Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Disciplin der reinen Vernunft im dogm. etc.
fältig zutreffende Beispiele vermuthlich, niemals aber apo-
dictisch gewiß gemacht werden. Anstatt des Ausdrucks:
Definition, würde ich lieber den der Exposition brauchen,
der immer noch behutsam bleibt und bey dem der Critiker
sie auf einen gewissen Grad gelten lassen und doch wegen
der Ausführlichkeit noch Bedenken tragen kan. Da also
weder empirisch- noch a priori gegebene Begriffe definirt
werden können, so bleiben keine andere als willkührlich-
gedachte übrig, an denen man dieses Kunststück versuchen
kan. Meinen Begriff kan ich in solchem Falle iederzeit
definiren; denn ich muß doch wissen, was ich habe den-
ken wollen, da ich ihn selbst vorsezlich gemacht habe, und
er mir weder durch die Natur des Verstandes, noch durch
die Erfahrung gegeben worden, aber ich kan nicht sagen,
daß ich dadurch einen wahren Gegenstand definirt habe.
Denn, wenn der Begriff auf empirischen Bedingungen be-
ruht, z. B. eine Schiffsuhr, so wird der Gegenstand und
dessen Möglichkeit durch diesen willkührlichen Begriff noch
nicht gegeben, ich weis daraus nicht einmal, ob er überall
einen Gegenstand habe, und meine Erklärung kan besser
eine Declaration (meines Proiects) als Definition eines
Gegenstandes heissen. Also blieben keine andere Begriffe
übrig, die zum definiren t[au]gen, als solche, die eine will-
kührliche Synthesis enthalten, welche a priori construirt
werden kan, mithin hat nur die Mathematik Definitio-
nen. Denn, den Gegenstand, den sie denkt, stellt sie auch
a priori in der Anschauung dar und dieser kan sicher nicht

mehr
Z z 5

Die Diſciplin der reinen Vernunft im dogm. ꝛc.
faͤltig zutreffende Beiſpiele vermuthlich, niemals aber apo-
dictiſch gewiß gemacht werden. Anſtatt des Ausdrucks:
Definition, wuͤrde ich lieber den der Expoſition brauchen,
der immer noch behutſam bleibt und bey dem der Critiker
ſie auf einen gewiſſen Grad gelten laſſen und doch wegen
der Ausfuͤhrlichkeit noch Bedenken tragen kan. Da alſo
weder empiriſch- noch a priori gegebene Begriffe definirt
werden koͤnnen, ſo bleiben keine andere als willkuͤhrlich-
gedachte uͤbrig, an denen man dieſes Kunſtſtuͤck verſuchen
kan. Meinen Begriff kan ich in ſolchem Falle iederzeit
definiren; denn ich muß doch wiſſen, was ich habe den-
ken wollen, da ich ihn ſelbſt vorſezlich gemacht habe, und
er mir weder durch die Natur des Verſtandes, noch durch
die Erfahrung gegeben worden, aber ich kan nicht ſagen,
daß ich dadurch einen wahren Gegenſtand definirt habe.
Denn, wenn der Begriff auf empiriſchen Bedingungen be-
ruht, z. B. eine Schiffsuhr, ſo wird der Gegenſtand und
deſſen Moͤglichkeit durch dieſen willkuͤhrlichen Begriff noch
nicht gegeben, ich weis daraus nicht einmal, ob er uͤberall
einen Gegenſtand habe, und meine Erklaͤrung kan beſſer
eine Declaration (meines Proiects) als Definition eines
Gegenſtandes heiſſen. Alſo blieben keine andere Begriffe
uͤbrig, die zum definiren t[au]gen, als ſolche, die eine will-
kuͤhrliche Syntheſis enthalten, welche a priori conſtruirt
werden kan, mithin hat nur die Mathematik Definitio-
nen. Denn, den Gegenſtand, den ſie denkt, ſtellt ſie auch
a priori in der Anſchauung dar und dieſer kan ſicher nicht

mehr
Z z 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0759" n="729"/><fw place="top" type="header">Die Di&#x017F;ciplin der reinen Vernunft im dogm. &#xA75B;c.</fw><lb/>
fa&#x0364;ltig zutreffende Bei&#x017F;piele vermuthlich, niemals aber apo-<lb/>
dicti&#x017F;ch gewiß gemacht werden. An&#x017F;tatt des Ausdrucks:<lb/>
Definition, wu&#x0364;rde ich lieber den der Expo&#x017F;ition brauchen,<lb/>
der immer noch behut&#x017F;am bleibt und bey dem der Critiker<lb/>
&#x017F;ie auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en Grad gelten la&#x017F;&#x017F;en und doch wegen<lb/>
der Ausfu&#x0364;hrlichkeit noch Bedenken tragen kan. Da al&#x017F;o<lb/>
weder empiri&#x017F;ch- noch <hi rendition="#aq">a priori</hi> gegebene Begriffe definirt<lb/>
werden ko&#x0364;nnen, &#x017F;o bleiben keine andere als willku&#x0364;hrlich-<lb/>
gedachte u&#x0364;brig, an denen man die&#x017F;es Kun&#x017F;t&#x017F;tu&#x0364;ck ver&#x017F;uchen<lb/>
kan. Meinen Begriff kan ich in &#x017F;olchem Falle iederzeit<lb/>
definiren; denn ich muß doch wi&#x017F;&#x017F;en, was ich habe den-<lb/>
ken wollen, da ich ihn &#x017F;elb&#x017F;t vor&#x017F;ezlich gemacht habe, und<lb/>
er mir weder durch die Natur des Ver&#x017F;tandes, noch durch<lb/>
die Erfahrung gegeben worden, aber ich kan nicht &#x017F;agen,<lb/>
daß ich dadurch einen wahren Gegen&#x017F;tand definirt habe.<lb/>
Denn, wenn der Begriff auf empiri&#x017F;chen Bedingungen be-<lb/>
ruht, z. B. eine Schiffsuhr, &#x017F;o wird der Gegen&#x017F;tand und<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Mo&#x0364;glichkeit durch die&#x017F;en willku&#x0364;hrlichen Begriff noch<lb/>
nicht gegeben, ich weis daraus nicht einmal, ob er u&#x0364;berall<lb/>
einen Gegen&#x017F;tand habe, und meine Erkla&#x0364;rung kan be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
eine Declaration (meines Proiects) als Definition eines<lb/>
Gegen&#x017F;tandes hei&#x017F;&#x017F;en. Al&#x017F;o blieben keine andere Begriffe<lb/>
u&#x0364;brig, die zum definiren t<supplied>au</supplied>gen, als &#x017F;olche, die eine will-<lb/>
ku&#x0364;hrliche Synthe&#x017F;is enthalten, welche <hi rendition="#aq">a priori</hi> con&#x017F;truirt<lb/>
werden kan, mithin hat nur die Mathematik Definitio-<lb/>
nen. Denn, den Gegen&#x017F;tand, den &#x017F;ie denkt, &#x017F;tellt &#x017F;ie auch<lb/><hi rendition="#aq">a priori</hi> in der An&#x017F;chauung dar und die&#x017F;er kan &#x017F;icher nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z z 5</fw><fw place="bottom" type="catch">mehr</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[729/0759] Die Diſciplin der reinen Vernunft im dogm. ꝛc. faͤltig zutreffende Beiſpiele vermuthlich, niemals aber apo- dictiſch gewiß gemacht werden. Anſtatt des Ausdrucks: Definition, wuͤrde ich lieber den der Expoſition brauchen, der immer noch behutſam bleibt und bey dem der Critiker ſie auf einen gewiſſen Grad gelten laſſen und doch wegen der Ausfuͤhrlichkeit noch Bedenken tragen kan. Da alſo weder empiriſch- noch a priori gegebene Begriffe definirt werden koͤnnen, ſo bleiben keine andere als willkuͤhrlich- gedachte uͤbrig, an denen man dieſes Kunſtſtuͤck verſuchen kan. Meinen Begriff kan ich in ſolchem Falle iederzeit definiren; denn ich muß doch wiſſen, was ich habe den- ken wollen, da ich ihn ſelbſt vorſezlich gemacht habe, und er mir weder durch die Natur des Verſtandes, noch durch die Erfahrung gegeben worden, aber ich kan nicht ſagen, daß ich dadurch einen wahren Gegenſtand definirt habe. Denn, wenn der Begriff auf empiriſchen Bedingungen be- ruht, z. B. eine Schiffsuhr, ſo wird der Gegenſtand und deſſen Moͤglichkeit durch dieſen willkuͤhrlichen Begriff noch nicht gegeben, ich weis daraus nicht einmal, ob er uͤberall einen Gegenſtand habe, und meine Erklaͤrung kan beſſer eine Declaration (meines Proiects) als Definition eines Gegenſtandes heiſſen. Alſo blieben keine andere Begriffe uͤbrig, die zum definiren taugen, als ſolche, die eine will- kuͤhrliche Syntheſis enthalten, welche a priori conſtruirt werden kan, mithin hat nur die Mathematik Definitio- nen. Denn, den Gegenſtand, den ſie denkt, ſtellt ſie auch a priori in der Anſchauung dar und dieſer kan ſicher nicht mehr Z z 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/759
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 729. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/759>, abgerufen am 22.11.2024.