noch zu schwimmen erlaubt und sich nur flüchtige Schritte thun lassen, von denen die Zeit nicht die mindeste Spur aufbehält, da hingegen ihr Gang in der Mathematik eine Heeresstrasse macht, welche noch die späteste Nachkommen- schaft mit Zuversicht betreten kan.
Da wir es uns zur Pflicht gemacht haben, die Gränzen der reinen Vernunft im transscendentalen Ge- brauche genau und mit Gewißheit zu bestimmen, diese Art der Bestrebung aber das besondere an sich hat, uner- achtet der nachdrüklichsten und kläresten Warnungen, sich noch immer durch Hofnung hinhalten zu lassen, ehe man den Anschlag gänzlich aufgiebt, über Gränzen der Erfah- rungen hinaus in die reitzende Gegenden des Intellectuel- len zu gelangen: so ist es nothwendig, noch gleichsam den lezten Anker einer phantasiereichen Hoffnung wegzunehmen und zu zeigen, daß die Befolgung der mathematischen Methode in dieser Art Erkentniß nicht den mindesten Vor- theil schaffen könne, es müßte denn der seyn, die Blössen ihrer selbst desto deutlicher aufzudecken, daß Meßkunst und Philosophie zwey ganz verschiedene Dinge seyn, ob sie sich zwar in der Naturwissenschaft einander die Hand bieten, mithin das Verfahren des einen niemals von dem andern nachgeahmt werden könne.
Die Gründlichkeit der Mathematik beruht auf De- finitionen, Axiomen, Demonstrationen. Ich werde mich damit begnügen, zu zeigen: daß keines dieser Stücke in dem Sinne, darin sie der Mathematiker nimt, von der
Phi-
Methodenlehre I. Hauptſt. I. Abſch.
noch zu ſchwimmen erlaubt und ſich nur fluͤchtige Schritte thun laſſen, von denen die Zeit nicht die mindeſte Spur aufbehaͤlt, da hingegen ihr Gang in der Mathematik eine Heeresſtraſſe macht, welche noch die ſpaͤteſte Nachkommen- ſchaft mit Zuverſicht betreten kan.
Da wir es uns zur Pflicht gemacht haben, die Graͤnzen der reinen Vernunft im transſcendentalen Ge- brauche genau und mit Gewißheit zu beſtimmen, dieſe Art der Beſtrebung aber das beſondere an ſich hat, uner- achtet der nachdruͤklichſten und klaͤreſten Warnungen, ſich noch immer durch Hofnung hinhalten zu laſſen, ehe man den Anſchlag gaͤnzlich aufgiebt, uͤber Graͤnzen der Erfah- rungen hinaus in die reitzende Gegenden des Intellectuel- len zu gelangen: ſo iſt es nothwendig, noch gleichſam den lezten Anker einer phantaſiereichen Hoffnung wegzunehmen und zu zeigen, daß die Befolgung der mathematiſchen Methode in dieſer Art Erkentniß nicht den mindeſten Vor- theil ſchaffen koͤnne, es muͤßte denn der ſeyn, die Bloͤſſen ihrer ſelbſt deſto deutlicher aufzudecken, daß Meßkunſt und Philoſophie zwey ganz verſchiedene Dinge ſeyn, ob ſie ſich zwar in der Naturwiſſenſchaft einander die Hand bieten, mithin das Verfahren des einen niemals von dem andern nachgeahmt werden koͤnne.
Die Gruͤndlichkeit der Mathematik beruht auf De- finitionen, Axiomen, Demonſtrationen. Ich werde mich damit begnuͤgen, zu zeigen: daß keines dieſer Stuͤcke in dem Sinne, darin ſie der Mathematiker nimt, von der
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Methodenlehre I. Hauptſt. I. Abſch.
noch zu ſchwimmen erlaubt und ſich nur fluͤchtige Schritte
thun laſſen, von denen die Zeit nicht die mindeſte Spur
aufbehaͤlt, da hingegen ihr Gang in der Mathematik eine
Heeresſtraſſe macht, welche noch die ſpaͤteſte Nachkommen-
ſchaft mit Zuverſicht betreten kan.
Da wir es uns zur Pflicht gemacht haben, die
Graͤnzen der reinen Vernunft im transſcendentalen Ge-
brauche genau und mit Gewißheit zu beſtimmen, dieſe
Art der Beſtrebung aber das beſondere an ſich hat, uner-
achtet der nachdruͤklichſten und klaͤreſten Warnungen, ſich
noch immer durch Hofnung hinhalten zu laſſen, ehe man
den Anſchlag gaͤnzlich aufgiebt, uͤber Graͤnzen der Erfah-
rungen hinaus in die reitzende Gegenden des Intellectuel-
len zu gelangen: ſo iſt es nothwendig, noch gleichſam den
lezten Anker einer phantaſiereichen Hoffnung wegzunehmen
und zu zeigen, daß die Befolgung der mathematiſchen
Methode in dieſer Art Erkentniß nicht den mindeſten Vor-
theil ſchaffen koͤnne, es muͤßte denn der ſeyn, die Bloͤſſen
ihrer ſelbſt deſto deutlicher aufzudecken, daß Meßkunſt und
Philoſophie zwey ganz verſchiedene Dinge ſeyn, ob ſie ſich
zwar in der Naturwiſſenſchaft einander die Hand bieten,
mithin das Verfahren des einen niemals von dem andern
nachgeahmt werden koͤnne.
Die Gruͤndlichkeit der Mathematik beruht auf De-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/756>, abgerufen am 22.11.2024.
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