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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Methodenlehre III. Hauptst.
steigt. Diese transscendente Physiologie hat daher ent-
weder eine innere Verknüpfung, oder äussere, die aber
beide über mögliche Erfahrung hinaus gehen, zu ihrem
Gegenstande; iene ist die Physiologie der gesamten Natur,
d. i. die transscendentale Welterkentniß, diese des Zu-
sammenhanges der gesamten Natur mit einem Wesen über
der Natur, d. i. die transscendentale Gotteserkentniß.

Die immanente Physiologie betrachtet dagegen Na-
tur, als den Inbegriff aller Gegenstände der Sinne, mit-
hin, so wie sie uns gegeben ist, aber nur nach Bedingun-
gen a priori, unter denen sie uns überhaupt gegeben wer-
den kan. Es sind aber nur zweierley Gegenstände der-
selben. 1. Die der äusseren Sinne, mithin, der Inbegriff
derselben, die körperliche Natur. 2. Der Gegenstand
des inneren Sinnes, die Seele, und, nach den Grund-
begriffen derselben überhaupt, die denkende Natur. Die
Metaphysik der körperlichen Natur heißt Physik, aber,
weil sie nur die Principien ihrer Erkentniß a priori enthal-
ten soll, rationale Physik. Die Metaphysik der denken-
den Natur heißt Psychologie und, aus der eben angeführ-
ten Ursache, ist hier nur die rationale Erkentniß dersel-
ben zu verstehen.

Demnach besteht das ganze System der Metaphysik
aus vier Haupttheilen. 1. Der Ontologie. 2. Der ratio-
nalen Physiologie. 3. Der rationalen Cosmologie. 4.
Der rationalen Theologie. Der zweite Theil, nemlich die
Naturlehre der reinen Vernunft, enthält zwey Abtheilun-

gen

Methodenlehre III. Hauptſt.
ſteigt. Dieſe transſcendente Phyſiologie hat daher ent-
weder eine innere Verknuͤpfung, oder aͤuſſere, die aber
beide uͤber moͤgliche Erfahrung hinaus gehen, zu ihrem
Gegenſtande; iene iſt die Phyſiologie der geſamten Natur,
d. i. die transſcendentale Welterkentniß, dieſe des Zu-
ſammenhanges der geſamten Natur mit einem Weſen uͤber
der Natur, d. i. die transſcendentale Gotteserkentniß.

Die immanente Phyſiologie betrachtet dagegen Na-
tur, als den Inbegriff aller Gegenſtaͤnde der Sinne, mit-
hin, ſo wie ſie uns gegeben iſt, aber nur nach Bedingun-
gen a priori, unter denen ſie uns uͤberhaupt gegeben wer-
den kan. Es ſind aber nur zweierley Gegenſtaͤnde der-
ſelben. 1. Die der aͤuſſeren Sinne, mithin, der Inbegriff
derſelben, die koͤrperliche Natur. 2. Der Gegenſtand
des inneren Sinnes, die Seele, und, nach den Grund-
begriffen derſelben uͤberhaupt, die denkende Natur. Die
Metaphyſik der koͤrperlichen Natur heißt Phyſik, aber,
weil ſie nur die Principien ihrer Erkentniß a priori enthal-
ten ſoll, rationale Phyſik. Die Metaphyſik der denken-
den Natur heißt Pſychologie und, aus der eben angefuͤhr-
ten Urſache, iſt hier nur die rationale Erkentniß derſel-
ben zu verſtehen.

Demnach beſteht das ganze Syſtem der Metaphyſik
aus vier Haupttheilen. 1. Der Ontologie. 2. Der ratio-
nalen Phyſiologie. 3. Der rationalen Cosmologie. 4.
Der rationalen Theologie. Der zweite Theil, nemlich die
Naturlehre der reinen Vernunft, enthaͤlt zwey Abtheilun-

gen
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[846/0876] Methodenlehre III. Hauptſt. ſteigt. Dieſe transſcendente Phyſiologie hat daher ent- weder eine innere Verknuͤpfung, oder aͤuſſere, die aber beide uͤber moͤgliche Erfahrung hinaus gehen, zu ihrem Gegenſtande; iene iſt die Phyſiologie der geſamten Natur, d. i. die transſcendentale Welterkentniß, dieſe des Zu- ſammenhanges der geſamten Natur mit einem Weſen uͤber der Natur, d. i. die transſcendentale Gotteserkentniß. Die immanente Phyſiologie betrachtet dagegen Na- tur, als den Inbegriff aller Gegenſtaͤnde der Sinne, mit- hin, ſo wie ſie uns gegeben iſt, aber nur nach Bedingun- gen a priori, unter denen ſie uns uͤberhaupt gegeben wer- den kan. Es ſind aber nur zweierley Gegenſtaͤnde der- ſelben. 1. Die der aͤuſſeren Sinne, mithin, der Inbegriff derſelben, die koͤrperliche Natur. 2. Der Gegenſtand des inneren Sinnes, die Seele, und, nach den Grund- begriffen derſelben uͤberhaupt, die denkende Natur. Die Metaphyſik der koͤrperlichen Natur heißt Phyſik, aber, weil ſie nur die Principien ihrer Erkentniß a priori enthal- ten ſoll, rationale Phyſik. Die Metaphyſik der denken- den Natur heißt Pſychologie und, aus der eben angefuͤhr- ten Urſache, iſt hier nur die rationale Erkentniß derſel- ben zu verſtehen. Demnach beſteht das ganze Syſtem der Metaphyſik aus vier Haupttheilen. 1. Der Ontologie. 2. Der ratio- nalen Phyſiologie. 3. Der rationalen Cosmologie. 4. Der rationalen Theologie. Der zweite Theil, nemlich die Naturlehre der reinen Vernunft, enthaͤlt zwey Abtheilun- gen

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 846. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/876>, abgerufen am 25.11.2024.