mithin die Eitelkeit ihrer ganzen Kunst bekennen solten, ist diese: Was ist Wahrheit? Die Nahmenerklärung der Wahrheit, daß sie nemlich die Uebereinstimmung der Er- kentniß mit ihrem Gegenstande sey, wird hier geschenkt, und vorausgesezt; man verlangt aber zu wissen, welches das allgemeine und sichere Criterium der Wahrheit einer ieden Erkentniß sey.
Es ist schon ein großer und nöthiger Veweis der Klugheit oder Einsicht, zu wissen, was man vernünftiger Weise fragen solle. Denn wenn die Frage an sich unge- reimt ist, und unnöthige Antworten verlangt, so hat sie, ausser der Beschämung dessen, der sie auswirft, bisweilen noch den Nachtheil, den unbehutsamen Anhörer derselben zu ungereimten Antworten zu verleiten, und den belachens- werthen Anblick zu geben, daß einer (wie die Alten sagten) den Bock melkt, der andre ein Sieb unterhält.
Wenn Wahrheit in der Uebereinstimmung einer Er- kentniß mit ihrem Gegenstande besteht, so muß dadurch dieser Gegenstand von andern unterschieden werden; denn eine Erkentniß ist falsch, wenn sie mit dem Gegenstande, worauf sie bezogen wird, nicht übereinstimmt, ob sie gleich etwas enthält, was wol von andern Gegenständen gelten könte. Nun würde ein allgemeines Criterium der Wahrheit dasienige seyn, welches von allen Erkentnissen, ohne Unterschied ihrer Gegenstände, gültig wäre. Es ist aber klar, daß, da man bey demselben von allem Inhalt der Erkentniß (Beziehung auf ihr Obiect) abstrahirt, und
Wahr-
Elementarlehre. II. Th. Tranſc. Logik.
mithin die Eitelkeit ihrer ganzen Kunſt bekennen ſolten, iſt dieſe: Was iſt Wahrheit? Die Nahmenerklaͤrung der Wahrheit, daß ſie nemlich die Uebereinſtimmung der Er- kentniß mit ihrem Gegenſtande ſey, wird hier geſchenkt, und vorausgeſezt; man verlangt aber zu wiſſen, welches das allgemeine und ſichere Criterium der Wahrheit einer ieden Erkentniß ſey.
Es iſt ſchon ein großer und noͤthiger Veweis der Klugheit oder Einſicht, zu wiſſen, was man vernuͤnftiger Weiſe fragen ſolle. Denn wenn die Frage an ſich unge- reimt iſt, und unnoͤthige Antworten verlangt, ſo hat ſie, auſſer der Beſchaͤmung deſſen, der ſie auſwirft, bisweilen noch den Nachtheil, den unbehutſamen Anhoͤrer derſelben zu ungereimten Antworten zu verleiten, und den belachens- werthen Anblick zu geben, daß einer (wie die Alten ſagten) den Bock melkt, der andre ein Sieb unterhaͤlt.
Wenn Wahrheit in der Uebereinſtimmung einer Er- kentniß mit ihrem Gegenſtande beſteht, ſo muß dadurch dieſer Gegenſtand von andern unterſchieden werden; denn eine Erkentniß iſt falſch, wenn ſie mit dem Gegenſtande, worauf ſie bezogen wird, nicht uͤbereinſtimmt, ob ſie gleich etwas enthaͤlt, was wol von andern Gegenſtaͤnden gelten koͤnte. Nun wuͤrde ein allgemeines Criterium der Wahrheit dasienige ſeyn, welches von allen Erkentniſſen, ohne Unterſchied ihrer Gegenſtaͤnde, guͤltig waͤre. Es iſt aber klar, daß, da man bey demſelben von allem Inhalt der Erkentniß (Beziehung auf ihr Obiect) abſtrahirt, und
Wahr-
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Elementarlehre. II. Th. Tranſc. Logik.
mithin die Eitelkeit ihrer ganzen Kunſt bekennen ſolten, iſt
dieſe: Was iſt Wahrheit? Die Nahmenerklaͤrung der
Wahrheit, daß ſie nemlich die Uebereinſtimmung der Er-
kentniß mit ihrem Gegenſtande ſey, wird hier geſchenkt,
und vorausgeſezt; man verlangt aber zu wiſſen, welches
das allgemeine und ſichere Criterium der Wahrheit einer
ieden Erkentniß ſey.
Es iſt ſchon ein großer und noͤthiger Veweis der
Klugheit oder Einſicht, zu wiſſen, was man vernuͤnftiger
Weiſe fragen ſolle. Denn wenn die Frage an ſich unge-
reimt iſt, und unnoͤthige Antworten verlangt, ſo hat ſie,
auſſer der Beſchaͤmung deſſen, der ſie auſwirft, bisweilen
noch den Nachtheil, den unbehutſamen Anhoͤrer derſelben
zu ungereimten Antworten zu verleiten, und den belachens-
werthen Anblick zu geben, daß einer (wie die Alten ſagten)
den Bock melkt, der andre ein Sieb unterhaͤlt.
Wenn Wahrheit in der Uebereinſtimmung einer Er-
kentniß mit ihrem Gegenſtande beſteht, ſo muß dadurch
dieſer Gegenſtand von andern unterſchieden werden; denn
eine Erkentniß iſt falſch, wenn ſie mit dem Gegenſtande,
worauf ſie bezogen wird, nicht uͤbereinſtimmt, ob ſie
gleich etwas enthaͤlt, was wol von andern Gegenſtaͤnden
gelten koͤnte. Nun wuͤrde ein allgemeines Criterium der
Wahrheit dasienige ſeyn, welches von allen Erkentniſſen,
ohne Unterſchied ihrer Gegenſtaͤnde, guͤltig waͤre. Es iſt
aber klar, daß, da man bey demſelben von allem Inhalt
der Erkentniß (Beziehung auf ihr Obiect) abſtrahirt, und
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/88>, abgerufen am 23.11.2024.
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