male desselben denke. So kan der eine im Begriffe vom Golde sich ausser dem Gewichte, der Farbe, der Zähigkeit, noch die Eigenschaft, daß es nicht rostet, denken, der an- dere davon vielleicht nichts wissen. Man bedient sich ge- wisser Merkmale nur so lange, als sie zum Unterscheiden hinreichend seyn; neue Bemerkungen dagegen nehmen welche weg und setzen einige hinzu, der Begriff steht also niemals zwischen sicheren Gränzen. Und wozu solte es auch dienen, einen solchen Begriff zu definiren, da, wenn z. B. von dem Wasser und dessen Eigenschaften die Rede ist, man sich bey dem nicht aufhalten wird, was man bey dem Worte Wasser denkt, sondern zu Versuchen schreitet und das Wort, mit den wenigen Merkmalen, die ihm anhängen, nur eine Bezeichnung und nicht einen Begriff der Sache ausmachen soll, mithin die angebliche Defini- tion nichts anders als Wortbestimmung ist. Zweitens kan auch, genau zu reden, kein a priori gegebener Begriff de- finirt werden, z. B. Substanz, Ursache, Recht, Billig- keit etc. Denn ich kan niemals sicher seyn: daß die deut- liche Vorstellung eines (noch verworren) gegebenen Begriffs ausführlich entwickelt worden, als wenn ich weis, daß dieselbe dem Gegenstande adäquat sey. Da der Begriff desselben aber, so wie er gegeben ist, viel dunkele Vor- stellungen enthalten kan, die wir in der Zergliederung übergehen, ob wir sie zwar in der Anwendung iederzeit brauchen: so ist die Ausführlichkeit der Zergliederung mei- nes Begriffs immer zweifelhaft und kan nur durch viel-
fältig
Methodenlehre I. Hauptſt. I. Abſch.
male deſſelben denke. So kan der eine im Begriffe vom Golde ſich auſſer dem Gewichte, der Farbe, der Zaͤhigkeit, noch die Eigenſchaft, daß es nicht roſtet, denken, der an- dere davon vielleicht nichts wiſſen. Man bedient ſich ge- wiſſer Merkmale nur ſo lange, als ſie zum Unterſcheiden hinreichend ſeyn; neue Bemerkungen dagegen nehmen welche weg und ſetzen einige hinzu, der Begriff ſteht alſo niemals zwiſchen ſicheren Graͤnzen. Und wozu ſolte es auch dienen, einen ſolchen Begriff zu definiren, da, wenn z. B. von dem Waſſer und deſſen Eigenſchaften die Rede iſt, man ſich bey dem nicht aufhalten wird, was man bey dem Worte Waſſer denkt, ſondern zu Verſuchen ſchreitet und das Wort, mit den wenigen Merkmalen, die ihm anhaͤngen, nur eine Bezeichnung und nicht einen Begriff der Sache ausmachen ſoll, mithin die angebliche Defini- tion nichts anders als Wortbeſtimmung iſt. Zweitens kan auch, genau zu reden, kein a priori gegebener Begriff de- finirt werden, z. B. Subſtanz, Urſache, Recht, Billig- keit ꝛc. Denn ich kan niemals ſicher ſeyn: daß die deut- liche Vorſtellung eines (noch verworren) gegebenen Begriffs ausfuͤhrlich entwickelt worden, als wenn ich weis, daß dieſelbe dem Gegenſtande adaͤquat ſey. Da der Begriff deſſelben aber, ſo wie er gegeben iſt, viel dunkele Vor- ſtellungen enthalten kan, die wir in der Zergliederung uͤbergehen, ob wir ſie zwar in der Anwendung iederzeit brauchen: ſo iſt die Ausfuͤhrlichkeit der Zergliederung mei- nes Begriffs immer zweifelhaft und kan nur durch viel-
faͤltig
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Methodenlehre I. Hauptſt. I. Abſch.
male deſſelben denke. So kan der eine im Begriffe vom
Golde ſich auſſer dem Gewichte, der Farbe, der Zaͤhigkeit,
noch die Eigenſchaft, daß es nicht roſtet, denken, der an-
dere davon vielleicht nichts wiſſen. Man bedient ſich ge-
wiſſer Merkmale nur ſo lange, als ſie zum Unterſcheiden
hinreichend ſeyn; neue Bemerkungen dagegen nehmen
welche weg und ſetzen einige hinzu, der Begriff ſteht alſo
niemals zwiſchen ſicheren Graͤnzen. Und wozu ſolte es
auch dienen, einen ſolchen Begriff zu definiren, da, wenn
z. B. von dem Waſſer und deſſen Eigenſchaften die Rede
iſt, man ſich bey dem nicht aufhalten wird, was man bey
dem Worte Waſſer denkt, ſondern zu Verſuchen ſchreitet
und das Wort, mit den wenigen Merkmalen, die ihm
anhaͤngen, nur eine Bezeichnung und nicht einen Begriff
der Sache ausmachen ſoll, mithin die angebliche Defini-
tion nichts anders als Wortbeſtimmung iſt. Zweitens kan
auch, genau zu reden, kein a priori gegebener Begriff de-
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keit ꝛc. Denn ich kan niemals ſicher ſeyn: daß die deut-
liche Vorſtellung eines (noch verworren) gegebenen Begriffs
ausfuͤhrlich entwickelt worden, als wenn ich weis, daß
dieſelbe dem Gegenſtande adaͤquat ſey. Da der Begriff
deſſelben aber, ſo wie er gegeben iſt, viel dunkele Vor-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 728. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/758>, abgerufen am 22.11.2024.
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