In der Mathematik ist diese Subreption unmöglich; daher haben sie daselbst auch ihren eigentlichen Platz. In der Naturwissenschaft, weil sich daselbst alles auf empiri- sche Anschauungen gründet, kan iene Erschleichung durch viel verglichene Beobachtungen zwar mehrentheils verhü- tet werden; aber diese Beweisart ist daselbst doch mehren- theils unerheblich. Aber die transscendentalen Versuche der reinen Vernunft werden insgesamt innerhalb dem ei- gentlichen Medium des dialectischen Scheins angestellt, d. i. des Subiectiven, welches sich der Vernunft in ihren Prä- missen als obiectiv anbietet, oder gar aufdringt. Hier nun kan es, was synthetische Sätze betrift, gar nicht er- laubt werden, seine Behauptungen dadurch zu rechtferti- gen, daß man das Gegentheil widerlegt. Denn, entweder diese Widerlegung ist nichts anders, als die blosse Vorstel- lung des Widerstreits der entgegengesezten Meinung, mit den subiectiven Bedingungen der Begreiflichkeit durch un- sere Vernunft, welches gar nichts dazu thut, um die Sache selbst darum zu verwerfen, (so wie z. B. die unbedingte Nothwendigkeit im Daseyn eines Wesens schlechterdings von uns nicht begriffen werden kan, und sich daher subie- ctiv iedem speculativen Beweise eines nothwendigen ober- sten Wesens mit Recht, der Möglichkeit eines solchen Ur- wesens aber an sich selbst mit Unrecht widersezt), oder beide, sowol der behauptende, als der verneinende Theil, legen, durch den transscendentalen Schein betrogen, einen unmöglichen Begriff vom Gegenstande zum Grunde und
da
Methodenlehre I. Hauptſt. IV. Abſch.
In der Mathematik iſt dieſe Subreption unmoͤglich; daher haben ſie daſelbſt auch ihren eigentlichen Platz. In der Naturwiſſenſchaft, weil ſich daſelbſt alles auf empiri- ſche Anſchauungen gruͤndet, kan iene Erſchleichung durch viel verglichene Beobachtungen zwar mehrentheils verhuͤ- tet werden; aber dieſe Beweisart iſt daſelbſt doch mehren- theils unerheblich. Aber die transſcendentalen Verſuche der reinen Vernunft werden insgeſamt innerhalb dem ei- gentlichen Medium des dialectiſchen Scheins angeſtellt, d. i. des Subiectiven, welches ſich der Vernunft in ihren Praͤ- miſſen als obiectiv anbietet, oder gar aufdringt. Hier nun kan es, was ſynthetiſche Saͤtze betrift, gar nicht er- laubt werden, ſeine Behauptungen dadurch zu rechtferti- gen, daß man das Gegentheil widerlegt. Denn, entweder dieſe Widerlegung iſt nichts anders, als die bloſſe Vorſtel- lung des Widerſtreits der entgegengeſezten Meinung, mit den ſubiectiven Bedingungen der Begreiflichkeit durch un- ſere Vernunft, welches gar nichts dazu thut, um die Sache ſelbſt darum zu verwerfen, (ſo wie z. B. die unbedingte Nothwendigkeit im Daſeyn eines Weſens ſchlechterdings von uns nicht begriffen werden kan, und ſich daher ſubie- ctiv iedem ſpeculativen Beweiſe eines nothwendigen ober- ſten Weſens mit Recht, der Moͤglichkeit eines ſolchen Ur- weſens aber an ſich ſelbſt mit Unrecht widerſezt), oder beide, ſowol der behauptende, als der verneinende Theil, legen, durch den transſcendentalen Schein betrogen, einen unmoͤglichen Begriff vom Gegenſtande zum Grunde und
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Methodenlehre I. Hauptſt. IV. Abſch.
In der Mathematik iſt dieſe Subreption unmoͤglich;
daher haben ſie daſelbſt auch ihren eigentlichen Platz. In
der Naturwiſſenſchaft, weil ſich daſelbſt alles auf empiri-
ſche Anſchauungen gruͤndet, kan iene Erſchleichung durch
viel verglichene Beobachtungen zwar mehrentheils verhuͤ-
tet werden; aber dieſe Beweisart iſt daſelbſt doch mehren-
theils unerheblich. Aber die transſcendentalen Verſuche
der reinen Vernunft werden insgeſamt innerhalb dem ei-
gentlichen Medium des dialectiſchen Scheins angeſtellt, d. i.
des Subiectiven, welches ſich der Vernunft in ihren Praͤ-
miſſen als obiectiv anbietet, oder gar aufdringt. Hier
nun kan es, was ſynthetiſche Saͤtze betrift, gar nicht er-
laubt werden, ſeine Behauptungen dadurch zu rechtferti-
gen, daß man das Gegentheil widerlegt. Denn, entweder
dieſe Widerlegung iſt nichts anders, als die bloſſe Vorſtel-
lung des Widerſtreits der entgegengeſezten Meinung, mit
den ſubiectiven Bedingungen der Begreiflichkeit durch un-
ſere Vernunft, welches gar nichts dazu thut, um die Sache
ſelbſt darum zu verwerfen, (ſo wie z. B. die unbedingte
Nothwendigkeit im Daſeyn eines Weſens ſchlechterdings
von uns nicht begriffen werden kan, und ſich daher ſubie-
ctiv iedem ſpeculativen Beweiſe eines nothwendigen ober-
ſten Weſens mit Recht, der Moͤglichkeit eines ſolchen Ur-
weſens aber an ſich ſelbſt mit Unrecht widerſezt), oder
beide, ſowol der behauptende, als der verneinende Theil,
legen, durch den transſcendentalen Schein betrogen, einen
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 792. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/822>, abgerufen am 22.11.2024.
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