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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
chung eines Größten nacheifert, in einer Vollständigkeit
sinnlich zu machen, für die sich in der Natur kein Bey-
spiel findet und es ist eigentlich die Dichtkunst, in wel-
cher sich das Vermögen ästhetischer Jdeen in seinem gan-
zen Maaße zeigen kann. Dieses Vermögen aber für sich
allein betrachtet ist eigentlich nur ein Talent (der Ein-
bildungskraft).

Wenn nun einem Begriffe eine Vorstellung der Ein-
bildungskraft untergelegt wird, die zu seiner Darstellung
gehört, aber für sich allein so viel zu denken veranlaßt,
als sich niemals in einem bestimmten Begrif zusammen-
fassen läßt, mithin den Begrif selbst auf unbegrenzte
Art ästhetisch erweitert, so ist die Einbildungskraft hie-
bey schöpferisch und bringt das Vermögen intellectueller
Jdeen (die Vernunft) in Bewegung, mehr bey Veran-
lassung einer Vorstellung zu denken, (was zwar zu dem
Begriffe des Gegenstandes gehört) als in ihr aufgefaßt
und deutlich gedacht werden kann.

Man nennt diejenige Formen, welche nicht die Dar-
stellung eines gegebenen Begrifs selber ausmachen, son-
dern nur, als Nebenvorstellungen der Einbildungskraft,
die damit verknüpfte Folgen und die Verwandschaft des-
selben mit andern ausdrücken, Attribute (ästhetische)
eines Gegenstandes, dessen Begrif, als Vernunftidee,
nicht adäquat dargestellt werden kann. So ist der Adler
des Jupiters, mit dem Blitze in den Klauen, ein Attri-
but des mächtigen Himmelsköniges und der Pfau der

prächtigen

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
chung eines Groͤßten nacheifert, in einer Vollſtaͤndigkeit
ſinnlich zu machen, fuͤr die ſich in der Natur kein Bey-
ſpiel findet und es iſt eigentlich die Dichtkunſt, in wel-
cher ſich das Vermoͤgen aͤſthetiſcher Jdeen in ſeinem gan-
zen Maaße zeigen kann. Dieſes Vermoͤgen aber fuͤr ſich
allein betrachtet iſt eigentlich nur ein Talent (der Ein-
bildungskraft).

Wenn nun einem Begriffe eine Vorſtellung der Ein-
bildungskraft untergelegt wird, die zu ſeiner Darſtellung
gehoͤrt, aber fuͤr ſich allein ſo viel zu denken veranlaßt,
als ſich niemals in einem beſtimmten Begrif zuſammen-
faſſen laͤßt, mithin den Begrif ſelbſt auf unbegrenzte
Art aͤſthetiſch erweitert, ſo iſt die Einbildungskraft hie-
bey ſchoͤpferiſch und bringt das Vermoͤgen intellectueller
Jdeen (die Vernunft) in Bewegung, mehr bey Veran-
laſſung einer Vorſtellung zu denken, (was zwar zu dem
Begriffe des Gegenſtandes gehoͤrt) als in ihr aufgefaßt
und deutlich gedacht werden kann.

Man nennt diejenige Formen, welche nicht die Dar-
ſtellung eines gegebenen Begrifs ſelber ausmachen, ſon-
dern nur, als Nebenvorſtellungen der Einbildungskraft,
die damit verknuͤpfte Folgen und die Verwandſchaft deſ-
ſelben mit andern ausdruͤcken, Attribute (aͤſthetiſche)
eines Gegenſtandes, deſſen Begrif, als Vernunftidee,
nicht adaͤquat dargeſtellt werden kann. So iſt der Adler
des Jupiters, mit dem Blitze in den Klauen, ein Attri-
but des maͤchtigen Himmelskoͤniges und der Pfau der

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[192/0256] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. chung eines Groͤßten nacheifert, in einer Vollſtaͤndigkeit ſinnlich zu machen, fuͤr die ſich in der Natur kein Bey- ſpiel findet und es iſt eigentlich die Dichtkunſt, in wel- cher ſich das Vermoͤgen aͤſthetiſcher Jdeen in ſeinem gan- zen Maaße zeigen kann. Dieſes Vermoͤgen aber fuͤr ſich allein betrachtet iſt eigentlich nur ein Talent (der Ein- bildungskraft). Wenn nun einem Begriffe eine Vorſtellung der Ein- bildungskraft untergelegt wird, die zu ſeiner Darſtellung gehoͤrt, aber fuͤr ſich allein ſo viel zu denken veranlaßt, als ſich niemals in einem beſtimmten Begrif zuſammen- faſſen laͤßt, mithin den Begrif ſelbſt auf unbegrenzte Art aͤſthetiſch erweitert, ſo iſt die Einbildungskraft hie- bey ſchoͤpferiſch und bringt das Vermoͤgen intellectueller Jdeen (die Vernunft) in Bewegung, mehr bey Veran- laſſung einer Vorſtellung zu denken, (was zwar zu dem Begriffe des Gegenſtandes gehoͤrt) als in ihr aufgefaßt und deutlich gedacht werden kann. Man nennt diejenige Formen, welche nicht die Dar- ſtellung eines gegebenen Begrifs ſelber ausmachen, ſon- dern nur, als Nebenvorſtellungen der Einbildungskraft, die damit verknuͤpfte Folgen und die Verwandſchaft deſ- ſelben mit andern ausdruͤcken, Attribute (aͤſthetiſche) eines Gegenſtandes, deſſen Begrif, als Vernunftidee, nicht adaͤquat dargeſtellt werden kann. So iſt der Adler des Jupiters, mit dem Blitze in den Klauen, ein Attri- but des maͤchtigen Himmelskoͤniges und der Pfau der praͤchtigen

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/256>, abgerufen am 05.12.2024.