(subiectiv) ist selbst ein System, aber in ihrem reinen Ge- brauche, vermittelst blosser Begriffe, nur ein System der Nachforschung nach Grundsätzen der Einheit, zu welcher Erfahrung allein den Stoff hergeben kan. Von der ei- genthümlichen Methode einer Transscendentalphilosophie läßt sich aber hier nichts sagen, da wir es nur mit einer Critik unserer Vermögensumstände zu thun haben, ob wir überall bauen und wie hoch wir wol unser Gebäude, aus dem Stoffe, den wir haben, (den reinen Begriffen a priori), aufführen können.
Des ersten Hauptstücks Zweiter Abschnitt. Die Disciplin der reinen Vernunft in Ansehung ihres polemischen Gebrauchs.
Die Vernunft muß sich in allen ihren Unternehmungen der Critik unterwerfen und kan der Freiheit dersel- ben durch kein Verbot Abbruch thun, ohne sich selbst zu schaden und einen ihr nachtheiligen Verdacht auf sich zu ziehen. Da ist nun nichts so wichtig, in Ansehung des Nutzens, nichts so heilig, daß sich dieser prüfenden und musternden Durchsuchung, die kein Ansehen der Person kent, entziehen dürfte. Auf dieser Freiheit beruht so gar die Existenz der Vernunft, die kein dictatorisches Ansehen hat, sondern deren Ausspruch iederzeit nichts als die Ein- stimmung freier Bürger ist, deren ieglicher seine Bedenk-
lich
Methodenlehre I. Hauptſt. II. Abſch.
(ſubiectiv) iſt ſelbſt ein Syſtem, aber in ihrem reinen Ge- brauche, vermittelſt bloſſer Begriffe, nur ein Syſtem der Nachforſchung nach Grundſaͤtzen der Einheit, zu welcher Erfahrung allein den Stoff hergeben kan. Von der ei- genthuͤmlichen Methode einer Transſcendentalphiloſophie laͤßt ſich aber hier nichts ſagen, da wir es nur mit einer Critik unſerer Vermoͤgensumſtaͤnde zu thun haben, ob wir uͤberall bauen und wie hoch wir wol unſer Gebaͤude, aus dem Stoffe, den wir haben, (den reinen Begriffen a priori), auffuͤhren koͤnnen.
Des erſten Hauptſtuͤcks Zweiter Abſchnitt. Die Diſciplin der reinen Vernunft in Anſehung ihres polemiſchen Gebrauchs.
Die Vernunft muß ſich in allen ihren Unternehmungen der Critik unterwerfen und kan der Freiheit derſel- ben durch kein Verbot Abbruch thun, ohne ſich ſelbſt zu ſchaden und einen ihr nachtheiligen Verdacht auf ſich zu ziehen. Da iſt nun nichts ſo wichtig, in Anſehung des Nutzens, nichts ſo heilig, daß ſich dieſer pruͤfenden und muſternden Durchſuchung, die kein Anſehen der Perſon kent, entziehen duͤrfte. Auf dieſer Freiheit beruht ſo gar die Exiſtenz der Vernunft, die kein dictatoriſches Anſehen hat, ſondern deren Ausſpruch iederzeit nichts als die Ein- ſtimmung freier Buͤrger iſt, deren ieglicher ſeine Bedenk-
lich
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Methodenlehre I. Hauptſt. II. Abſch.
(ſubiectiv) iſt ſelbſt ein Syſtem, aber in ihrem reinen Ge-
brauche, vermittelſt bloſſer Begriffe, nur ein Syſtem der
Nachforſchung nach Grundſaͤtzen der Einheit, zu welcher
Erfahrung allein den Stoff hergeben kan. Von der ei-
genthuͤmlichen Methode einer Transſcendentalphiloſophie
laͤßt ſich aber hier nichts ſagen, da wir es nur mit einer
Critik unſerer Vermoͤgensumſtaͤnde zu thun haben, ob wir
uͤberall bauen und wie hoch wir wol unſer Gebaͤude, aus
dem Stoffe, den wir haben, (den reinen Begriffen a priori),
auffuͤhren koͤnnen.
Des erſten Hauptſtuͤcks
Zweiter Abſchnitt.
Die
Diſciplin der reinen Vernunft in Anſehung
ihres polemiſchen Gebrauchs.
Die Vernunft muß ſich in allen ihren Unternehmungen
der Critik unterwerfen und kan der Freiheit derſel-
ben durch kein Verbot Abbruch thun, ohne ſich ſelbſt zu
ſchaden und einen ihr nachtheiligen Verdacht auf ſich zu
ziehen. Da iſt nun nichts ſo wichtig, in Anſehung des
Nutzens, nichts ſo heilig, daß ſich dieſer pruͤfenden und
muſternden Durchſuchung, die kein Anſehen der Perſon
kent, entziehen duͤrfte. Auf dieſer Freiheit beruht ſo gar
die Exiſtenz der Vernunft, die kein dictatoriſches Anſehen
hat, ſondern deren Ausſpruch iederzeit nichts als die Ein-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/768>, abgerufen am 22.11.2024.
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