Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Einleitung.
V.
Das Princip der formalen Zweckmäßigkeit
der Natur ist ein transscendentales Prin-
cip der Urtheilskraft.

Ein transscendentales Princip ist dasjenige, durch
welches die allgemeine Bedingung a priori vorgestellt
wird, unter der allein Dinge Objecte unserer Erkennt-
nis überhaupt werden können. Dagegen heißt ein Prin-
cip metaphysisch, wenn es die Bedingung a priori vor-
stellt, unter der allein Objecte deren Begrif empirisch ge-
geben seyn muß, a priori weiter bestimmet werden kön-
nen. So ist das Princip der Erkenntnis der Körper als
Substanzen und als veränderlicher Substanzen trans-
scendental, wenn dadurch gesagt wird, daß ihre Verän-
derung eine Ursach haben müsse; es ist aber metaphysisch
wenn dadurch gesagt wird ihre Veränderung müsse eine
äußere Ursache haben, weil im ersteren Falle der Kör-
per nur durch ontologische Prädicate (reine Verstandes-
begriffe) z. B. als Substanz gedacht werden darf um den
Satz a priori zu erkennen, im zweyten aber der empiri-
sche Begrif eines Körpers (als eines beweglichen Dinges
im Raum) diesem Satze zum Grunde gelegt werden muß,
alsdann aber, daß dem Körper das letztere Prädicat (der
Bewegung nur durch äußere Ursache) zukomme, völlig
a priori eingesehen werden kann. -- So ist wie ich so
gleich zeigen werde, das Princip der Zweckmäßigkeit der

Einleitung.
V.
Das Princip der formalen Zweckmaͤßigkeit
der Natur iſt ein transſcendentales Prin-
cip der Urtheilskraft.

Ein transſcendentales Princip iſt dasjenige, durch
welches die allgemeine Bedingung a priori vorgeſtellt
wird, unter der allein Dinge Objecte unſerer Erkennt-
nis uͤberhaupt werden koͤnnen. Dagegen heißt ein Prin-
cip metaphyſiſch, wenn es die Bedingung a priori vor-
ſtellt, unter der allein Objecte deren Begrif empiriſch ge-
geben ſeyn muß, a priori weiter beſtimmet werden koͤn-
nen. So iſt das Princip der Erkenntnis der Koͤrper als
Subſtanzen und als veraͤnderlicher Subſtanzen trans-
ſcendental, wenn dadurch geſagt wird, daß ihre Veraͤn-
derung eine Urſach haben muͤſſe; es iſt aber metaphyſiſch
wenn dadurch geſagt wird ihre Veraͤnderung muͤſſe eine
aͤußere Urſache haben, weil im erſteren Falle der Koͤr-
per nur durch ontologiſche Praͤdicate (reine Verſtandes-
begriffe) z. B. als Subſtanz gedacht werden darf um den
Satz a priori zu erkennen, im zweyten aber der empiri-
ſche Begrif eines Koͤrpers (als eines beweglichen Dinges
im Raum) dieſem Satze zum Grunde gelegt werden muß,
alsdann aber, daß dem Koͤrper das letztere Praͤdicat (der
Bewegung nur durch aͤußere Urſache) zukomme, voͤllig
a priori eingeſehen werden kann. — So iſt wie ich ſo
gleich zeigen werde, das Princip der Zweckmaͤßigkeit der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0033" n="XXVII"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Einleitung.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">V.</hi><lb/>
Das Princip der formalen Zweckma&#x0364;ßigkeit<lb/>
der Natur i&#x017F;t ein trans&#x017F;cendentales Prin-<lb/>
cip der Urtheilskraft.</hi> </head><lb/>
          <p>Ein trans&#x017F;cendentales Princip i&#x017F;t dasjenige, durch<lb/>
welches die allgemeine Bedingung <hi rendition="#aq">a priori</hi> vorge&#x017F;tellt<lb/>
wird, unter der allein Dinge Objecte un&#x017F;erer Erkennt-<lb/>
nis u&#x0364;berhaupt werden ko&#x0364;nnen. Dagegen heißt ein Prin-<lb/>
cip metaphy&#x017F;i&#x017F;ch, wenn es die Bedingung <hi rendition="#aq">a priori</hi> vor-<lb/>
&#x017F;tellt, unter der allein Objecte deren Begrif empiri&#x017F;ch ge-<lb/>
geben &#x017F;eyn muß, <hi rendition="#aq">a priori</hi> weiter be&#x017F;timmet werden ko&#x0364;n-<lb/>
nen. So i&#x017F;t das Princip der Erkenntnis der Ko&#x0364;rper als<lb/>
Sub&#x017F;tanzen und als vera&#x0364;nderlicher Sub&#x017F;tanzen trans-<lb/>
&#x017F;cendental, wenn dadurch ge&#x017F;agt wird, daß ihre Vera&#x0364;n-<lb/>
derung eine Ur&#x017F;ach haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; es i&#x017F;t aber metaphy&#x017F;i&#x017F;ch<lb/>
wenn dadurch ge&#x017F;agt wird ihre Vera&#x0364;nderung mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e eine<lb/><hi rendition="#fr">a&#x0364;ußere</hi> Ur&#x017F;ache haben, weil im er&#x017F;teren Falle der Ko&#x0364;r-<lb/>
per nur durch ontologi&#x017F;che Pra&#x0364;dicate (reine Ver&#x017F;tandes-<lb/>
begriffe) z. B. als Sub&#x017F;tanz gedacht werden darf um den<lb/>
Satz <hi rendition="#aq">a priori</hi> zu erkennen, im zweyten aber der empiri-<lb/>
&#x017F;che Begrif eines Ko&#x0364;rpers (als eines beweglichen Dinges<lb/>
im Raum) die&#x017F;em Satze zum Grunde gelegt werden muß,<lb/>
alsdann aber, daß dem Ko&#x0364;rper das letztere Pra&#x0364;dicat (der<lb/>
Bewegung <choice><sic>nnr</sic><corr>nur</corr></choice> durch a&#x0364;ußere Ur&#x017F;ache) zukomme, vo&#x0364;llig<lb/><hi rendition="#aq">a priori</hi> einge&#x017F;ehen werden kann. &#x2014; So i&#x017F;t wie ich &#x017F;o<lb/>
gleich zeigen werde, das Princip der Zweckma&#x0364;ßigkeit der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XXVII/0033] Einleitung. V. Das Princip der formalen Zweckmaͤßigkeit der Natur iſt ein transſcendentales Prin- cip der Urtheilskraft. Ein transſcendentales Princip iſt dasjenige, durch welches die allgemeine Bedingung a priori vorgeſtellt wird, unter der allein Dinge Objecte unſerer Erkennt- nis uͤberhaupt werden koͤnnen. Dagegen heißt ein Prin- cip metaphyſiſch, wenn es die Bedingung a priori vor- ſtellt, unter der allein Objecte deren Begrif empiriſch ge- geben ſeyn muß, a priori weiter beſtimmet werden koͤn- nen. So iſt das Princip der Erkenntnis der Koͤrper als Subſtanzen und als veraͤnderlicher Subſtanzen trans- ſcendental, wenn dadurch geſagt wird, daß ihre Veraͤn- derung eine Urſach haben muͤſſe; es iſt aber metaphyſiſch wenn dadurch geſagt wird ihre Veraͤnderung muͤſſe eine aͤußere Urſache haben, weil im erſteren Falle der Koͤr- per nur durch ontologiſche Praͤdicate (reine Verſtandes- begriffe) z. B. als Subſtanz gedacht werden darf um den Satz a priori zu erkennen, im zweyten aber der empiri- ſche Begrif eines Koͤrpers (als eines beweglichen Dinges im Raum) dieſem Satze zum Grunde gelegt werden muß, alsdann aber, daß dem Koͤrper das letztere Praͤdicat (der Bewegung nur durch aͤußere Urſache) zukomme, voͤllig a priori eingeſehen werden kann. — So iſt wie ich ſo gleich zeigen werde, das Princip der Zweckmaͤßigkeit der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/33
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. XXVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/33>, abgerufen am 04.12.2024.