Elemente des höchsten abgeleiteten Guts, nemlich, einer intelligibelen, d. i. moralischen Welt antreffen. Da wir uns nun nothwendiger Weise durch die Vernunft, als zu einer solchen Welt gehörig, vorstellen müssen, obgleich die Sinne uns nichts als eine Welt von Erscheinungen dar- stellen, so werden wir iene als eine Folge unseres Verhal- tens in der Sinnenwelt, da uns diese eine solche Verknüp- fung nicht darbietet, als eine vor uns künftige Welt an- nehmen müssen. Gott also und ein künftiges Leben, sind zwey von der Verbindlichkeit, die uns reine Vernunft auf- erlegt, nach Principien eben derselben Vernunft nicht zu trennende Voraussetzungen.
Die Sittlichkeit an sich selbst macht ein System aus, aber nicht die Glückseligkeit, ausser, so fern sie der Mora- lität genau angemessen ausgetheilet ist. Dieses aber ist nur möglich in der intelligibelen Welt, unter einem wei- sen Urheber und Regierer. Einen solchen, samt dem Le- ben in einer solchen Welt, die wir als eine künftige anse- hen müssen, sieht sich die Vernunft genöthigt, anzuneh- men, oder die moralische Gesetze als leere Hirngespinste anzusehen, weil der nothwendige Erfolg derselben, den dieselbe Vernunft mit ihnen verknüpft, ohne iene Voraus- setzung wegfallen müßte. Daher auch iederman die mo- ralische Gesetze als Gebote ansieht, welches sie aber nicht seyn könten, wenn sie nicht a priori angemessene Folgen mit ihrer Regel verknüpften und also Verheissungen und Drohungen bey sich führten. Dieses können sie aber
auch
Vom Ideal des hoͤchſten Guts.
Elemente des hoͤchſten abgeleiteten Guts, nemlich, einer intelligibelen, d. i. moraliſchen Welt antreffen. Da wir uns nun nothwendiger Weiſe durch die Vernunft, als zu einer ſolchen Welt gehoͤrig, vorſtellen muͤſſen, obgleich die Sinne uns nichts als eine Welt von Erſcheinungen dar- ſtellen, ſo werden wir iene als eine Folge unſeres Verhal- tens in der Sinnenwelt, da uns dieſe eine ſolche Verknuͤp- fung nicht darbietet, als eine vor uns kuͤnftige Welt an- nehmen muͤſſen. Gott alſo und ein kuͤnftiges Leben, ſind zwey von der Verbindlichkeit, die uns reine Vernunft auf- erlegt, nach Principien eben derſelben Vernunft nicht zu trennende Vorausſetzungen.
Die Sittlichkeit an ſich ſelbſt macht ein Syſtem aus, aber nicht die Gluͤckſeligkeit, auſſer, ſo fern ſie der Mora- litaͤt genau angemeſſen ausgetheilet iſt. Dieſes aber iſt nur moͤglich in der intelligibelen Welt, unter einem wei- ſen Urheber und Regierer. Einen ſolchen, ſamt dem Le- ben in einer ſolchen Welt, die wir als eine kuͤnftige anſe- hen muͤſſen, ſieht ſich die Vernunft genoͤthigt, anzuneh- men, oder die moraliſche Geſetze als leere Hirngeſpinſte anzuſehen, weil der nothwendige Erfolg derſelben, den dieſelbe Vernunft mit ihnen verknuͤpft, ohne iene Voraus- ſetzung wegfallen muͤßte. Daher auch iederman die mo- raliſche Geſetze als Gebote anſieht, welches ſie aber nicht ſeyn koͤnten, wenn ſie nicht a priori angemeſſene Folgen mit ihrer Regel verknuͤpften und alſo Verheiſſungen und Drohungen bey ſich fuͤhrten. Dieſes koͤnnen ſie aber
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Vom Ideal des hoͤchſten Guts.
Elemente des hoͤchſten abgeleiteten Guts, nemlich, einer
intelligibelen, d. i. moraliſchen Welt antreffen. Da wir
uns nun nothwendiger Weiſe durch die Vernunft, als zu
einer ſolchen Welt gehoͤrig, vorſtellen muͤſſen, obgleich die
Sinne uns nichts als eine Welt von Erſcheinungen dar-
ſtellen, ſo werden wir iene als eine Folge unſeres Verhal-
tens in der Sinnenwelt, da uns dieſe eine ſolche Verknuͤp-
fung nicht darbietet, als eine vor uns kuͤnftige Welt an-
nehmen muͤſſen. Gott alſo und ein kuͤnftiges Leben, ſind
zwey von der Verbindlichkeit, die uns reine Vernunft auf-
erlegt, nach Principien eben derſelben Vernunft nicht zu
trennende Vorausſetzungen.
Die Sittlichkeit an ſich ſelbſt macht ein Syſtem aus,
aber nicht die Gluͤckſeligkeit, auſſer, ſo fern ſie der Mora-
litaͤt genau angemeſſen ausgetheilet iſt. Dieſes aber iſt
nur moͤglich in der intelligibelen Welt, unter einem wei-
ſen Urheber und Regierer. Einen ſolchen, ſamt dem Le-
ben in einer ſolchen Welt, die wir als eine kuͤnftige anſe-
hen muͤſſen, ſieht ſich die Vernunft genoͤthigt, anzuneh-
men, oder die moraliſche Geſetze als leere Hirngeſpinſte
anzuſehen, weil der nothwendige Erfolg derſelben, den
dieſelbe Vernunft mit ihnen verknuͤpft, ohne iene Voraus-
ſetzung wegfallen muͤßte. Daher auch iederman die mo-
raliſche Geſetze als Gebote anſieht, welches ſie aber nicht
ſeyn koͤnten, wenn ſie nicht a priori angemeſſene Folgen
mit ihrer Regel verknuͤpften und alſo Verheiſſungen und
Drohungen bey ſich fuͤhrten. Dieſes koͤnnen ſie aber
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 811. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/841>, abgerufen am 22.11.2024.
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