Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
ctives Urtheil wäre, was auf Erkenntnisgründen beruht
und durch einen Beweis könnte erzwungen werden.

§. 34.
Es ist kein objectives Princip des Geschmacks
möglich
.

Unter einem Princip des Geschmacks würde man
einen Grundsatz verstehen, unter dessen Bedingung man
den Begrif eines Gegenstandes subsumiren und alsdenn
durch einen Schlus herausbringen könnte, daß er schön
sey. Das ist aber schlechterdings unmöglich. Denn ich
muß unmittelbar an der Vorstellung desselben die Lust
empfinden und sie kann mir durch keine Beweisgründe
angeschwatzt werden. Obgleich also Critiker, wie Hume
sagt, scheinbarer vernünfteln können als Köche, so ha-
ben sie doch mit diesen einerley Schicksal. Den Bestim-
mungsgrund ihres Urtheils können sie nicht von der
Kraft der Beweisgründe, sondern nur von der Reflexion
des Subjects über seinen eigenen Zustand (der Lust oder
Unlust,) mit Abweisung aller Vorschriften und Regeln,
erwarten.

Worüber aber Critiker dennoch vernünfteln können
und sollen, so, daß es zur Berichtigung und Erweite-
rung unserer Geschmacksurtheile gereiche, das ist nicht,
um den Bestimmungsgrund dieser Art ästhetischer Ur-
theile in einer allgemeinen brauchbaren Formel darzule-

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ctives Urtheil waͤre, was auf Erkenntnisgruͤnden beruht
und durch einen Beweis koͤnnte erzwungen werden.

§. 34.
Es iſt kein objectives Princip des Geſchmacks
moͤglich
.

Unter einem Princip des Geſchmacks wuͤrde man
einen Grundſatz verſtehen, unter deſſen Bedingung man
den Begrif eines Gegenſtandes ſubſumiren und alsdenn
durch einen Schlus herausbringen koͤnnte, daß er ſchoͤn
ſey. Das iſt aber ſchlechterdings unmoͤglich. Denn ich
muß unmittelbar an der Vorſtellung deſſelben die Luſt
empfinden und ſie kann mir durch keine Beweisgruͤnde
angeſchwatzt werden. Obgleich alſo Critiker, wie Hume
ſagt, ſcheinbarer vernuͤnfteln koͤnnen als Koͤche, ſo ha-
ben ſie doch mit dieſen einerley Schickſal. Den Beſtim-
mungsgrund ihres Urtheils koͤnnen ſie nicht von der
Kraft der Beweisgruͤnde, ſondern nur von der Reflexion
des Subjects uͤber ſeinen eigenen Zuſtand (der Luſt oder
Unluſt,) mit Abweiſung aller Vorſchriften und Regeln,
erwarten.

Woruͤber aber Critiker dennoch vernuͤnfteln koͤnnen
und ſollen, ſo, daß es zur Berichtigung und Erweite-
rung unſerer Geſchmacksurtheile gereiche, das iſt nicht,
um den Beſtimmungsgrund dieſer Art aͤſthetiſcher Ur-
theile in einer allgemeinen brauchbaren Formel darzule-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0205" n="141"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Critik der a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
ctives Urtheil wa&#x0364;re, was auf Erkenntnisgru&#x0364;nden beruht<lb/>
und durch einen Beweis ko&#x0364;nnte erzwungen werden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#b">§. 34.<lb/>
Es i&#x017F;t kein objectives Princip des Ge&#x017F;chmacks<lb/>
mo&#x0364;glich</hi>.</head><lb/>
              <p>Unter einem Princip des Ge&#x017F;chmacks wu&#x0364;rde man<lb/>
einen Grund&#x017F;atz ver&#x017F;tehen, unter de&#x017F;&#x017F;en Bedingung man<lb/>
den Begrif eines Gegen&#x017F;tandes &#x017F;ub&#x017F;umiren und alsdenn<lb/>
durch einen Schlus herausbringen ko&#x0364;nnte, daß er &#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
&#x017F;ey. Das i&#x017F;t aber &#x017F;chlechterdings unmo&#x0364;glich. Denn ich<lb/>
muß unmittelbar an der Vor&#x017F;tellung de&#x017F;&#x017F;elben die Lu&#x017F;t<lb/>
empfinden und &#x017F;ie kann mir durch keine Beweisgru&#x0364;nde<lb/>
ange&#x017F;chwatzt werden. Obgleich al&#x017F;o Critiker, wie <hi rendition="#fr">Hume</hi><lb/>
&#x017F;agt, &#x017F;cheinbarer vernu&#x0364;nfteln ko&#x0364;nnen als Ko&#x0364;che, &#x017F;o ha-<lb/>
ben &#x017F;ie doch mit die&#x017F;en einerley Schick&#x017F;al. Den Be&#x017F;tim-<lb/>
mungsgrund ihres Urtheils ko&#x0364;nnen &#x017F;ie nicht von der<lb/>
Kraft der Beweisgru&#x0364;nde, &#x017F;ondern nur von der Reflexion<lb/>
des Subjects u&#x0364;ber &#x017F;einen eigenen Zu&#x017F;tand (der Lu&#x017F;t oder<lb/>
Unlu&#x017F;t,) mit Abwei&#x017F;ung aller Vor&#x017F;chriften und Regeln,<lb/>
erwarten.</p><lb/>
              <p>Woru&#x0364;ber aber Critiker dennoch vernu&#x0364;nfteln ko&#x0364;nnen<lb/>
und &#x017F;ollen, &#x017F;o, daß es zur Berichtigung und Erweite-<lb/>
rung un&#x017F;erer Ge&#x017F;chmacksurtheile gereiche, das i&#x017F;t nicht,<lb/>
um den Be&#x017F;timmungsgrund die&#x017F;er Art a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;cher Ur-<lb/>
theile in einer allgemeinen brauchbaren Formel darzule-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0205] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. ctives Urtheil waͤre, was auf Erkenntnisgruͤnden beruht und durch einen Beweis koͤnnte erzwungen werden. §. 34. Es iſt kein objectives Princip des Geſchmacks moͤglich. Unter einem Princip des Geſchmacks wuͤrde man einen Grundſatz verſtehen, unter deſſen Bedingung man den Begrif eines Gegenſtandes ſubſumiren und alsdenn durch einen Schlus herausbringen koͤnnte, daß er ſchoͤn ſey. Das iſt aber ſchlechterdings unmoͤglich. Denn ich muß unmittelbar an der Vorſtellung deſſelben die Luſt empfinden und ſie kann mir durch keine Beweisgruͤnde angeſchwatzt werden. Obgleich alſo Critiker, wie Hume ſagt, ſcheinbarer vernuͤnfteln koͤnnen als Koͤche, ſo ha- ben ſie doch mit dieſen einerley Schickſal. Den Beſtim- mungsgrund ihres Urtheils koͤnnen ſie nicht von der Kraft der Beweisgruͤnde, ſondern nur von der Reflexion des Subjects uͤber ſeinen eigenen Zuſtand (der Luſt oder Unluſt,) mit Abweiſung aller Vorſchriften und Regeln, erwarten. Woruͤber aber Critiker dennoch vernuͤnfteln koͤnnen und ſollen, ſo, daß es zur Berichtigung und Erweite- rung unſerer Geſchmacksurtheile gereiche, das iſt nicht, um den Beſtimmungsgrund dieſer Art aͤſthetiſcher Ur- theile in einer allgemeinen brauchbaren Formel darzule-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/205
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/205>, abgerufen am 04.12.2024.