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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Methodenlehre I. Hauptst. III. Absch.
ihn aber ausrotten, wenn wir ihm nicht Freiheit, ia selbst
Nahrung geben, Kraut auszuschiessen, um sich dadurch zu
entdecken, und es nachher mit der Wurtzel zu vertilgen.
Sinnet demnach selbst auf Einwürfe, auf die noch kein Geg-
ner gefallen ist und leihet ihm so gar Waffen, oder
räumt ihm den günstigsten Platz ein, den er sich nur wün-
schen kan. Es ist hiebey gar nichts zu fürchten, wol aber
zu hoffen, nemlich, daß ihr euch einen in alle Zukunft nie-
mals mehr anzufechtenden Besitz verschaffen werdet.

Zu eurer vollständigen Rüstung gehören nun auch
die Hypothesen der reinen Vernunft, welche, obzwar nur
bleierne Waffen, (weil sie durch kein Erfahrungsgesetz ge-
stählt sind), dennoch immer so viel vermögen, als die,
deren sich irgend ein Gegner wider euch bedienen mag.
Wenn euch also, wider die (in irgend einer anderen nicht
speculativen Rücksicht) angenommene immaterielle und kei-
ner körperlichen Umwandlung unterworfene Natur der
Seele, die Schwierigkeit aufstößt: daß gleichwol die Erfah-
rung so wol die Erhebung, als Zerrüttung unserer Geistes-
kräfte blos als verschiedene Modification unserer Organen
zu beweisen scheine, so könt ihr die Kraft dieses Beweises
dadurch schwächen: daß ihr annehmt, unser Körper sey
nichts, als die Fundamentalerscheinung, worauf, als Be-
dingung, sich in dem ietzigen Zustande (im Leben) das
ganze Vermögen der Sinnlichkeit und hiemit alles Denken
bezieht. Die Trennung vom Cörper sey das Ende dieses
sinnlichen Gebrauchs eurer Erkentnißkraft und der Anfang

des

Methodenlehre I. Hauptſt. III. Abſch.
ihn aber ausrotten, wenn wir ihm nicht Freiheit, ia ſelbſt
Nahrung geben, Kraut auszuſchieſſen, um ſich dadurch zu
entdecken, und es nachher mit der Wurtzel zu vertilgen.
Sinnet demnach ſelbſt auf Einwuͤrfe, auf die noch kein Geg-
ner gefallen iſt und leihet ihm ſo gar Waffen, oder
raͤumt ihm den guͤnſtigſten Platz ein, den er ſich nur wuͤn-
ſchen kan. Es iſt hiebey gar nichts zu fuͤrchten, wol aber
zu hoffen, nemlich, daß ihr euch einen in alle Zukunft nie-
mals mehr anzufechtenden Beſitz verſchaffen werdet.

Zu eurer vollſtaͤndigen Ruͤſtung gehoͤren nun auch
die Hypotheſen der reinen Vernunft, welche, obzwar nur
bleierne Waffen, (weil ſie durch kein Erfahrungsgeſetz ge-
ſtaͤhlt ſind), dennoch immer ſo viel vermoͤgen, als die,
deren ſich irgend ein Gegner wider euch bedienen mag.
Wenn euch alſo, wider die (in irgend einer anderen nicht
ſpeculativen Ruͤckſicht) angenommene immaterielle und kei-
ner koͤrperlichen Umwandlung unterworfene Natur der
Seele, die Schwierigkeit aufſtoͤßt: daß gleichwol die Erfah-
rung ſo wol die Erhebung, als Zerruͤttung unſerer Geiſtes-
kraͤfte blos als verſchiedene Modification unſerer Organen
zu beweiſen ſcheine, ſo koͤnt ihr die Kraft dieſes Beweiſes
dadurch ſchwaͤchen: daß ihr annehmt, unſer Koͤrper ſey
nichts, als die Fundamentalerſcheinung, worauf, als Be-
dingung, ſich in dem ietzigen Zuſtande (im Leben) das
ganze Vermoͤgen der Sinnlichkeit und hiemit alles Denken
bezieht. Die Trennung vom Coͤrper ſey das Ende dieſes
ſinnlichen Gebrauchs eurer Erkentnißkraft und der Anfang

des
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[778/0808] Methodenlehre I. Hauptſt. III. Abſch. ihn aber ausrotten, wenn wir ihm nicht Freiheit, ia ſelbſt Nahrung geben, Kraut auszuſchieſſen, um ſich dadurch zu entdecken, und es nachher mit der Wurtzel zu vertilgen. Sinnet demnach ſelbſt auf Einwuͤrfe, auf die noch kein Geg- ner gefallen iſt und leihet ihm ſo gar Waffen, oder raͤumt ihm den guͤnſtigſten Platz ein, den er ſich nur wuͤn- ſchen kan. Es iſt hiebey gar nichts zu fuͤrchten, wol aber zu hoffen, nemlich, daß ihr euch einen in alle Zukunft nie- mals mehr anzufechtenden Beſitz verſchaffen werdet. Zu eurer vollſtaͤndigen Ruͤſtung gehoͤren nun auch die Hypotheſen der reinen Vernunft, welche, obzwar nur bleierne Waffen, (weil ſie durch kein Erfahrungsgeſetz ge- ſtaͤhlt ſind), dennoch immer ſo viel vermoͤgen, als die, deren ſich irgend ein Gegner wider euch bedienen mag. Wenn euch alſo, wider die (in irgend einer anderen nicht ſpeculativen Ruͤckſicht) angenommene immaterielle und kei- ner koͤrperlichen Umwandlung unterworfene Natur der Seele, die Schwierigkeit aufſtoͤßt: daß gleichwol die Erfah- rung ſo wol die Erhebung, als Zerruͤttung unſerer Geiſtes- kraͤfte blos als verſchiedene Modification unſerer Organen zu beweiſen ſcheine, ſo koͤnt ihr die Kraft dieſes Beweiſes dadurch ſchwaͤchen: daß ihr annehmt, unſer Koͤrper ſey nichts, als die Fundamentalerſcheinung, worauf, als Be- dingung, ſich in dem ietzigen Zuſtande (im Leben) das ganze Vermoͤgen der Sinnlichkeit und hiemit alles Denken bezieht. Die Trennung vom Coͤrper ſey das Ende dieſes ſinnlichen Gebrauchs eurer Erkentnißkraft und der Anfang des

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 778. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/808>, abgerufen am 22.11.2024.