enthält, die für sich weder zum theoretischen noch practi- schen Gebrauche tauglich sind.
Die Naturbegriffe, welche den Grund zu allem theo- retischen Erkenntnis a priori enthalten, beruheten auf der Gesetzgebung des Verstandes. -- Der Freyheitsbegrif, der den Grund zu allen sinnlich-unbedingten practischen Vorschriften a priori enthielt, beruhete auf der Gesetzge- bung der Vernunft. Beyde Vermögen also haben, außer dem, daß sie der logischen Form nach auf Principien, welchen Ursprungs sie auch seyn mögen, angewandt wer- den können, überdem noch jedes seine eigene Gesetzge- bung dem Jnhalte nach, über die es keine andere (a priori) giebt, und die daher die Eintheilung der Philosophie in die theoretische und practische rechtfertigt.
Allein in der Familie der oberen Erkenntnisvermö- gen giebt es doch noch ein Mittelglied zwischen dem Ver- stande und der Vernunft: dieses ist die Urtheilskraft, von welcher man Ursache hat, nach der Analogie zu ver- muthen, daß sie eben sowohl, wenn gleich nicht eine ei- gene Gesetzgebung, doch ein ihr eigenes Princip nach Ge- setzen zn suchen, allenfalls ein blos subjectives a priori, in sich enthalten dürfte, welches, wenn ihm gleich kein Feld der Gegenstände als sein Gebiet zustände, doch ir- gend einen Boden haben kann, und eine gewisse Be- schaffenheit desselben wofür gerade nur dieses Princip gel- tend seyn möchte.
b 3
Einleitung.
enthaͤlt, die fuͤr ſich weder zum theoretiſchen noch practi- ſchen Gebrauche tauglich ſind.
Die Naturbegriffe, welche den Grund zu allem theo- retiſchen Erkenntnis a priori enthalten, beruheten auf der Geſetzgebung des Verſtandes. — Der Freyheitsbegrif, der den Grund zu allen ſinnlich-unbedingten practiſchen Vorſchriften a priori enthielt, beruhete auf der Geſetzge- bung der Vernunft. Beyde Vermoͤgen alſo haben, außer dem, daß ſie der logiſchen Form nach auf Principien, welchen Urſprungs ſie auch ſeyn moͤgen, angewandt wer- den koͤnnen, uͤberdem noch jedes ſeine eigene Geſetzge- bung dem Jnhalte nach, uͤber die es keine andere (a priori) giebt, und die daher die Eintheilung der Philoſophie in die theoretiſche und practiſche rechtfertigt.
Allein in der Familie der oberen Erkenntnisvermoͤ- gen giebt es doch noch ein Mittelglied zwiſchen dem Ver- ſtande und der Vernunft: dieſes iſt die Urtheilskraft, von welcher man Urſache hat, nach der Analogie zu ver- muthen, daß ſie eben ſowohl, wenn gleich nicht eine ei- gene Geſetzgebung, doch ein ihr eigenes Princip nach Ge- ſetzen zn ſuchen, allenfalls ein blos ſubjectives a priori, in ſich enthalten duͤrfte, welches, wenn ihm gleich kein Feld der Gegenſtaͤnde als ſein Gebiet zuſtaͤnde, doch ir- gend einen Boden haben kann, und eine gewiſſe Be- ſchaffenheit deſſelben wofuͤr gerade nur dieſes Princip gel- tend ſeyn moͤchte.
b 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0027"n="XXI"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung.</hi></fw><lb/>
enthaͤlt, die fuͤr ſich weder zum theoretiſchen noch practi-<lb/>ſchen Gebrauche tauglich ſind.</p><lb/><p>Die Naturbegriffe, welche den Grund zu allem theo-<lb/>
retiſchen Erkenntnis <hirendition="#aq">a priori</hi> enthalten, beruheten auf der<lb/>
Geſetzgebung des Verſtandes. — Der Freyheitsbegrif,<lb/>
der den Grund zu allen ſinnlich-unbedingten practiſchen<lb/>
Vorſchriften <hirendition="#aq">a priori</hi> enthielt, beruhete auf der Geſetzge-<lb/>
bung der Vernunft. Beyde Vermoͤgen alſo haben, außer<lb/>
dem, daß ſie der logiſchen Form nach auf Principien,<lb/>
welchen Urſprungs ſie auch ſeyn moͤgen, angewandt wer-<lb/>
den koͤnnen, uͤberdem noch jedes ſeine eigene Geſetzge-<lb/>
bung dem Jnhalte nach, uͤber die es keine andere <hirendition="#aq">(a priori)</hi><lb/>
giebt, und die daher die Eintheilung der Philoſophie in<lb/>
die theoretiſche und practiſche rechtfertigt.</p><lb/><p>Allein in der Familie der oberen Erkenntnisvermoͤ-<lb/>
gen giebt es doch noch ein Mittelglied zwiſchen dem Ver-<lb/>ſtande und der Vernunft: dieſes iſt die <hirendition="#fr">Urtheilskraft,</hi><lb/>
von welcher man Urſache hat, nach der Analogie zu ver-<lb/>
muthen, daß ſie eben ſowohl, wenn gleich nicht eine ei-<lb/>
gene Geſetzgebung, doch ein ihr eigenes Princip nach Ge-<lb/>ſetzen zn ſuchen, allenfalls ein blos ſubjectives <hirendition="#aq">a priori,</hi><lb/>
in ſich enthalten duͤrfte, welches, wenn ihm gleich kein<lb/>
Feld der Gegenſtaͤnde als ſein Gebiet zuſtaͤnde, doch ir-<lb/>
gend einen Boden haben kann, und eine gewiſſe Be-<lb/>ſchaffenheit deſſelben wofuͤr gerade nur dieſes Princip gel-<lb/>
tend ſeyn moͤchte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">b 3</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[XXI/0027]
Einleitung.
enthaͤlt, die fuͤr ſich weder zum theoretiſchen noch practi-
ſchen Gebrauche tauglich ſind.
Die Naturbegriffe, welche den Grund zu allem theo-
retiſchen Erkenntnis a priori enthalten, beruheten auf der
Geſetzgebung des Verſtandes. — Der Freyheitsbegrif,
der den Grund zu allen ſinnlich-unbedingten practiſchen
Vorſchriften a priori enthielt, beruhete auf der Geſetzge-
bung der Vernunft. Beyde Vermoͤgen alſo haben, außer
dem, daß ſie der logiſchen Form nach auf Principien,
welchen Urſprungs ſie auch ſeyn moͤgen, angewandt wer-
den koͤnnen, uͤberdem noch jedes ſeine eigene Geſetzge-
bung dem Jnhalte nach, uͤber die es keine andere (a priori)
giebt, und die daher die Eintheilung der Philoſophie in
die theoretiſche und practiſche rechtfertigt.
Allein in der Familie der oberen Erkenntnisvermoͤ-
gen giebt es doch noch ein Mittelglied zwiſchen dem Ver-
ſtande und der Vernunft: dieſes iſt die Urtheilskraft,
von welcher man Urſache hat, nach der Analogie zu ver-
muthen, daß ſie eben ſowohl, wenn gleich nicht eine ei-
gene Geſetzgebung, doch ein ihr eigenes Princip nach Ge-
ſetzen zn ſuchen, allenfalls ein blos ſubjectives a priori,
in ſich enthalten duͤrfte, welches, wenn ihm gleich kein
Feld der Gegenſtaͤnde als ſein Gebiet zuſtaͤnde, doch ir-
gend einen Boden haben kann, und eine gewiſſe Be-
ſchaffenheit deſſelben wofuͤr gerade nur dieſes Princip gel-
tend ſeyn moͤchte.
b 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. XXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/27>, abgerufen am 11.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.