gung) zum Grunde gelegt wird. Die Metaphysik der speculativen Vernunft ist nun das, was man im engeren Verstande Metaphysik zu nennen pflegt; so fern aber reine Sittenlehre doch gleichwol zu dem besonderen Stamme menschlicher und zwar philosophischer Erkentniß aus reiner Vernunft gehöret, so wollen wir ihr iene Benennung er- halten, obgleich wir sie, als zu unserm Zwecke iezt nicht gehörig, hier bey Seite setzen.
Es ist von der äussersten Erheblichkeit, Erkentnisse, die ihrer Gattung und Ursprunge nach von andern unter- schieden sind, zu isoliren und sorgfältig zu verhüten, daß sie nicht mit andern, mit welchen sie im Gebrauche gewöhnlich verbunden sind, in ein Gemische zusammen- fliessen. Was Chemiker beim Scheiden der Materien, was Mathematiker in ihrer reinen Grössenlehre thun, das liegt noch weit mehr dem Philosophen ob, damit er den Antheil, den eine besondere Art der Erkentniß am her- umschweifenden Verstandesgebrauch hat, ihren eigenen Werth und Einfluß sicher bestimmen könne. Daher hat die menschliche Vernunft seitdem, daß sie gedacht, oder vielmehr nachgedacht hat, niemals einer Metaphysik ent- behren, aber gleichwol sie nicht, genugsam geläutert von allem Fremdartigen, darstellen können. Die Idee einer solchen Wissenschaft ist eben so alt, als speculative Men- schenvernunft und welche Vernunft speculirt nicht, es mag nun auf scholastische, oder populäre Art geschehen? Man muß indessen gestehen: daß die Unterscheidung der zwey
Ele-
Methodenlehre III. Hauptſt.
gung) zum Grunde gelegt wird. Die Metaphyſik der ſpeculativen Vernunft iſt nun das, was man im engeren Verſtande Metaphyſik zu nennen pflegt; ſo fern aber reine Sittenlehre doch gleichwol zu dem beſonderen Stamme menſchlicher und zwar philoſophiſcher Erkentniß aus reiner Vernunft gehoͤret, ſo wollen wir ihr iene Benennung er- halten, obgleich wir ſie, als zu unſerm Zwecke iezt nicht gehoͤrig, hier bey Seite ſetzen.
Es iſt von der aͤuſſerſten Erheblichkeit, Erkentniſſe, die ihrer Gattung und Urſprunge nach von andern unter- ſchieden ſind, zu iſoliren und ſorgfaͤltig zu verhuͤten, daß ſie nicht mit andern, mit welchen ſie im Gebrauche gewoͤhnlich verbunden ſind, in ein Gemiſche zuſammen- flieſſen. Was Chemiker beim Scheiden der Materien, was Mathematiker in ihrer reinen Groͤſſenlehre thun, das liegt noch weit mehr dem Philoſophen ob, damit er den Antheil, den eine beſondere Art der Erkentniß am her- umſchweifenden Verſtandesgebrauch hat, ihren eigenen Werth und Einfluß ſicher beſtimmen koͤnne. Daher hat die menſchliche Vernunft ſeitdem, daß ſie gedacht, oder vielmehr nachgedacht hat, niemals einer Metaphyſik ent- behren, aber gleichwol ſie nicht, genugſam gelaͤutert von allem Fremdartigen, darſtellen koͤnnen. Die Idee einer ſolchen Wiſſenſchaft iſt eben ſo alt, als ſpeculative Men- ſchenvernunft und welche Vernunft ſpeculirt nicht, es mag nun auf ſcholaſtiſche, oder populaͤre Art geſchehen? Man muß indeſſen geſtehen: daß die Unterſcheidung der zwey
Ele-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0872"n="842"/><fwplace="top"type="header">Methodenlehre <hirendition="#aq">III.</hi> Hauptſt.</fw><lb/>
gung) zum Grunde gelegt wird. Die Metaphyſik der<lb/>ſpeculativen Vernunft iſt nun das, was man im engeren<lb/>
Verſtande Metaphyſik zu nennen pflegt; ſo fern aber reine<lb/>
Sittenlehre doch gleichwol zu dem beſonderen Stamme<lb/>
menſchlicher und zwar philoſophiſcher Erkentniß aus reiner<lb/>
Vernunft gehoͤret, ſo wollen wir ihr iene Benennung er-<lb/>
halten, obgleich wir ſie, als zu unſerm Zwecke iezt nicht<lb/>
gehoͤrig, hier bey Seite ſetzen.</p><lb/><p>Es iſt von der aͤuſſerſten Erheblichkeit, Erkentniſſe,<lb/>
die ihrer Gattung und Urſprunge nach von andern unter-<lb/>ſchieden ſind, zu iſoliren und ſorgfaͤltig zu verhuͤten,<lb/>
daß ſie nicht mit andern, mit welchen ſie im Gebrauche<lb/>
gewoͤhnlich verbunden ſind, in ein Gemiſche zuſammen-<lb/>
flieſſen. Was Chemiker beim Scheiden der Materien,<lb/>
was Mathematiker in ihrer reinen Groͤſſenlehre thun, das<lb/>
liegt noch weit mehr dem Philoſophen ob, damit er den<lb/>
Antheil, den eine beſondere Art der Erkentniß am her-<lb/>
umſchweifenden Verſtandesgebrauch hat, ihren eigenen<lb/>
Werth und Einfluß ſicher beſtimmen koͤnne. Daher hat<lb/>
die menſchliche Vernunft ſeitdem, daß ſie gedacht, oder<lb/>
vielmehr nachgedacht hat, niemals einer Metaphyſik ent-<lb/>
behren, aber gleichwol ſie nicht, genugſam gelaͤutert von<lb/>
allem Fremdartigen, darſtellen koͤnnen. Die Idee einer<lb/>ſolchen Wiſſenſchaft iſt eben ſo alt, als ſpeculative Men-<lb/>ſchenvernunft und welche Vernunft ſpeculirt nicht, es mag<lb/>
nun auf ſcholaſtiſche, oder populaͤre Art geſchehen? Man<lb/>
muß indeſſen geſtehen: daß die Unterſcheidung der zwey<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ele-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[842/0872]
Methodenlehre III. Hauptſt.
gung) zum Grunde gelegt wird. Die Metaphyſik der
ſpeculativen Vernunft iſt nun das, was man im engeren
Verſtande Metaphyſik zu nennen pflegt; ſo fern aber reine
Sittenlehre doch gleichwol zu dem beſonderen Stamme
menſchlicher und zwar philoſophiſcher Erkentniß aus reiner
Vernunft gehoͤret, ſo wollen wir ihr iene Benennung er-
halten, obgleich wir ſie, als zu unſerm Zwecke iezt nicht
gehoͤrig, hier bey Seite ſetzen.
Es iſt von der aͤuſſerſten Erheblichkeit, Erkentniſſe,
die ihrer Gattung und Urſprunge nach von andern unter-
ſchieden ſind, zu iſoliren und ſorgfaͤltig zu verhuͤten,
daß ſie nicht mit andern, mit welchen ſie im Gebrauche
gewoͤhnlich verbunden ſind, in ein Gemiſche zuſammen-
flieſſen. Was Chemiker beim Scheiden der Materien,
was Mathematiker in ihrer reinen Groͤſſenlehre thun, das
liegt noch weit mehr dem Philoſophen ob, damit er den
Antheil, den eine beſondere Art der Erkentniß am her-
umſchweifenden Verſtandesgebrauch hat, ihren eigenen
Werth und Einfluß ſicher beſtimmen koͤnne. Daher hat
die menſchliche Vernunft ſeitdem, daß ſie gedacht, oder
vielmehr nachgedacht hat, niemals einer Metaphyſik ent-
behren, aber gleichwol ſie nicht, genugſam gelaͤutert von
allem Fremdartigen, darſtellen koͤnnen. Die Idee einer
ſolchen Wiſſenſchaft iſt eben ſo alt, als ſpeculative Men-
ſchenvernunft und welche Vernunft ſpeculirt nicht, es mag
nun auf ſcholaſtiſche, oder populaͤre Art geſchehen? Man
muß indeſſen geſtehen: daß die Unterſcheidung der zwey
Ele-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 842. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/872>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.