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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie.
ich sie vom göttlichen Willen, obzwar vermittelst besonde-
rer dazu in der Welt darauf gestellten Anlagen, ableite?
Ja, das könt ihr auch thun, aber so, daß es euch gleich
viel gelten muß, ob iemand sage, die göttliche Weisheit
hat alles so zu seinen obersten Zwecken geordnet, oder die
Idee der höchsten Weisheit ist ein regulativ in der Nach-
forschung der Natur und ein Princip der systematischen und
zweckmässigen Einheit derselben nach allgemeinen Naturge-
setzen, auch selbst da, wo wir iene nicht gewahr werden,
d. i. es muß euch da, wo ihr sie wahrnehmt, völlig einer-
ley seyn, zu sagen: Gott hat es weislich so gewolt, oder
die Natur hat es also weislich geordnet. Denn die größte
systematische und zweckmässige Einheit, welche eure Ver-
nunft aller Naturforschung als regulatives Princip zum
Grunde zu legen verlangte, war eben das, was euch be-
rechtigte, die Idee einer höchsten Intelligenz als ein Sche-
ma des regulativen Princips zum Grunde zu legen und,
so viel ihr nun, nach demselben, Zweckmässigkeit in der
Welt antreft, so viel habt ihr Bestätigung der Rechtmäs-
sigkeit eurer Idee; da aber gedachtes Princip nichts anders
zur Absicht hatte, als nothwendige und größtmögliche
Natureinheit zu suchen, so werden wir diese zwar, so weit
als wir sie erreichen, der Idee eines höchsten Wesens zu dan-
ken haben, können aber die allgemeine Gesetze der Natur,
als in Absicht auf welche die Idee nur zum Grunde gelegt
wurde, ohne mit uns selbst in Widerspruch zu gerathen,

nicht

VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie.
ich ſie vom goͤttlichen Willen, obzwar vermittelſt beſonde-
rer dazu in der Welt darauf geſtellten Anlagen, ableite?
Ja, das koͤnt ihr auch thun, aber ſo, daß es euch gleich
viel gelten muß, ob iemand ſage, die goͤttliche Weisheit
hat alles ſo zu ſeinen oberſten Zwecken geordnet, oder die
Idee der hoͤchſten Weisheit iſt ein regulativ in der Nach-
forſchung der Natur und ein Princip der ſyſtematiſchen und
zweckmaͤſſigen Einheit derſelben nach allgemeinen Naturge-
ſetzen, auch ſelbſt da, wo wir iene nicht gewahr werden,
d. i. es muß euch da, wo ihr ſie wahrnehmt, voͤllig einer-
ley ſeyn, zu ſagen: Gott hat es weislich ſo gewolt, oder
die Natur hat es alſo weislich geordnet. Denn die groͤßte
ſyſtematiſche und zweckmaͤſſige Einheit, welche eure Ver-
nunft aller Naturforſchung als regulatives Princip zum
Grunde zu legen verlangte, war eben das, was euch be-
rechtigte, die Idee einer hoͤchſten Intelligenz als ein Sche-
ma des regulativen Princips zum Grunde zu legen und,
ſo viel ihr nun, nach demſelben, Zweckmaͤſſigkeit in der
Welt antreft, ſo viel habt ihr Beſtaͤtigung der Rechtmaͤſ-
ſigkeit eurer Idee; da aber gedachtes Princip nichts anders
zur Abſicht hatte, als nothwendige und groͤßtmoͤgliche
Natureinheit zu ſuchen, ſo werden wir dieſe zwar, ſo weit
als wir ſie erreichen, der Idee eines hoͤchſten Weſens zu dan-
ken haben, koͤnnen aber die allgemeine Geſetze der Natur,
als in Abſicht auf welche die Idee nur zum Grunde gelegt
wurde, ohne mit uns ſelbſt in Widerſpruch zu gerathen,

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[699/0729] VII. Abſch. Critik aller ſpeculativen Theologie. ich ſie vom goͤttlichen Willen, obzwar vermittelſt beſonde- rer dazu in der Welt darauf geſtellten Anlagen, ableite? Ja, das koͤnt ihr auch thun, aber ſo, daß es euch gleich viel gelten muß, ob iemand ſage, die goͤttliche Weisheit hat alles ſo zu ſeinen oberſten Zwecken geordnet, oder die Idee der hoͤchſten Weisheit iſt ein regulativ in der Nach- forſchung der Natur und ein Princip der ſyſtematiſchen und zweckmaͤſſigen Einheit derſelben nach allgemeinen Naturge- ſetzen, auch ſelbſt da, wo wir iene nicht gewahr werden, d. i. es muß euch da, wo ihr ſie wahrnehmt, voͤllig einer- ley ſeyn, zu ſagen: Gott hat es weislich ſo gewolt, oder die Natur hat es alſo weislich geordnet. Denn die groͤßte ſyſtematiſche und zweckmaͤſſige Einheit, welche eure Ver- nunft aller Naturforſchung als regulatives Princip zum Grunde zu legen verlangte, war eben das, was euch be- rechtigte, die Idee einer hoͤchſten Intelligenz als ein Sche- ma des regulativen Princips zum Grunde zu legen und, ſo viel ihr nun, nach demſelben, Zweckmaͤſſigkeit in der Welt antreft, ſo viel habt ihr Beſtaͤtigung der Rechtmaͤſ- ſigkeit eurer Idee; da aber gedachtes Princip nichts anders zur Abſicht hatte, als nothwendige und groͤßtmoͤgliche Natureinheit zu ſuchen, ſo werden wir dieſe zwar, ſo weit als wir ſie erreichen, der Idee eines hoͤchſten Weſens zu dan- ken haben, koͤnnen aber die allgemeine Geſetze der Natur, als in Abſicht auf welche die Idee nur zum Grunde gelegt wurde, ohne mit uns ſelbſt in Widerſpruch zu gerathen, nicht

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/729>, abgerufen am 22.11.2024.