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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie.
Beobachtungen von ihr nicht unterschieden werden kan. So
kommen wir, nach Anleitung iener Principien, auf Ein-
heit der Gattungen dieser Bahnen in ihrer Gestalt, da-
durch aber weiter auf Einheit der Ursache aller Gesetze
ihrer Bewegung (die Gravitation), von da wir nachher
unsere Eroberungen ausdehnen und auch alle Varietäten
und scheinbare Abweichungen von ienen Regeln aus dem-
selben Princip zu erklären suchen, endlich gar mehr hinzu-
fügen, als Erfahrung iemals bestätigen kan, nemlich, uns
nach den Regeln der Verwandschaft selbst hyperbolische
Cometenbahnen zu denken, in welcher diese Cörper ganz
und gar unsere Sonnenwelt verlassen und, indem sie von
Sonne zu Sonne gehen, die entfernteren Theile eines vor
uns unbegränzten Weltsystems, das durch eine und die-
selbe bewegende Kraft zusammenhängt, in ihrem Laufe
vereinigen.

Was bey diesen Principien merkwürdig ist, und uns
auch allein beschäftigt, ist dieses: daß sie transscendental
zu seyn scheinen und, ob sie gleich blosse Ideen zur Befol-
gung des empirischen Gebrauchs der Vernunft enthalten,
denen der leztere nur gleichsam asymptotisch, d. i. blos an-
nähernd folgen kan, ohne sie iemals zu erreichen, sie gleich-
wol, als synthetische Sätze a priori, obiective aber unbe-
stimte Gültigkeit haben und zur Regel möglicher Erfahrung
dienen, auch wirklich in Bearbeitung derselben, als hevri-
stische Grundsätze, mit gutem Glücke gebraucht werden,
ohne daß man doch eine transscendentale Deduction der-

selben
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VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
Beobachtungen von ihr nicht unterſchieden werden kan. So
kommen wir, nach Anleitung iener Principien, auf Ein-
heit der Gattungen dieſer Bahnen in ihrer Geſtalt, da-
durch aber weiter auf Einheit der Urſache aller Geſetze
ihrer Bewegung (die Gravitation), von da wir nachher
unſere Eroberungen ausdehnen und auch alle Varietaͤten
und ſcheinbare Abweichungen von ienen Regeln aus dem-
ſelben Princip zu erklaͤren ſuchen, endlich gar mehr hinzu-
fuͤgen, als Erfahrung iemals beſtaͤtigen kan, nemlich, uns
nach den Regeln der Verwandſchaft ſelbſt hyperboliſche
Cometenbahnen zu denken, in welcher dieſe Coͤrper ganz
und gar unſere Sonnenwelt verlaſſen und, indem ſie von
Sonne zu Sonne gehen, die entfernteren Theile eines vor
uns unbegraͤnzten Weltſyſtems, das durch eine und die-
ſelbe bewegende Kraft zuſammenhaͤngt, in ihrem Laufe
vereinigen.

Was bey dieſen Principien merkwuͤrdig iſt, und uns
auch allein beſchaͤftigt, iſt dieſes: daß ſie transſcendental
zu ſeyn ſcheinen und, ob ſie gleich bloſſe Ideen zur Befol-
gung des empiriſchen Gebrauchs der Vernunft enthalten,
denen der leztere nur gleichſam aſymptotiſch, d. i. blos an-
naͤhernd folgen kan, ohne ſie iemals zu erreichen, ſie gleich-
wol, als ſynthetiſche Saͤtze a priori, obiective aber unbe-
ſtimte Guͤltigkeit haben und zur Regel moͤglicher Erfahrung
dienen, auch wirklich in Bearbeitung derſelben, als hevri-
ſtiſche Grundſaͤtze, mit gutem Gluͤcke gebraucht werden,
ohne daß man doch eine transſcendentale Deduction der-

ſelben
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[663/0693] VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie. Beobachtungen von ihr nicht unterſchieden werden kan. So kommen wir, nach Anleitung iener Principien, auf Ein- heit der Gattungen dieſer Bahnen in ihrer Geſtalt, da- durch aber weiter auf Einheit der Urſache aller Geſetze ihrer Bewegung (die Gravitation), von da wir nachher unſere Eroberungen ausdehnen und auch alle Varietaͤten und ſcheinbare Abweichungen von ienen Regeln aus dem- ſelben Princip zu erklaͤren ſuchen, endlich gar mehr hinzu- fuͤgen, als Erfahrung iemals beſtaͤtigen kan, nemlich, uns nach den Regeln der Verwandſchaft ſelbſt hyperboliſche Cometenbahnen zu denken, in welcher dieſe Coͤrper ganz und gar unſere Sonnenwelt verlaſſen und, indem ſie von Sonne zu Sonne gehen, die entfernteren Theile eines vor uns unbegraͤnzten Weltſyſtems, das durch eine und die- ſelbe bewegende Kraft zuſammenhaͤngt, in ihrem Laufe vereinigen. Was bey dieſen Principien merkwuͤrdig iſt, und uns auch allein beſchaͤftigt, iſt dieſes: daß ſie transſcendental zu ſeyn ſcheinen und, ob ſie gleich bloſſe Ideen zur Befol- gung des empiriſchen Gebrauchs der Vernunft enthalten, denen der leztere nur gleichſam aſymptotiſch, d. i. blos an- naͤhernd folgen kan, ohne ſie iemals zu erreichen, ſie gleich- wol, als ſynthetiſche Saͤtze a priori, obiective aber unbe- ſtimte Guͤltigkeit haben und zur Regel moͤglicher Erfahrung dienen, auch wirklich in Bearbeitung derſelben, als hevri- ſtiſche Grundſaͤtze, mit gutem Gluͤcke gebraucht werden, ohne daß man doch eine transſcendentale Deduction der- ſelben T t 4

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/693>, abgerufen am 22.11.2024.