Vernunfturtheil, über die an einem Dinge und die Bezie- hung des Mannigfaltigen in ihm zu einem Zwecke entdeckte Vollkommenheit sey, mithin nur um der Verworrenheit wil- len, die dieser unserer Reflexion anhängt, ästhetisch genannt werde, ob es gleich im Grunde teleologisch sey, in welchem Falle man die Auflösung der Antinomie durch transcendentale Jdeen für unnöthig und nichtig erklären und so mit den Ob- jecten der Sinne nicht als bloßen Erscheinungen, sondern auch als Dingen an sich selbst jene Geschmacksgesetze vereini- gen könnte. Wie wenig aber die eine sowohl als die andere Ausflucht verschlage, ist an mehrern Orten in der Exposition der Geschmacksurtheile gezeigt worden.
Räumt man aber unserer Deduction wenigstens so viel ein, daß sie auf dem rechten Wege geschehe, wenn gleich noch nicht in allen Stücken hell genug gemacht sey, so zeigen sich drey Jdeen: erstlich des Uebersinnlichen überhaupt, ohne weitere Bestimmung, als Substrats der Natur, zwey- tens eben desselben, als Princips der subjectiven Zweck- mäßigkeit der Natur für unser Erkenntnisvermögen, drit- tens eben desselben als Princips der Zwecke der Freyheit und Princips der Uebereinstimmung derselben mit jener im Sittlichen.
§. 58. Vom Jdealismus der Zweckmäßigkeit der Natur sowohl als Kunst, als dem alleini- gen Princip der ästhetischen Urtheilskraft.
Man kann zuvörderst das Princip des Geschmacks entweder darinn setzen, daß dieser jederzeit nach empiri- schen Bestimmungsgründen und also nach solchen, die
I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Vernunfturtheil, uͤber die an einem Dinge und die Bezie- hung des Mannigfaltigen in ihm zu einem Zwecke entdeckte Vollkommenheit ſey, mithin nur um der Verworrenheit wil- len, die dieſer unſerer Reflexion anhaͤngt, aͤſthetiſch genannt werde, ob es gleich im Grunde teleologiſch ſey, in welchem Falle man die Aufloͤſung der Antinomie durch tranſcendentale Jdeen fuͤr unnoͤthig und nichtig erklaͤren und ſo mit den Ob- jecten der Sinne nicht als bloßen Erſcheinungen, ſondern auch als Dingen an ſich ſelbſt jene Geſchmacksgeſetze vereini- gen koͤnnte. Wie wenig aber die eine ſowohl als die andere Ausflucht verſchlage, iſt an mehrern Orten in der Expoſition der Geſchmacksurtheile gezeigt worden.
Raͤumt man aber unſerer Deduction wenigſtens ſo viel ein, daß ſie auf dem rechten Wege geſchehe, wenn gleich noch nicht in allen Stuͤcken hell genug gemacht ſey, ſo zeigen ſich drey Jdeen: erſtlich des Ueberſinnlichen uͤberhaupt, ohne weitere Beſtimmung, als Subſtrats der Natur, zwey- tens eben deſſelben, als Princips der ſubjectiven Zweck- maͤßigkeit der Natur fuͤr unſer Erkenntnisvermoͤgen, drit- tens eben deſſelben als Princips der Zwecke der Freyheit und Princips der Uebereinſtimmung derſelben mit jener im Sittlichen.
§. 58. Vom Jdealismus der Zweckmaͤßigkeit der Natur ſowohl als Kunſt, als dem alleini- gen Princip der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Man kann zuvoͤrderſt das Princip des Geſchmacks entweder darinn ſetzen, daß dieſer jederzeit nach empiri- ſchen Beſtimmungsgruͤnden und alſo nach ſolchen, die
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I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Vernunfturtheil, uͤber die an einem Dinge und die Bezie-
hung des Mannigfaltigen in ihm zu einem Zwecke entdeckte
Vollkommenheit ſey, mithin nur um der Verworrenheit wil-
len, die dieſer unſerer Reflexion anhaͤngt, aͤſthetiſch genannt
werde, ob es gleich im Grunde teleologiſch ſey, in welchem
Falle man die Aufloͤſung der Antinomie durch tranſcendentale
Jdeen fuͤr unnoͤthig und nichtig erklaͤren und ſo mit den Ob-
jecten der Sinne nicht als bloßen Erſcheinungen, ſondern
auch als Dingen an ſich ſelbſt jene Geſchmacksgeſetze vereini-
gen koͤnnte. Wie wenig aber die eine ſowohl als die andere
Ausflucht verſchlage, iſt an mehrern Orten in der Expoſition
der Geſchmacksurtheile gezeigt worden.
Raͤumt man aber unſerer Deduction wenigſtens ſo viel
ein, daß ſie auf dem rechten Wege geſchehe, wenn gleich
noch nicht in allen Stuͤcken hell genug gemacht ſey, ſo zeigen
ſich drey Jdeen: erſtlich des Ueberſinnlichen uͤberhaupt,
ohne weitere Beſtimmung, als Subſtrats der Natur, zwey-
tens eben deſſelben, als Princips der ſubjectiven Zweck-
maͤßigkeit der Natur fuͤr unſer Erkenntnisvermoͤgen, drit-
tens eben deſſelben als Princips der Zwecke der Freyheit
und Princips der Uebereinſtimmung derſelben mit jener im
Sittlichen.
§. 58.
Vom Jdealismus der Zweckmaͤßigkeit der
Natur ſowohl als Kunſt, als dem alleini-
gen Princip der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
Man kann zuvoͤrderſt das Princip des Geſchmacks
entweder darinn ſetzen, daß dieſer jederzeit nach empiri-
ſchen Beſtimmungsgruͤnden und alſo nach ſolchen, die
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/306>, abgerufen am 16.06.2024.
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