Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
Ich will dieses deutlicher machen. Wir wollen den genanten Ideen als Principien zu Folge erstlich (in der Psychologie) alle Erscheinungen, Handlungen und Em- pfänglichkeit unseres Gemüths an dem Leitfaden der inne- ren Erfahrung so verknüpfen, als ob dasselbe eine einfache Substanz wäre, die, mit persönlicher Identität, beharr- lich (wenigstens im Leben) existirt, indessen daß ihre Zu- stände, zu welcher die des Cörpers nur als äussere Bedin- gungen gehören, continuirlich wechseln. Wir müssen zweitens (in der Cosmologie) die Bedingungen, der inne- ren sowol als der äusseren Naturerscheinungen, in einer solchen nirgend zu vollendenden Untersuchung verfolgen, als ob dieselbe an sich unendlich und ohne ein erstes oder oberstes Glied sey, obgleich wir darum, ausserhalb allen Erscheinungen, die blos intelligibele erste Gründe dersel- ben nicht läugnen, aber sie doch niemals in den Zusam- menhang der Naturerklärungen bringen dürfen, weil wir sie gar nicht kennen. Endlich und drittens müssen wir (in An- sehung der Theologie) alles, was nur immer in den Zusam- menhang der möglichen Erfahrung gehören mag, so betrach- ten, als ob diese eine absolute, aber durch und durch abhän- gige und immer noch innerhalb der Sinnenwelt bedingte Einheit ausmache, doch aber zugleich, als ob der Inbegriff aller Erscheinungen (die Sinnenwelt selbst) einen einzigen obersten und allgnugsamen Grund ausser ihrem Umfange ha- be, nemlich eine, gleichsam selbständige, ursprüngliche und schöpferische Vernunft, in Beziehung auf welche wir allen
empi-
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Ich will dieſes deutlicher machen. Wir wollen den genanten Ideen als Principien zu Folge erſtlich (in der Pſychologie) alle Erſcheinungen, Handlungen und Em- pfaͤnglichkeit unſeres Gemuͤths an dem Leitfaden der inne- ren Erfahrung ſo verknuͤpfen, als ob daſſelbe eine einfache Subſtanz waͤre, die, mit perſoͤnlicher Identitaͤt, beharr- lich (wenigſtens im Leben) exiſtirt, indeſſen daß ihre Zu- ſtaͤnde, zu welcher die des Coͤrpers nur als aͤuſſere Bedin- gungen gehoͤren, continuirlich wechſeln. Wir muͤſſen zweitens (in der Cosmologie) die Bedingungen, der inne- ren ſowol als der aͤuſſeren Naturerſcheinungen, in einer ſolchen nirgend zu vollendenden Unterſuchung verfolgen, als ob dieſelbe an ſich unendlich und ohne ein erſtes oder oberſtes Glied ſey, obgleich wir darum, auſſerhalb allen Erſcheinungen, die blos intelligibele erſte Gruͤnde derſel- ben nicht laͤugnen, aber ſie doch niemals in den Zuſam- menhang der Naturerklaͤrungen bringen duͤrfen, weil wir ſie gar nicht kennen. Endlich und drittens muͤſſen wir (in An- ſehung der Theologie) alles, was nur immer in den Zuſam- menhang der moͤglichen Erfahrung gehoͤren mag, ſo betrach- ten, als ob dieſe eine abſolute, aber durch und durch abhaͤn- gige und immer noch innerhalb der Sinnenwelt bedingte Einheit ausmache, doch aber zugleich, als ob der Inbegriff aller Erſcheinungen (die Sinnenwelt ſelbſt) einen einzigen oberſten und allgnugſamen Grund auſſer ihrem Umfange ha- be, nemlich eine, gleichſam ſelbſtaͤndige, urſpruͤngliche und ſchoͤpferiſche Vernunft, in Beziehung auf welche wir allen
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Ich will dieſes deutlicher machen. Wir wollen den
genanten Ideen als Principien zu Folge erſtlich (in der
Pſychologie) alle Erſcheinungen, Handlungen und Em-
pfaͤnglichkeit unſeres Gemuͤths an dem Leitfaden der inne-
ren Erfahrung ſo verknuͤpfen, als ob daſſelbe eine einfache
Subſtanz waͤre, die, mit perſoͤnlicher Identitaͤt, beharr-
lich (wenigſtens im Leben) exiſtirt, indeſſen daß ihre Zu-
ſtaͤnde, zu welcher die des Coͤrpers nur als aͤuſſere Bedin-
gungen gehoͤren, continuirlich wechſeln. Wir muͤſſen
zweitens (in der Cosmologie) die Bedingungen, der inne-
ren ſowol als der aͤuſſeren Naturerſcheinungen, in einer
ſolchen nirgend zu vollendenden Unterſuchung verfolgen,
als ob dieſelbe an ſich unendlich und ohne ein erſtes oder
oberſtes Glied ſey, obgleich wir darum, auſſerhalb allen
Erſcheinungen, die blos intelligibele erſte Gruͤnde derſel-
ben nicht laͤugnen, aber ſie doch niemals in den Zuſam-
menhang der Naturerklaͤrungen bringen duͤrfen, weil wir ſie
gar nicht kennen. Endlich und drittens muͤſſen wir (in An-
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menhang der moͤglichen Erfahrung gehoͤren mag, ſo betrach-
ten, als ob dieſe eine abſolute, aber durch und durch abhaͤn-
gige und immer noch innerhalb der Sinnenwelt bedingte
Einheit ausmache, doch aber zugleich, als ob der Inbegriff
aller Erſcheinungen (die Sinnenwelt ſelbſt) einen einzigen
oberſten und allgnugſamen Grund auſſer ihrem Umfange ha-
be, nemlich eine, gleichſam ſelbſtaͤndige, urſpruͤngliche und
ſchoͤpferiſche Vernunft, in Beziehung auf welche wir allen
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/702>, abgerufen am 22.11.2024.
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