Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
Zusammenstimmung beyder Gemüthskräfte gesetzlich,
unter dem Zwange bestimmter Begriffe. Nur da, wo
Einbildungskraft in ihrer Freyheit den Verstand erweckt
und dieser ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein re-
gelmäßig Spiel setzt, da theilt sich die Vorstellung, nicht
als Gedanke, sondern als inneres Gefühl, eines zweck-
mäßigen Zustandes des Gemüths mit.

Der Geschmack ist also das Vermögen die Mittheil-
barkeit der Gefühle, welche mit gegebener Vorstellung
(ohne Vermittelung eines Begrifs) verbunden sind,
a priori zu beurtheilen.

Wenn man annehmen dürfte, daß die bloße allge-
meine Mittheilbarkeit seines Gefühls an sich schon ein
Jnteresse für uns bey sich führen müsse, (welches man
aber aus der Beschaffenheit einer blos reflectirenden Ur-
theilskraft zu schließen nicht berechtigt ist) so würde man
sich erklären können, woher das Gefühl im Geschmacks-
urtheile gleichsam als Pflicht jedermann zugemuthet
werde.

§. 41.
Vom empirischen Jnteresse am Schönen.

Daß das Geschmacksurtheil, wodurch etwas für
schön erklärt wird, kein Jnteresse zum Bestimmungs-
grunde
haben müsse, ist oben hinreichend dargethan
worden. Aber daraus folgt nicht, daß ein solches, nach-
dem es, als reines ästhetisches Urtheil, gegeben wor-

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Zuſammenſtimmung beyder Gemuͤthskraͤfte geſetzlich,
unter dem Zwange beſtimmter Begriffe. Nur da, wo
Einbildungskraft in ihrer Freyheit den Verſtand erweckt
und dieſer ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein re-
gelmaͤßig Spiel ſetzt, da theilt ſich die Vorſtellung, nicht
als Gedanke, ſondern als inneres Gefuͤhl, eines zweck-
maͤßigen Zuſtandes des Gemuͤths mit.

Der Geſchmack iſt alſo das Vermoͤgen die Mittheil-
barkeit der Gefuͤhle, welche mit gegebener Vorſtellung
(ohne Vermittelung eines Begrifs) verbunden ſind,
a priori zu beurtheilen.

Wenn man annehmen duͤrfte, daß die bloße allge-
meine Mittheilbarkeit ſeines Gefuͤhls an ſich ſchon ein
Jntereſſe fuͤr uns bey ſich fuͤhren muͤſſe, (welches man
aber aus der Beſchaffenheit einer blos reflectirenden Ur-
theilskraft zu ſchließen nicht berechtigt iſt) ſo wuͤrde man
ſich erklaͤren koͤnnen, woher das Gefuͤhl im Geſchmacks-
urtheile gleichſam als Pflicht jedermann zugemuthet
werde.

§. 41.
Vom empiriſchen Jntereſſe am Schoͤnen.

Daß das Geſchmacksurtheil, wodurch etwas fuͤr
ſchoͤn erklaͤrt wird, kein Jntereſſe zum Beſtimmungs-
grunde
haben muͤſſe, iſt oben hinreichend dargethan
worden. Aber daraus folgt nicht, daß ein ſolches, nach-
dem es, als reines aͤſthetiſches Urtheil, gegeben wor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0223" n="159"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Critik der a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
Zu&#x017F;ammen&#x017F;timmung beyder Gemu&#x0364;thskra&#x0364;fte <hi rendition="#fr">ge&#x017F;etzlich,</hi><lb/>
unter dem Zwange be&#x017F;timmter Begriffe. Nur da, wo<lb/>
Einbildungskraft in ihrer Freyheit den Ver&#x017F;tand erweckt<lb/>
und die&#x017F;er ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein re-<lb/>
gelma&#x0364;ßig Spiel &#x017F;etzt, da theilt &#x017F;ich die Vor&#x017F;tellung, nicht<lb/>
als Gedanke, &#x017F;ondern als inneres Gefu&#x0364;hl, eines zweck-<lb/>
ma&#x0364;ßigen Zu&#x017F;tandes des Gemu&#x0364;ths mit.</p><lb/>
              <p>Der Ge&#x017F;chmack i&#x017F;t al&#x017F;o das Vermo&#x0364;gen die Mittheil-<lb/>
barkeit der Gefu&#x0364;hle, welche mit gegebener Vor&#x017F;tellung<lb/>
(ohne Vermittelung eines Begrifs) verbunden &#x017F;ind,<lb/><hi rendition="#aq">a priori</hi> zu beurtheilen.</p><lb/>
              <p>Wenn man annehmen du&#x0364;rfte, daß die bloße allge-<lb/>
meine Mittheilbarkeit &#x017F;eines Gefu&#x0364;hls an &#x017F;ich &#x017F;chon ein<lb/>
Jntere&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;r uns bey &#x017F;ich fu&#x0364;hren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, (welches man<lb/>
aber aus der Be&#x017F;chaffenheit einer blos reflectirenden Ur-<lb/>
theilskraft zu &#x017F;chließen nicht berechtigt i&#x017F;t) &#x017F;o wu&#x0364;rde man<lb/>
&#x017F;ich erkla&#x0364;ren ko&#x0364;nnen, woher das Gefu&#x0364;hl im Ge&#x017F;chmacks-<lb/>
urtheile gleich&#x017F;am als Pflicht jedermann zugemuthet<lb/>
werde.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">§. 41.<lb/>
Vom empiri&#x017F;chen Jntere&#x017F;&#x017F;e am Scho&#x0364;nen.</hi> </head><lb/>
              <p>Daß das Ge&#x017F;chmacksurtheil, wodurch etwas fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n erkla&#x0364;rt wird, kein Jntere&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#fr">zum Be&#x017F;timmungs-<lb/>
grunde</hi> haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, i&#x017F;t oben hinreichend dargethan<lb/>
worden. Aber daraus folgt nicht, daß ein &#x017F;olches, nach-<lb/>
dem es, als reines a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;ches Urtheil, gegeben wor-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0223] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. Zuſammenſtimmung beyder Gemuͤthskraͤfte geſetzlich, unter dem Zwange beſtimmter Begriffe. Nur da, wo Einbildungskraft in ihrer Freyheit den Verſtand erweckt und dieſer ohne Begriffe die Einbildungskraft in ein re- gelmaͤßig Spiel ſetzt, da theilt ſich die Vorſtellung, nicht als Gedanke, ſondern als inneres Gefuͤhl, eines zweck- maͤßigen Zuſtandes des Gemuͤths mit. Der Geſchmack iſt alſo das Vermoͤgen die Mittheil- barkeit der Gefuͤhle, welche mit gegebener Vorſtellung (ohne Vermittelung eines Begrifs) verbunden ſind, a priori zu beurtheilen. Wenn man annehmen duͤrfte, daß die bloße allge- meine Mittheilbarkeit ſeines Gefuͤhls an ſich ſchon ein Jntereſſe fuͤr uns bey ſich fuͤhren muͤſſe, (welches man aber aus der Beſchaffenheit einer blos reflectirenden Ur- theilskraft zu ſchließen nicht berechtigt iſt) ſo wuͤrde man ſich erklaͤren koͤnnen, woher das Gefuͤhl im Geſchmacks- urtheile gleichſam als Pflicht jedermann zugemuthet werde. §. 41. Vom empiriſchen Jntereſſe am Schoͤnen. Daß das Geſchmacksurtheil, wodurch etwas fuͤr ſchoͤn erklaͤrt wird, kein Jntereſſe zum Beſtimmungs- grunde haben muͤſſe, iſt oben hinreichend dargethan worden. Aber daraus folgt nicht, daß ein ſolches, nach- dem es, als reines aͤſthetiſches Urtheil, gegeben wor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/223
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/223>, abgerufen am 04.12.2024.