lich ist, welche, da sie zur theoretischen Philosophie ge- hören, jenen Vorschriften als bloßen Corollarien aus derselben (der Naturwissenschaft), keine Stelle in einer besonderen Philosophie, die practische genannt, ver- langen können. Dagegen machen die moralisch-prac- tische Vorschriften, die sich gänzlich auf dem Freyheits- begriffe, mit völliger Ausschließung der Bestimmungs- gründe des Willens aus der Natur, gründen, eine ganz besondere Art von Vorschriften aus, welche auch, gleich denen Regeln, denen die Natur gehorcht, schlechthin Gesetze heissen, aber nicht, wie diese, auf siulichen Bedingungen, sondern auf einem übersinn- lichen Princip beruhen und, neben dem theoretischen Theile der Philosophie, für sich ganz allein, einen an- deren Theil, unter dem Nahmen der practischen Phi- losophie, fordern.
Man siehet hieraus daß ein Jnbegrif practischer Vorschriften, welche die Philosophie giebt, nicht einen besonderen, dem theoretischen zur Seite gesetzten, Theil derselben darum ausmache, weil sie practisch sind; denn das könnten sie seyn wenn ihre Principien gleich gänzlich aus der theoretischen Erkenntnis der Natur hergenommen wären, (als technisch-practische Regeln), sondern weil und wenn ihr Princip gar nicht vom Naturbegriffe, der jederzeit sinnlich bedingt ist, entlehnt ist, mithin auf dem Uebersinnlichen, welches der Freyheitsbegrif allein durch formale Gesetze kenn-
Einleitung.
lich iſt, welche, da ſie zur theoretiſchen Philoſophie ge- hoͤren, jenen Vorſchriften als bloßen Corollarien aus derſelben (der Naturwiſſenſchaft), keine Stelle in einer beſonderen Philoſophie, die practiſche genannt, ver- langen koͤnnen. Dagegen machen die moraliſch-prac- tiſche Vorſchriften, die ſich gaͤnzlich auf dem Freyheits- begriffe, mit voͤlliger Ausſchließung der Beſtimmungs- gruͤnde des Willens aus der Natur, gruͤnden, eine ganz beſondere Art von Vorſchriften aus, welche auch, gleich denen Regeln, denen die Natur gehorcht, ſchlechthin Geſetze heiſſen, aber nicht, wie dieſe, auf ſiulichen Bedingungen, ſondern auf einem uͤberſinn- lichen Princip beruhen und, neben dem theoretiſchen Theile der Philoſophie, fuͤr ſich ganz allein, einen an- deren Theil, unter dem Nahmen der practiſchen Phi- loſophie, fordern.
Man ſiehet hieraus daß ein Jnbegrif practiſcher Vorſchriften, welche die Philoſophie giebt, nicht einen beſonderen, dem theoretiſchen zur Seite geſetzten, Theil derſelben darum ausmache, weil ſie practiſch ſind; denn das koͤnnten ſie ſeyn wenn ihre Principien gleich gaͤnzlich aus der theoretiſchen Erkenntnis der Natur hergenommen waͤren, (als techniſch-practiſche Regeln), ſondern weil und wenn ihr Princip gar nicht vom Naturbegriffe, der jederzeit ſinnlich bedingt iſt, entlehnt iſt, mithin auf dem Ueberſinnlichen, welches der Freyheitsbegrif allein durch formale Geſetze kenn-
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[XV/0021]
Einleitung.
lich iſt, welche, da ſie zur theoretiſchen Philoſophie ge-
hoͤren, jenen Vorſchriften als bloßen Corollarien aus
derſelben (der Naturwiſſenſchaft), keine Stelle in einer
beſonderen Philoſophie, die practiſche genannt, ver-
langen koͤnnen. Dagegen machen die moraliſch-prac-
tiſche Vorſchriften, die ſich gaͤnzlich auf dem Freyheits-
begriffe, mit voͤlliger Ausſchließung der Beſtimmungs-
gruͤnde des Willens aus der Natur, gruͤnden, eine
ganz beſondere Art von Vorſchriften aus, welche auch,
gleich denen Regeln, denen die Natur gehorcht,
ſchlechthin Geſetze heiſſen, aber nicht, wie dieſe, auf
ſiulichen Bedingungen, ſondern auf einem uͤberſinn-
lichen Princip beruhen und, neben dem theoretiſchen
Theile der Philoſophie, fuͤr ſich ganz allein, einen an-
deren Theil, unter dem Nahmen der practiſchen Phi-
loſophie, fordern.
Man ſiehet hieraus daß ein Jnbegrif practiſcher
Vorſchriften, welche die Philoſophie giebt, nicht einen
beſonderen, dem theoretiſchen zur Seite geſetzten,
Theil derſelben darum ausmache, weil ſie practiſch
ſind; denn das koͤnnten ſie ſeyn wenn ihre Principien
gleich gaͤnzlich aus der theoretiſchen Erkenntnis der
Natur hergenommen waͤren, (als techniſch-practiſche
Regeln), ſondern weil und wenn ihr Princip gar nicht
vom Naturbegriffe, der jederzeit ſinnlich bedingt iſt,
entlehnt iſt, mithin auf dem Ueberſinnlichen, welches
der Freyheitsbegrif allein durch formale Geſetze kenn-
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/21>, abgerufen am 16.07.2024.
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