(die regelmäßig gebauete Wachsscheiben) ein Kunstwerk zu nennen beliebt, so geschieht dieses doch nur wegen der Analogie mit der letzteren; sobald man sich nämlich be- sinnt, daß sie ihre Arbeit auf keine eigene Vernunftüber- legung gründen, so sagt man alsbald, es ist ein Product ihrer Natur (des Jnstincts) und als Kunst wird es nur ihrem Schöpfer zugeschrieben.
Wenn man bey Durchsuchung eines Moorbruches, wie es bisweilen geschehen ist, ein Stück behauenes Holz antrift, so sagt man nicht, es ist ein Product der Na- tur, sondern der Kunst; die hervorbringende Ursache derselben hat sich einen Zweck gedacht, dem dieses seine Form zu danken hat. Sonst sieht man wohl auch an allem eine Kunst, was so beschaffen ist, daß eine Vor- stellung desselben in ihrer Ursache vor ihrer Wirklichkeit vorhergegangen seyn muß (wie selbst bey Bienen), ohne daß doch die Wirkung von ihr eben gedacht seyn dürfe; wenn man aber etwas schlechthin ein Kunstwerk nennt, um es von einer Naturwirkung zu unterscheiden, so ver- steht man allemal darunter ein Werk der Menschen.
2) Kunst als Geschicklichkeit des Menschen wird auch von der Wissenschaft unterschieden (Können vom Wissen), als practisches vom theoretischen Ver- mögen, als Technik von der Theorie (wie die Feldmeß- kunst von der Geometrie). Und da wird auch das, was man kann, sobald man nur weiß, was gethan wer- den soll und also nur die begehrte Wirkung genugsam
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
(die regelmaͤßig gebauete Wachsſcheiben) ein Kunſtwerk zu nennen beliebt, ſo geſchieht dieſes doch nur wegen der Analogie mit der letzteren; ſobald man ſich naͤmlich be- ſinnt, daß ſie ihre Arbeit auf keine eigene Vernunftuͤber- legung gruͤnden, ſo ſagt man alsbald, es iſt ein Product ihrer Natur (des Jnſtincts) und als Kunſt wird es nur ihrem Schoͤpfer zugeſchrieben.
Wenn man bey Durchſuchung eines Moorbruches, wie es bisweilen geſchehen iſt, ein Stuͤck behauenes Holz antrift, ſo ſagt man nicht, es iſt ein Product der Na- tur, ſondern der Kunſt; die hervorbringende Urſache derſelben hat ſich einen Zweck gedacht, dem dieſes ſeine Form zu danken hat. Sonſt ſieht man wohl auch an allem eine Kunſt, was ſo beſchaffen iſt, daß eine Vor- ſtellung deſſelben in ihrer Urſache vor ihrer Wirklichkeit vorhergegangen ſeyn muß (wie ſelbſt bey Bienen), ohne daß doch die Wirkung von ihr eben gedacht ſeyn duͤrfe; wenn man aber etwas ſchlechthin ein Kunſtwerk nennt, um es von einer Naturwirkung zu unterſcheiden, ſo ver- ſteht man allemal darunter ein Werk der Menſchen.
2) Kunſt als Geſchicklichkeit des Menſchen wird auch von der Wiſſenſchaft unterſchieden (Koͤnnen vom Wiſſen), als practiſches vom theoretiſchen Ver- moͤgen, als Technik von der Theorie (wie die Feldmeß- kunſt von der Geometrie). Und da wird auch das, was man kann, ſobald man nur weiß, was gethan wer- den ſoll und alſo nur die begehrte Wirkung genugſam
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
(die regelmaͤßig gebauete Wachsſcheiben) ein Kunſtwerk
zu nennen beliebt, ſo geſchieht dieſes doch nur wegen der
Analogie mit der letzteren; ſobald man ſich naͤmlich be-
ſinnt, daß ſie ihre Arbeit auf keine eigene Vernunftuͤber-
legung gruͤnden, ſo ſagt man alsbald, es iſt ein Product
ihrer Natur (des Jnſtincts) und als Kunſt wird es nur
ihrem Schoͤpfer zugeſchrieben.
Wenn man bey Durchſuchung eines Moorbruches,
wie es bisweilen geſchehen iſt, ein Stuͤck behauenes Holz
antrift, ſo ſagt man nicht, es iſt ein Product der Na-
tur, ſondern der Kunſt; die hervorbringende Urſache
derſelben hat ſich einen Zweck gedacht, dem dieſes ſeine
Form zu danken hat. Sonſt ſieht man wohl auch an
allem eine Kunſt, was ſo beſchaffen iſt, daß eine Vor-
ſtellung deſſelben in ihrer Urſache vor ihrer Wirklichkeit
vorhergegangen ſeyn muß (wie ſelbſt bey Bienen), ohne
daß doch die Wirkung von ihr eben gedacht ſeyn duͤrfe;
wenn man aber etwas ſchlechthin ein Kunſtwerk nennt,
um es von einer Naturwirkung zu unterſcheiden, ſo ver-
ſteht man allemal darunter ein Werk der Menſchen.
2) Kunſt als Geſchicklichkeit des Menſchen wird
auch von der Wiſſenſchaft unterſchieden (Koͤnnen
vom Wiſſen), als practiſches vom theoretiſchen Ver-
moͤgen, als Technik von der Theorie (wie die Feldmeß-
kunſt von der Geometrie). Und da wird auch das, was
man kann, ſobald man nur weiß, was gethan wer-
den ſoll und alſo nur die begehrte Wirkung genugſam
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/236>, abgerufen am 04.12.2024.
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