würdig leben können, ohne sich um die Wissenschaft zu bekümmern, noch deren Geschäfte zu verwirren.
Was nun die Beobachter einer scientifischen Metho- de betrift, so haben sie hier die Wahl, entweder dogma- tisch oder sceptisch, in allen Fällen aber doch die Verbind- lichkeit, systematisch zu verfahren. Wenn ich hier in Ansehung der ersteren den berühmten Wolf, bey der zweiten David Hume nenne, so kan ich die übrige, mei- ner ietzigen Absicht nach, ungenant lassen. Der critische Weg ist allein noch offen. Wenn der Leser diesen in meiner Gesellschaft durchzuwandern Gefälligkeit und Ge- dult gehabt hat, so mag er iezt urtheilen, ob nicht, wenn es ihm beliebt, das Seinige dazu beizutragen, um diesen Fußsteig zur Heeresstrasse zu machen, dasienige, was viele Jahrhunderte nicht leisten konten, noch vor Ablauf des gegenwärtigen erreicht werden möge: nemlich, die menschliche Vernunft in dem, was ihre Wißbegierde ieder- zeit, bisher aber vergeblich beschäftigt hat, zur völligen Befriedigung zu bringen.
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Methodenlehre IV. Hauptſt. Die Geſch. ꝛc.
wuͤrdig leben koͤnnen, ohne ſich um die Wiſſenſchaft zu bekuͤmmern, noch deren Geſchaͤfte zu verwirren.
Was nun die Beobachter einer ſcientifiſchen Metho- de betrift, ſo haben ſie hier die Wahl, entweder dogma- tiſch oder ſceptiſch, in allen Faͤllen aber doch die Verbind- lichkeit, ſyſtematiſch zu verfahren. Wenn ich hier in Anſehung der erſteren den beruͤhmten Wolf, bey der zweiten David Hume nenne, ſo kan ich die uͤbrige, mei- ner ietzigen Abſicht nach, ungenant laſſen. Der critiſche Weg iſt allein noch offen. Wenn der Leſer dieſen in meiner Geſellſchaft durchzuwandern Gefaͤlligkeit und Ge- dult gehabt hat, ſo mag er iezt urtheilen, ob nicht, wenn es ihm beliebt, das Seinige dazu beizutragen, um dieſen Fußſteig zur Heeresſtraſſe zu machen, dasienige, was viele Jahrhunderte nicht leiſten konten, noch vor Ablauf des gegenwaͤrtigen erreicht werden moͤge: nemlich, die menſchliche Vernunft in dem, was ihre Wißbegierde ieder- zeit, bisher aber vergeblich beſchaͤftigt hat, zur voͤlligen Befriedigung zu bringen.
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Methodenlehre IV. Hauptſt. Die Geſch. ꝛc.
wuͤrdig leben koͤnnen, ohne ſich um die Wiſſenſchaft zu
bekuͤmmern, noch deren Geſchaͤfte zu verwirren.
Was nun die Beobachter einer ſcientifiſchen Metho-
de betrift, ſo haben ſie hier die Wahl, entweder dogma-
tiſch oder ſceptiſch, in allen Faͤllen aber doch die Verbind-
lichkeit, ſyſtematiſch zu verfahren. Wenn ich hier in
Anſehung der erſteren den beruͤhmten Wolf, bey der
zweiten David Hume nenne, ſo kan ich die uͤbrige, mei-
ner ietzigen Abſicht nach, ungenant laſſen. Der critiſche
Weg iſt allein noch offen. Wenn der Leſer dieſen in
meiner Geſellſchaft durchzuwandern Gefaͤlligkeit und Ge-
dult gehabt hat, ſo mag er iezt urtheilen, ob nicht, wenn
es ihm beliebt, das Seinige dazu beizutragen, um dieſen
Fußſteig zur Heeresſtraſſe zu machen, dasienige, was
viele Jahrhunderte nicht leiſten konten, noch vor Ablauf
des gegenwaͤrtigen erreicht werden moͤge: nemlich, die
menſchliche Vernunft in dem, was ihre Wißbegierde ieder-
zeit, bisher aber vergeblich beſchaͤftigt hat, zur voͤlligen
Befriedigung zu bringen.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/886>, abgerufen am 26.11.2024.
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