die Hölung in seinen Knochen, die Lage seiner Flügel zur Bewegung und des Schwanzes zum steuern u. s. w. anführt, so sagt man, daß dieses alles nach dem blo- ßen nexus effectivus in der Natur, ohne noch eine be- sondere Art der Causalität, nämlich die der Zwecke (ne- xus finalis) zu Hülfe zu nehmen, im höchsten Grade zu- fällig sey, d. i. daß sich die Natur, als bloßer Mecha- nism betrachtet, auf tausendfache Art habe anders bil- den können, ohne gerade auf die Einheit nach einem sol- chen Princip zu stoßen, und man also außer dem Be- griffe der Natur, nicht in demselben, den mindesten Grund dazu a priori allein anzutreffen hoffen dürfe.
Gleichwohl wird die teleologische Beurtheilung, we- nigstens problematisch, mit Recht zur Naturforschung gezogen, aber nur, um sie nach der Analogie mit der Causalität nach Zwecken unter Principien der Beobach- tung und Nachforschung zu bringen, ohne sich anzuma- ßen sie darnach zu erklären. Sie gehört also zur refle- ctirenden, nicht der bestimmenden, Urtheilskraft. Der Begrif von Verbindungen und Formen der Natur nach Zwecken ist doch wenigstens ein Princip mehr, die Erscheinungen derselben unter Regeln zu bringen, wo die Gesetze der Causalität nach dem bloßen Mechanism derselben nicht zulangen. Denn wir führen einen teleo- logischen Grund an, wo wir einem Begriffe vom Ob- jecte, als ob er in der Natur (nicht in uns) belegen wäre, Causalität in Ansehung eines Objects zueignen,
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II. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
die Hoͤlung in ſeinen Knochen, die Lage ſeiner Fluͤgel zur Bewegung und des Schwanzes zum ſteuern u. ſ. w. anfuͤhrt, ſo ſagt man, daß dieſes alles nach dem blo- ßen nexus effectivus in der Natur, ohne noch eine be- ſondere Art der Cauſalitaͤt, naͤmlich die der Zwecke (ne- xus finalis) zu Huͤlfe zu nehmen, im hoͤchſten Grade zu- faͤllig ſey, d. i. daß ſich die Natur, als bloßer Mecha- nism betrachtet, auf tauſendfache Art habe anders bil- den koͤnnen, ohne gerade auf die Einheit nach einem ſol- chen Princip zu ſtoßen, und man alſo außer dem Be- griffe der Natur, nicht in demſelben, den mindeſten Grund dazu a priori allein anzutreffen hoffen duͤrfe.
Gleichwohl wird die teleologiſche Beurtheilung, we- nigſtens problematiſch, mit Recht zur Naturforſchung gezogen, aber nur, um ſie nach der Analogie mit der Cauſalitaͤt nach Zwecken unter Principien der Beobach- tung und Nachforſchung zu bringen, ohne ſich anzuma- ßen ſie darnach zu erklaͤren. Sie gehoͤrt alſo zur refle- ctirenden, nicht der beſtimmenden, Urtheilskraft. Der Begrif von Verbindungen und Formen der Natur nach Zwecken iſt doch wenigſtens ein Princip mehr, die Erſcheinungen derſelben unter Regeln zu bringen, wo die Geſetze der Cauſalitaͤt nach dem bloßen Mechanism derſelben nicht zulangen. Denn wir fuͤhren einen teleo- logiſchen Grund an, wo wir einem Begriffe vom Ob- jecte, als ob er in der Natur (nicht in uns) belegen waͤre, Cauſalitaͤt in Anſehung eines Objects zueignen,
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II. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
die Hoͤlung in ſeinen Knochen, die Lage ſeiner Fluͤgel
zur Bewegung und des Schwanzes zum ſteuern u. ſ. w.
anfuͤhrt, ſo ſagt man, daß dieſes alles nach dem blo-
ßen nexus effectivus in der Natur, ohne noch eine be-
ſondere Art der Cauſalitaͤt, naͤmlich die der Zwecke (ne-
xus finalis) zu Huͤlfe zu nehmen, im hoͤchſten Grade zu-
faͤllig ſey, d. i. daß ſich die Natur, als bloßer Mecha-
nism betrachtet, auf tauſendfache Art habe anders bil-
den koͤnnen, ohne gerade auf die Einheit nach einem ſol-
chen Princip zu ſtoßen, und man alſo außer dem Be-
griffe der Natur, nicht in demſelben, den mindeſten
Grund dazu a priori allein anzutreffen hoffen duͤrfe.
Gleichwohl wird die teleologiſche Beurtheilung, we-
nigſtens problematiſch, mit Recht zur Naturforſchung
gezogen, aber nur, um ſie nach der Analogie mit der
Cauſalitaͤt nach Zwecken unter Principien der Beobach-
tung und Nachforſchung zu bringen, ohne ſich anzuma-
ßen ſie darnach zu erklaͤren. Sie gehoͤrt alſo zur refle-
ctirenden, nicht der beſtimmenden, Urtheilskraft. Der
Begrif von Verbindungen und Formen der Natur nach
Zwecken iſt doch wenigſtens ein Princip mehr, die
Erſcheinungen derſelben unter Regeln zu bringen, wo
die Geſetze der Cauſalitaͤt nach dem bloßen Mechanism
derſelben nicht zulangen. Denn wir fuͤhren einen teleo-
logiſchen Grund an, wo wir einem Begriffe vom Ob-
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waͤre, Cauſalitaͤt in Anſehung eines Objects zueignen,
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/329>, abgerufen am 16.06.2024.
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