den kan, (der Wahrnehmungen), empirisch gesucht wer- den soll. Sie können aber keinen einzigen ihrer Begriffe a priori in irgend einem Falle darstellen, sondern thun dieses nur a posteriori, vermittelst der Erfahrung, die nach ienen synthetischen Grundsätzen allererst möglich wird.
Wenn man von einem Begriffe synthetisch urtheilen soll, so muß man aus diesem Begriffe hinausgehen, und zwar zur Anschauung, in welcher er gegeben ist. Denn bliebe man bey dem stehen, was im Begriffe enthalten ist, so wäre das Urtheil blos analytisch und eine Erklä- rung des Gedanken, nach demienigen, was wirklich in ihm enthalten ist. Ich kan aber von dem Begriffe zu der ihm correspondirenden reinen, oder empirischen Anschauung ge- hen, um ihn in derselben in concreto zu erwägen und, was dem Gegenstande desselben zukomt, a priori oder a posteriori zu erkennen. Das erstere ist die rationale und mathematische Erkentniß durch die Construction des Be- griffs, das zweite die blosse empirische (mechanische) Er- kentniß, die niemals nothwendige und apodictische Sätze geben kan. So könte ich meinen empirischen Begriff vom Golde zergliedern, ohne dadurch etwas weiter zu gewin- nen, als alles, was ich bey diesem Worte wirklich denke, herzählen zu können, wodurch in meinem Erkentniß zwar eine logische Verbesserung vorgeht, aber keine Vermehrung oder Zusatz erworben wird. Ich nehme aber die Mate- rie, welche unter diesem Nahmen vorkomt, und stelle mit ihr Wahrnehmungen an, welche mir verschiedene synthe-
tische,
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Die Diſciplin der reinen Vernunft im dogm. ꝛc.
den kan, (der Wahrnehmungen), empiriſch geſucht wer- den ſoll. Sie koͤnnen aber keinen einzigen ihrer Begriffe a priori in irgend einem Falle darſtellen, ſondern thun dieſes nur a poſteriori, vermittelſt der Erfahrung, die nach ienen ſynthetiſchen Grundſaͤtzen allererſt moͤglich wird.
Wenn man von einem Begriffe ſynthetiſch urtheilen ſoll, ſo muß man aus dieſem Begriffe hinausgehen, und zwar zur Anſchauung, in welcher er gegeben iſt. Denn bliebe man bey dem ſtehen, was im Begriffe enthalten iſt, ſo waͤre das Urtheil blos analytiſch und eine Erklaͤ- rung des Gedanken, nach demienigen, was wirklich in ihm enthalten iſt. Ich kan aber von dem Begriffe zu der ihm correſpondirenden reinen, oder empiriſchen Anſchauung ge- hen, um ihn in derſelben in concreto zu erwaͤgen und, was dem Gegenſtande deſſelben zukomt, a priori oder a poſteriori zu erkennen. Das erſtere iſt die rationale und mathematiſche Erkentniß durch die Conſtruction des Be- griffs, das zweite die bloſſe empiriſche (mechaniſche) Er- kentniß, die niemals nothwendige und apodictiſche Saͤtze geben kan. So koͤnte ich meinen empiriſchen Begriff vom Golde zergliedern, ohne dadurch etwas weiter zu gewin- nen, als alles, was ich bey dieſem Worte wirklich denke, herzaͤhlen zu koͤnnen, wodurch in meinem Erkentniß zwar eine logiſche Verbeſſerung vorgeht, aber keine Vermehrung oder Zuſatz erworben wird. Ich nehme aber die Mate- rie, welche unter dieſem Nahmen vorkomt, und ſtelle mit ihr Wahrnehmungen an, welche mir verſchiedene ſynthe-
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Die Diſciplin der reinen Vernunft im dogm. ꝛc.
den kan, (der Wahrnehmungen), empiriſch geſucht wer-
den ſoll. Sie koͤnnen aber keinen einzigen ihrer Begriffe
a priori in irgend einem Falle darſtellen, ſondern thun
dieſes nur a poſteriori, vermittelſt der Erfahrung, die
nach ienen ſynthetiſchen Grundſaͤtzen allererſt moͤglich wird.
Wenn man von einem Begriffe ſynthetiſch urtheilen
ſoll, ſo muß man aus dieſem Begriffe hinausgehen, und
zwar zur Anſchauung, in welcher er gegeben iſt. Denn
bliebe man bey dem ſtehen, was im Begriffe enthalten
iſt, ſo waͤre das Urtheil blos analytiſch und eine Erklaͤ-
rung des Gedanken, nach demienigen, was wirklich in ihm
enthalten iſt. Ich kan aber von dem Begriffe zu der ihm
correſpondirenden reinen, oder empiriſchen Anſchauung ge-
hen, um ihn in derſelben in concreto zu erwaͤgen und,
was dem Gegenſtande deſſelben zukomt, a priori oder a
poſteriori zu erkennen. Das erſtere iſt die rationale und
mathematiſche Erkentniß durch die Conſtruction des Be-
griffs, das zweite die bloſſe empiriſche (mechaniſche) Er-
kentniß, die niemals nothwendige und apodictiſche Saͤtze
geben kan. So koͤnte ich meinen empiriſchen Begriff vom
Golde zergliedern, ohne dadurch etwas weiter zu gewin-
nen, als alles, was ich bey dieſem Worte wirklich denke,
herzaͤhlen zu koͤnnen, wodurch in meinem Erkentniß zwar
eine logiſche Verbeſſerung vorgeht, aber keine Vermehrung
oder Zuſatz erworben wird. Ich nehme aber die Mate-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/751>, abgerufen am 22.11.2024.
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