken woltet, es ſey unter welchem verſteckten Namen, ſchon den Begriff ſeiner Exiſtenz hinein brachtet. Raͤumet man euch dieſes ein, ſo habt ihr dem Scheine nach gewonnen Spiel, in der That aber nichts geſagt; denn ihr habt eine bloſſe Tavtologie begangen. Ich frage euch, iſt der Satz: dieſes oder ienes Ding (welches ich euch als moͤglich ein- raͤume, es mag ſeyn, welches es wolle) exiſtirt, iſt, ſage ich, dieſer Satz ein analytiſcher oder ſynthetiſcher Satz? Wenn er das erſtere iſt, ſo thut ihr durch das Daſeyn des Dinges zu eurem Gedanken von dem Dinge nichts hinzu, aber alsdenn muͤßte entweder der Gedanke, der in euch iſt, das Ding ſelber ſeyn, oder ihr habt ein Daſeyn, als zur Moͤglichkeit gehoͤrig, vorausgeſezt und alsdenn das Da- ſeyn dem Vorgeben nach aus der inneren Moͤglichkeit ge- ſchloſſen, welches nichts, als eine elende Tavtologie iſt. Das Wort: Realitaͤt, welches im Begriffe des Dinges an- ders klingt, als Exiſtenz im Begriffe des Praͤdicats, macht es nicht aus. Denn, wenn ihr auch alles Setzen (unbeſtimt was ihr ſezt) Realitaͤt nent, ſo habt ihr das Ding ſchon mit allen ſeinen Praͤdicaten im Begriffe des Subiects ge- ſezt und als wirklich angenommen und im Praͤdicate wie-
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IV. Abſch. Unmoͤglichkeit eines ontolog. Beweiſes ꝛc.
dieſes Ding nun aufgehoben, ſo wird die innere Moͤg-
lichkeit des Dinges aufgehoben, welches widerſprechend
iſt.
Ich antworte: Ihr habt ſchon einen Widerſpruch
begangen, wenn ihr in den Begriff eines Dinges, wel-
ches ihr lediglich ſeiner Moͤglichkeit nach denken woltet, es
ſey unter welchem verſteckten Namen, ſchon den Begriff
ſeiner Exiſtenz hinein brachtet. Raͤumet man euch dieſes
ein, ſo habt ihr dem Scheine nach gewonnen Spiel, in
der That aber nichts geſagt; denn ihr habt eine bloſſe
Tavtologie begangen. Ich frage euch, iſt der Satz:
dieſes oder ienes Ding (welches ich euch als moͤglich ein-
raͤume, es mag ſeyn, welches es wolle) exiſtirt, iſt, ſage
ich, dieſer Satz ein analytiſcher oder ſynthetiſcher Satz?
Wenn er das erſtere iſt, ſo thut ihr durch das Daſeyn des
Dinges zu eurem Gedanken von dem Dinge nichts hinzu,
aber alsdenn muͤßte entweder der Gedanke, der in euch
iſt, das Ding ſelber ſeyn, oder ihr habt ein Daſeyn, als
zur Moͤglichkeit gehoͤrig, vorausgeſezt und alsdenn das Da-
ſeyn dem Vorgeben nach aus der inneren Moͤglichkeit ge-
ſchloſſen, welches nichts, als eine elende Tavtologie iſt.
Das Wort: Realitaͤt, welches im Begriffe des Dinges an-
ders klingt, als Exiſtenz im Begriffe des Praͤdicats, macht
es nicht aus. Denn, wenn ihr auch alles Setzen (unbeſtimt
was ihr ſezt) Realitaͤt nent, ſo habt ihr das Ding ſchon
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/627>, abgerufen am 22.11.2024.
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