mit sich gegenwärtige Critik der Urtheilskraft beschäftigt.
Eine Critik der reinen Vernunft, d. i. unseres Vermögens nach Principien a priori zu urtheilen, würde unvollständig seyn, wenn die der Urtheils- kraft, welche für sich als Erkenntnisvermögen dar- auf auch Anspruch macht, nicht als ein besonderer Theil derselben abgehandelt würde; obgleich ihre Principien in einem System der reinen Philosophie keinen besonderen Theil zwischen der theoretischen und practischen ausmachen dürfen, sondern im Nothfalle jedem von beyden gelegentlich angeschlossen werden können. Denn, wenn ein solches System unter dem allgemeinen Nahmen der Metaphysik einmal zu Stande kommen soll (welches ganz voll- ständig zu bewerkstelligen möglich und für den Ge- brauch der Vernunft in aller Beziehung höchst wichtig ist) so muß die Critik den Boden zu diesem Gebäude vorher so tief, als die erste Grundlage des Vermögens von der Erfahrung unabhängiger Principien liegt, erforscht haben, damit es nicht an irgend einem Theile sinke, welches den Einsturz des Ganzen unvermeidlich nach sich ziehen würde.
Vorrede.
mit ſich gegenwaͤrtige Critik der Urtheilskraft beſchaͤftigt.
Eine Critik der reinen Vernunft, d. i. unſeres Vermoͤgens nach Principien a priori zu urtheilen, wuͤrde unvollſtaͤndig ſeyn, wenn die der Urtheils- kraft, welche fuͤr ſich als Erkenntnisvermoͤgen dar- auf auch Anſpruch macht, nicht als ein beſonderer Theil derſelben abgehandelt wuͤrde; obgleich ihre Principien in einem Syſtem der reinen Philoſophie keinen beſonderen Theil zwiſchen der theoretiſchen und practiſchen ausmachen duͤrfen, ſondern im Nothfalle jedem von beyden gelegentlich angeſchloſſen werden koͤnnen. Denn, wenn ein ſolches Syſtem unter dem allgemeinen Nahmen der Metaphyſik einmal zu Stande kommen ſoll (welches ganz voll- ſtaͤndig zu bewerkſtelligen moͤglich und fuͤr den Ge- brauch der Vernunft in aller Beziehung hoͤchſt wichtig iſt) ſo muß die Critik den Boden zu dieſem Gebaͤude vorher ſo tief, als die erſte Grundlage des Vermoͤgens von der Erfahrung unabhaͤngiger Principien liegt, erforſcht haben, damit es nicht an irgend einem Theile ſinke, welches den Einſturz des Ganzen unvermeidlich nach ſich ziehen wuͤrde.
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[VI/0012]
Vorrede.
mit ſich gegenwaͤrtige Critik der Urtheilskraft
beſchaͤftigt.
Eine Critik der reinen Vernunft, d. i. unſeres
Vermoͤgens nach Principien a priori zu urtheilen,
wuͤrde unvollſtaͤndig ſeyn, wenn die der Urtheils-
kraft, welche fuͤr ſich als Erkenntnisvermoͤgen dar-
auf auch Anſpruch macht, nicht als ein beſonderer
Theil derſelben abgehandelt wuͤrde; obgleich ihre
Principien in einem Syſtem der reinen Philoſophie
keinen beſonderen Theil zwiſchen der theoretiſchen
und practiſchen ausmachen duͤrfen, ſondern im
Nothfalle jedem von beyden gelegentlich angeſchloſſen
werden koͤnnen. Denn, wenn ein ſolches Syſtem
unter dem allgemeinen Nahmen der Metaphyſik
einmal zu Stande kommen ſoll (welches ganz voll-
ſtaͤndig zu bewerkſtelligen moͤglich und fuͤr den Ge-
brauch der Vernunft in aller Beziehung hoͤchſt
wichtig iſt) ſo muß die Critik den Boden zu dieſem
Gebaͤude vorher ſo tief, als die erſte Grundlage
des Vermoͤgens von der Erfahrung unabhaͤngiger
Principien liegt, erforſcht haben, damit es nicht an
irgend einem Theile ſinke, welches den Einſturz des
Ganzen unvermeidlich nach ſich ziehen wuͤrde.
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/12>, abgerufen am 04.12.2024.
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