Gegensatz: Einige Erzeugung derselben ist nach blos mechanischen Gesetzen nicht möglich.
Jn dieser letzteren Qualität, als objective Princi- pien für die bestimmende Urtheilskraft, würden sie ein- ander widersprechen, mithin einer von beyden Sätzen nothwendig falsch seyn; aber das wäre alsdenn zwar eine Antinomie, aber nicht der Urtheilskraft, sondern ein Widerstreit in der Gesetzgebung der Vernunft. Die Vernunft kann aber weder den einen noch den anderu dieser Grundsätze beweisen; weil wir von Möglichkeit der Dinge nach blos empirischen Gesetzen der Natur kein bestimmendes Princip a priori haben können.
Was dagegen die zuerst vorgetragene Maxime einer reflectirenden Urtheilskraft betrift, so enthält sie in der That gar keinen Widerspruch. Denn wenn ich sage: ich muß alle Eräugnisse in der materiellen Natur, mithin auch alle Formen, als Producte derselben, ihrer Möglichkeit nach, nach blos mechanischen Gesetzen beur- theilen, so sage ich damit nicht: sie sind darnach allein (ausschließungsweise von jeder andern Art Caussa- lität) möglich: sondern das will nur anzeigen, ich soll jederzeit über dieselbe nach dem Princip des bloßen Mechanisms der Natur reflectiren und mithin diesem, so weit ich kann, nachforschen, weil, ohne ihn zum Grunde der Nachforschung zu legen, es gar keine eigentliche Naturerkenntnis geben kann. Dieses hindert nun die zweyte Maxime, bey gelegentlicher Veranlassung,
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Gegenſatz: Einige Erzeugung derſelben iſt nach blos mechaniſchen Geſetzen nicht moͤglich.
Jn dieſer letzteren Qualitaͤt, als objective Princi- pien fuͤr die beſtimmende Urtheilskraft, wuͤrden ſie ein- ander widerſprechen, mithin einer von beyden Saͤtzen nothwendig falſch ſeyn; aber das waͤre alsdenn zwar eine Antinomie, aber nicht der Urtheilskraft, ſondern ein Widerſtreit in der Geſetzgebung der Vernunft. Die Vernunft kann aber weder den einen noch den anderu dieſer Grundſaͤtze beweiſen; weil wir von Moͤglichkeit der Dinge nach blos empiriſchen Geſetzen der Natur kein beſtimmendes Princip a priori haben koͤnnen.
Was dagegen die zuerſt vorgetragene Maxime einer reflectirenden Urtheilskraft betrift, ſo enthaͤlt ſie in der That gar keinen Widerſpruch. Denn wenn ich ſage: ich muß alle Eraͤugniſſe in der materiellen Natur, mithin auch alle Formen, als Producte derſelben, ihrer Moͤglichkeit nach, nach blos mechaniſchen Geſetzen beur- theilen, ſo ſage ich damit nicht: ſie ſind darnach allein (ausſchließungsweiſe von jeder andern Art Cauſſa- litaͤt) moͤglich: ſondern das will nur anzeigen, ich ſoll jederzeit uͤber dieſelbe nach dem Princip des bloßen Mechanisms der Natur reflectiren und mithin dieſem, ſo weit ich kann, nachforſchen, weil, ohne ihn zum Grunde der Nachforſchung zu legen, es gar keine eigentliche Naturerkenntnis geben kann. Dieſes hindert nun die zweyte Maxime, bey gelegentlicher Veranlaſſung,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0375"n="311"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/><p><hirendition="#fr">Gegenſatz:</hi> Einige Erzeugung derſelben iſt nach blos<lb/>
mechaniſchen Geſetzen nicht moͤglich.</p><lb/><p>Jn dieſer letzteren Qualitaͤt, als objective Princi-<lb/>
pien fuͤr die beſtimmende Urtheilskraft, wuͤrden ſie ein-<lb/>
ander widerſprechen, mithin einer von beyden Saͤtzen<lb/>
nothwendig falſch ſeyn; aber das waͤre alsdenn zwar<lb/>
eine Antinomie, aber nicht der Urtheilskraft, ſondern ein<lb/>
Widerſtreit in der Geſetzgebung der Vernunft. Die<lb/>
Vernunft kann aber weder den einen noch den anderu<lb/>
dieſer Grundſaͤtze beweiſen; weil wir von Moͤglichkeit<lb/>
der Dinge nach blos empiriſchen Geſetzen der Natur<lb/>
kein beſtimmendes Princip <hirendition="#aq">a priori</hi> haben koͤnnen.</p><lb/><p>Was dagegen die zuerſt vorgetragene Maxime<lb/>
einer reflectirenden Urtheilskraft betrift, ſo enthaͤlt ſie<lb/>
in der That gar keinen Widerſpruch. Denn wenn ich<lb/>ſage: ich muß alle Eraͤugniſſe in der materiellen Natur,<lb/>
mithin auch alle Formen, als Producte derſelben, ihrer<lb/>
Moͤglichkeit nach, nach blos mechaniſchen Geſetzen <hirendition="#fr">beur-<lb/>
theilen,</hi>ſo ſage ich damit nicht: ſie <hirendition="#fr">ſind darnach<lb/>
allein</hi> (ausſchließungsweiſe von jeder andern Art Cauſſa-<lb/>
litaͤt) <hirendition="#fr">moͤglich:</hi>ſondern das will nur anzeigen, <hirendition="#fr">ich<lb/>ſoll</hi> jederzeit uͤber dieſelbe <hirendition="#fr">nach dem Princip</hi> des<lb/>
bloßen Mechanisms der Natur <hirendition="#fr">reflectiren</hi> und mithin<lb/>
dieſem, ſo weit ich kann, nachforſchen, weil, ohne ihn<lb/>
zum Grunde der Nachforſchung zu legen, es gar keine<lb/>
eigentliche Naturerkenntnis geben kann. Dieſes hindert<lb/>
nun die zweyte Maxime, bey gelegentlicher Veranlaſſung,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[311/0375]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Gegenſatz: Einige Erzeugung derſelben iſt nach blos
mechaniſchen Geſetzen nicht moͤglich.
Jn dieſer letzteren Qualitaͤt, als objective Princi-
pien fuͤr die beſtimmende Urtheilskraft, wuͤrden ſie ein-
ander widerſprechen, mithin einer von beyden Saͤtzen
nothwendig falſch ſeyn; aber das waͤre alsdenn zwar
eine Antinomie, aber nicht der Urtheilskraft, ſondern ein
Widerſtreit in der Geſetzgebung der Vernunft. Die
Vernunft kann aber weder den einen noch den anderu
dieſer Grundſaͤtze beweiſen; weil wir von Moͤglichkeit
der Dinge nach blos empiriſchen Geſetzen der Natur
kein beſtimmendes Princip a priori haben koͤnnen.
Was dagegen die zuerſt vorgetragene Maxime
einer reflectirenden Urtheilskraft betrift, ſo enthaͤlt ſie
in der That gar keinen Widerſpruch. Denn wenn ich
ſage: ich muß alle Eraͤugniſſe in der materiellen Natur,
mithin auch alle Formen, als Producte derſelben, ihrer
Moͤglichkeit nach, nach blos mechaniſchen Geſetzen beur-
theilen, ſo ſage ich damit nicht: ſie ſind darnach
allein (ausſchließungsweiſe von jeder andern Art Cauſſa-
litaͤt) moͤglich: ſondern das will nur anzeigen, ich
ſoll jederzeit uͤber dieſelbe nach dem Princip des
bloßen Mechanisms der Natur reflectiren und mithin
dieſem, ſo weit ich kann, nachforſchen, weil, ohne ihn
zum Grunde der Nachforſchung zu legen, es gar keine
eigentliche Naturerkenntnis geben kann. Dieſes hindert
nun die zweyte Maxime, bey gelegentlicher Veranlaſſung,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/375>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.