V. Absch. Unmöglichkeit eines cosmol. Beweises etc.
bewiesen ist, daß sie da sey, so ist die Frage wegen ihrer Möglichkeit ganz unnöthig. Wollen wir nun dieses noth- wendige Wesen nach seiner Beschaffenheit näher bestimmen, so suchen wir nicht dasienige, was hinreichend ist, aus seinem Begriffe die Nothwendigkeit des Daseyns zu be- greifen, denn könten wir dieses, so hätten wir keine em- pirische Voraussetzung nöthig; nein, wir suchen nur die negative Bedingung, (conditio sine qua non), ohne welche ein Wesen nicht absolutnothwendig seyn würde. Nun würde das in aller anderen Art von Schlüssen, aus einer gegebenen Folge auf ihren Grund, wol angehen; es trift sich aber hier unglücklicher Weise, daß die Be- dingung, die man zur absoluten Nothwendigkeit fodert, nur in einem einzigen Wesen angetroffen werden kan, welches daher in seinem Begriffe alles, was zur absoluten Nothwendigkeit erfoderlich ist, enthalten müßte, und also einen Schluß a priori auf dieselbe möglich macht, d. i. ich müßte auch umgekehrt schliessen können: welchem Din- ge dieser Begriff (der höchsten Realität) zukomt, das ist schlechterdings nothwendig und, kan ich so nicht schliessen, (wie ich denn dieses gestehen muß, wenn ich den ontolo- gischen Beweis vermeiden will), so bin ich auch auf mei- nem neuen Wege verunglückt und befinde mich wiederum da, von wo ich ausging. Der Begriff des höchsten We- sens thut wol allen Fragen a priori ein Gnüge, die we- gen der inneren Bestimmungen eines Dinges können auf- geworfen werden, und ist darum auch ein Ideal ohne
Gleichen,
Q q 2
V. Abſch. Unmoͤglichkeit eines cosmol. Beweiſes ꝛc.
bewieſen iſt, daß ſie da ſey, ſo iſt die Frage wegen ihrer Moͤglichkeit ganz unnoͤthig. Wollen wir nun dieſes noth- wendige Weſen nach ſeiner Beſchaffenheit naͤher beſtimmen, ſo ſuchen wir nicht dasienige, was hinreichend iſt, aus ſeinem Begriffe die Nothwendigkeit des Daſeyns zu be- greifen, denn koͤnten wir dieſes, ſo haͤtten wir keine em- piriſche Vorausſetzung noͤthig; nein, wir ſuchen nur die negative Bedingung, (conditio ſine qua non), ohne welche ein Weſen nicht abſolutnothwendig ſeyn wuͤrde. Nun wuͤrde das in aller anderen Art von Schluͤſſen, aus einer gegebenen Folge auf ihren Grund, wol angehen; es trift ſich aber hier ungluͤcklicher Weiſe, daß die Be- dingung, die man zur abſoluten Nothwendigkeit fodert, nur in einem einzigen Weſen angetroffen werden kan, welches daher in ſeinem Begriffe alles, was zur abſoluten Nothwendigkeit erfoderlich iſt, enthalten muͤßte, und alſo einen Schluß a priori auf dieſelbe moͤglich macht, d. i. ich muͤßte auch umgekehrt ſchlieſſen koͤnnen: welchem Din- ge dieſer Begriff (der hoͤchſten Realitaͤt) zukomt, das iſt ſchlechterdings nothwendig und, kan ich ſo nicht ſchlieſſen, (wie ich denn dieſes geſtehen muß, wenn ich den ontolo- giſchen Beweis vermeiden will), ſo bin ich auch auf mei- nem neuen Wege verungluͤckt und befinde mich wiederum da, von wo ich ausging. Der Begriff des hoͤchſten We- ſens thut wol allen Fragen a priori ein Gnuͤge, die we- gen der inneren Beſtimmungen eines Dinges koͤnnen auf- geworfen werden, und iſt darum auch ein Ideal ohne
Gleichen,
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V. Abſch. Unmoͤglichkeit eines cosmol. Beweiſes ꝛc.
bewieſen iſt, daß ſie da ſey, ſo iſt die Frage wegen ihrer
Moͤglichkeit ganz unnoͤthig. Wollen wir nun dieſes noth-
wendige Weſen nach ſeiner Beſchaffenheit naͤher beſtimmen,
ſo ſuchen wir nicht dasienige, was hinreichend iſt, aus
ſeinem Begriffe die Nothwendigkeit des Daſeyns zu be-
greifen, denn koͤnten wir dieſes, ſo haͤtten wir keine em-
piriſche Vorausſetzung noͤthig; nein, wir ſuchen nur die
negative Bedingung, (conditio ſine qua non), ohne
welche ein Weſen nicht abſolutnothwendig ſeyn wuͤrde.
Nun wuͤrde das in aller anderen Art von Schluͤſſen, aus
einer gegebenen Folge auf ihren Grund, wol angehen;
es trift ſich aber hier ungluͤcklicher Weiſe, daß die Be-
dingung, die man zur abſoluten Nothwendigkeit fodert,
nur in einem einzigen Weſen angetroffen werden kan,
welches daher in ſeinem Begriffe alles, was zur abſoluten
Nothwendigkeit erfoderlich iſt, enthalten muͤßte, und alſo
einen Schluß a priori auf dieſelbe moͤglich macht, d. i.
ich muͤßte auch umgekehrt ſchlieſſen koͤnnen: welchem Din-
ge dieſer Begriff (der hoͤchſten Realitaͤt) zukomt, das iſt
ſchlechterdings nothwendig und, kan ich ſo nicht ſchlieſſen,
(wie ich denn dieſes geſtehen muß, wenn ich den ontolo-
giſchen Beweis vermeiden will), ſo bin ich auch auf mei-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/641>, abgerufen am 22.11.2024.
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